"Vor ein paar Jahren haben die SPD-Leute im Abgeordnetenhaus noch zu mir gesagt: Was, Leute wie Sie gibt’s noch in der CDU? Wir dachten, die sind ausgestorben.“ Der Politiker Burkard Dregger, 53, lacht darüber. Und gerade wenn er lacht, sieht er seinem Vater ziemlich ähnlich. Alfred Dregger war bis 1991 Chef der Unionsfraktion in Bonn. Dregger jun., Oppositionspolitiker im Berliner Abgeordnetenhaus – das ist die fünfte Reihe der Partei. Außenposten, noch nicht mal Ersatzbank. Was ist das für ein Gefühl: großer Name, keine Macht? „Ach“, sagt Dregger, „wir Konservativen dürfen nicht klagen. Wir müssen selbst dafür sorgen, dass wir wieder gehört werden.“
Nicht ganz ausgestorben, aber prähistorisch – so beschrieb kürzlich auch der enge Merkel-Vertraute und NRW-Ministerpräsident Armin Laschet in der FAS die Außenseiter in der Partei: „Das Wort konservativ tauchte in keinem Gründungsprogramm der CDU auf.“ Die wenigen Traditionalisten in der Partei fühlten sich mit diesen Worten faktisch ausgebürgert. Laschet hatte auch gedroht, er werde mit jedem „hart streiten“, der die politischen Achsen der Partei zu verschieben wage.
Allerdings: Parteiachsen driften eigentlich immer. In den Achtzigern gab es für jeden der drei CDU-Traditionsstränge einen prominenten Vertreter: Norbert Blüm für den sozialen, Rita Süssmuth für den liberalen, Alfred Dregger für den konservativen. Heute beherrscht im Wesentlichen die Etatistin Angela Merkel das Bild. Es gibt mit der aktuellen Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer neuerdings einen katholisch-sozialen Pinselstrich, mit dem Gesundheitsminister Jens Spahn einen eher wirtschaftsliberalen als konservativen Tupfer. Von den alten Recht-und-Ordnung-Haudegen existieren nach dem Abgang von Wolfgang Bosbach nur noch Spurenelemente.
„Die Begriffe konservativ und liberal sind mir zu abstrakt“
„Wissen Sie, die Begriffe konservativ und liberal sind mir zu abstrakt“, meint Dregger, Jurist mit zweitem Staatsexamen, Leutnant der Reserve. „Es kommt darauf an, was dahintersteht.“
Am Revers seines Anzugs trägt er eine miniaturisierte Deutschlandfahne, in den Räumen seiner Kanzlei in Berlin-Charlottenburg stehen schnörkellose Möbel, an den Wänden hängt zeitgenössische Kunst. Vielleicht ist das eher das Problem der anderen, dass sie finden, ein Konservativer müsste im Trachtenjanker vor einem röhrenden Hirsch sitzen.
Im Video: Sogar ein CDU-Ministerpräsident glaubt nicht mehr an die Zukunft der Volksparteien
Wie lautet Ihre persönliche Konservatismus-Definition, Herr Dregger? Die Antwort kommt sofort: „Den Interessen des deutschen Volkes zu dienen.“
Und was heißt das nun konkret?
„Ich rede sehr oft mit Einwanderern aus arabischen Ländern, der Türkei und Vietnam. Die meisten wollen sich gern integrieren. Aber das geht nur, wenn es eine Kultur gibt, in die sie sich integrieren können. Das geht nicht mit Beliebigkeit.“
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In seinem Wahlkreis in Reinickendorf-Ost, sagt er, gebe es Schulen mit einem Anteil von Migrantenkindern von 70, 80 Prozent. „Ich finde das nicht bedrohlich. Das sind Kinder unseres Landes, die wir für uns gewinnen müssen. Ich bin davon überzeugt, dass diese Position zutiefst patriotisch ist.“ Zu seinen Prinzipien gehört allerdings auch, dass diejenigen, die dazugehören möchten, deutsche Staatsbürger werden müssen, ohne Wenn und Aber. Beziehungsweise: Sie müssen es wollen.
„Klarheit kommt sehr gut an“
Das Gejammere der konservativen Islamverbände über die gefühlte Diskriminierung, so Dregger, nerve ihn: „Warum kommen Muslime denn hierher, wenn sie in Deutschland angeblich so schlecht behandelt werden?“ Das sage er in den Gesprächen mit Verbandsvertretern auch so: „Klarheit kommt dort sehr gut an.“ Der CDU-Mann spricht seine Sätze gern mit Ausrufezeichen. Ab und zu saust zusätzlich die Handkante auf den Tisch. Wer ihm eine Weile zuhört, der ahnt: Vielleicht kann jemand wie er tatsächlich bei Einwanderern besser für Deutschland werben als Leute, die von „postmigrantischer Gesellschaft“ reden – wofür sie dann gerade von traditionellen Muslimen meist nicht mehr als ein herzhaftes „Hä?“ ernten.
Heute, meint Burkard Dregger, sei Konservatismus etwas anderes als vor 30 Jahren. „Deutschland ist ja auch anders geworden.“ Damals galt: Wir sind kein Einwanderungsland. „Diese Festlegung hat sich nicht gehalten. Mir geht es darum, was wir jetzt aus der Einwanderung machen.“
Über Merkel verliert der Politiker kein schlechtes Wort. Auch kein gutes. Jens Spahn, die neue Hoffnung der Konservativen, sieht Dregger als noch unbeschriebenes Blatt. „Das ist ein intelligenter junger Mann mit vielen Anlagen.“ Und schiebt nach: „Ein sehr geeigneter Mann für die Zukunft.“
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