Wie kann die Stadtluft sauberer werden? Technische Nachrüstung? Software-Update? Weniger strenge Grenzwerte? Der Streit um die Ergebnisse des Dieselgipfels vor drei Wochen geht weiter - und wird zu einem der wenigen harten Wahlkampf-Themen. So kommentiert die Presse.
"Diesel-Bombe platzte, weil Politiker die Autobranche viel zu lange zu agieren ließen"
"Landeszeitung": "Steuern, Rente oder soziale Gerechtigkeit waren gestern. Anno 2017 befeuern die Parteien ihre Wahlkampfmotoren mit der Diesel-Krise. Kein Wunder also, dass Seehofer zugreift - und die Koalitionsfrage mit der Zukunft der Verbrennungsmotoren verknüpft. Die Kanzlerin gibt sogar eine Bestandsgarantie für den Verbrennungsmotor. Dieser sei noch auf Jahrzehnte eine unverzichtbare Brückentechnologie. Das stimmt aber nur bedingt. Die Diesel-Bombe platzte, weil Politiker die Autobranche viel zu lange zu agieren ließen.
Abschaltvorrichtungen waren lange bekannt, Folgen hatte das nicht. Wer bis zur Wahl punkten will, muss die Autohersteller zu Nachbesserungen auch bei der Hardware zwingen. Das wird zwar einen Teil der Milliardengewinne verschlingen. Aber dass ein Diesel auch sauber sein kann, beweist Mercedes mit der neuen Motoren-Generation. Die Motoren sind zwar teuer, aber angesichts des größten Kapitals für Hersteller günstig - dem Vertrauen."
"Schnellschüsse im Wahlkampf könnten Millionen Arbeitsplätze gefährden"
"Pforzheimer Zeitung": "Wenn es nach Seehofer und Özdemir geht, ist die schwarz-grüne Option schon vier Wochen vor der Bundestagswahl mausetot. Interessant wäre es, in diesem Zusammenhang mal zu hören, was der grüne Ministerpräsident Kretschmann dazu zu sagen hat. Vermutlich etwas in der Art: 'Wie kann man denn so ein Zeug verzapfen?!' - um ihn mal aus dem berühmt gewordenen Video-Mitschnitt selbst zu zitieren.
Der Punkt ist doch: Mit Schnellschüssen mitten im Wahlkampf lässt sich das Dieseldrama garantiert nicht bewältigen. Sowohl ein krampfhaftes Festhalten an der Verbrennungstechnologie, wie auch der von den Grünen anvisierte Schnellausstieg könnte die Autoindustrie in ihrem Bestand gefährden - und Millionen von Arbeitsplätze mit ihr."
"Seehofers Kampf erinnert an Widerstand der Segelschiff-Besitzer gegen Dampfmaschinen"
"Lausitzer Rundschau": "Töricht ist auch, dass Seehofer der Politik so die Chance nimmt, durch rechtliche Vorgaben Antreiber auch der industriellen und technologischen Entwicklung zu sein. Die Chinesen machen das bei der E-Mobilität gerade vor; Kalifornien ist schon lange auf diesem Weg. Arbeitsplätze, die mit politischem Gönnertum künstlich erhalten werden, können keine Zukunftsarbeitsplätze sein. Seehofers Kampf erinnert fatal an den Widerstand der Besitzer von Segelschiffen im vorletzten Jahrhundert gegen das Aufkommen der Dampfmaschinen als Antrieb."
"Politiker wollen noch ein gutes Wort für Diesel einlegen - aber es ist zu spät"
"Frankfurter Allgemeine Zeitung": "Bloß keinen Diesel mehr! Das erschreckt nun einige Politiker, die ein gutes Wort für die Technik einlegen. Aber es ist zu spät. Zwar werden auch die von der Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) plötzlich doch geforderten Umrüstungen nicht kommen. Sie würden viel kosten und wenig bringen.
Die Angst vor sinkenden Restwerten in der Zukunft aber reicht aus, um eine ganze Antriebstechnik in den Leerlauf zu schalten, aller Wahlkampf-Beteuerungen zum Trotz. Was kommt nun: Elektromobilität? Alternative Brennstoffe? Auf der Suche nach der Antwort hätten die deutschen Hersteller Zeit gebraucht, die sie durch eigene und fremde Fahrlässigkeit nicht mehr haben."
"Zuerst stotterte der Wahlkampfmotor, doch jetzt kommt er doch noch auf Touren"
"Neue Osnabrücker Zeitung": "Zuerst stotterte der Wahlkampfmotor, doch jetzt kommt er doch noch auf Touren - dem umstrittenen Diesel sei Dank. Kaum ein Thema hat so viele publikumswirksame Facetten wie dieses, in diesem Themenpaket ist für alle Politiker etwas drin. Sie müssen nur zugreifen wie Horst Seehofer und Cem Özdemir. Abzuwarten bleibt jedoch, ob sich deren Ankündigungen nicht doch als Wahlkampftheater entpuppen.
In der Sache bleibt festzuhalten: Hersteller und Politiker haben den Karren in den Dreck gefahren. Sie müssen ihn auch herausziehen. Und dabei geht es nicht nur um eine Technologie für die Zukunft, sondern auch darum, Wertverluste der Autofahrer in Milliardenhöhe auszugleichen. Man darf gespannt sein, was der Wahlkampf in diesem Punkt noch zu bieten hat. Bislang war es wenig."
"Hexenjagd gegen Verbrennungsmotor wird für Deutschland kritisch"
"Straubinger Tagblatt": "Ob sich die selbsternannten Umweltexperten von dem Münchner 'Machtwort' beeindrucken lassen, ist fraglich. Dennoch hat Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer Recht. Denn die 'Hexenjagd', die derzeit gegen den Verbrennungsmotor und besonders den Diesel im Gange ist, beginnt für den Industriestandort Deutschland kritisch zu werden. Die durch niemanden und nichts legitimierten 'Experten' erzeugen ungehemmt einen öffentlichkeitswirksamen Druck, ohne die Konsequenzen ihres Treibens zu bedenken."
"Nebelkerzen von allen Seiten bis zur Bundestagswahl"
"Weser-Kurier": "Es geht wortgewaltig zu. FDP-Spitzenkandidat Christian Lindner spricht von 'Enteignung' der Diesel-Fahrer, sollten Fahrverbote kommen. CSU-Chef Horst Seehofer macht das Festhalten am Verbrennungsmotor gar zu einer Voraussetzung für eine Regierungskoalition, während Grünen-Vorsitzender Cem Özdemir mit der Forderung nach dem Ende des fossilen Verbrennungsmotors genau das Gegenteil will. Die wenigen konkreten Forderungen, wie etwa von Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD), die Autoindustrie zu technischen Nachrüstungen ihrer Fahrzeuge zu zwingen, verpuffen da schon fast.
Das ist fatal, denn es lenkt vom eigentlichen Problem ab: Die Ergebnisse des groß angekündigten Diesel-Gipfels Anfang August sind unzureichend. Wäre die Politik nicht im Wahlkampf-Modus, würde die Diskussion anders verlaufen. Momentan spricht allerdings vieles dafür, dass es bis zur Bundestagswahl bei Nebelkerzen von allen Seiten bleibt. Echte Ergebnisse kommen - wenn überhaupt - erst nach dem 24. September. Sofern es dann nicht schon wieder einen neuen Skandal gibt."
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