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Thursday, November 1, 2018

Nimmt jetzt der Gegenwind zu? - In der EU sind nicht alle über Merkels Rückzieher traurig

Nimmt jetzt der Gegenwind zu?: In der EU sind nicht alle über Merkels Rückzieher traurig
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Ukraines Präsident Petro Poroschenko lässt keinen Zweifel aufkommen, dass er seinen Gast, die deutsche Bundeskanzlerin, sehr schätzt. Angela Merkel sei wichtige Ansprechpartnerin und Stütze für die ukrainische Sache - in Deutschland und in der EU.

Die erste Auslandsreise nach der Ankündigung ihres Rückzugs von Partei- und Kanzleramt auf Raten führte die Kanzlerin nach Kiew. Die ukrainische Hauptstadt ist eher ein einfaches Pflaster für sie. Doch Russland ist auch hier präsent. Poroschenko empfängt Merkel im Marienpalast, einer ehemaligen Sommerresidenz des russischen Zaren, die erst vor kurzem renoviert wurde.

Was bleibt, wenn Merkel abtritt, in dieser Weltregion? Mehr als eine labile Balance ist zur Zeit in der Ukraine nicht machbar. Der Westen muss weiter auf der Hut sein, dass der russische Präsident Wladimir Putin sein Territorium und seinen Einflussbereich nicht weiter ausdehnt. Zur Zeit ist er aber wohl eher auf Syrien konzentriert.

Häme aus Polen

Etwas schwieriger als in Kiew dürfte es dann einen Tag später am Freitag bei den deutsch-polnischen Regierungskonsultationen in Warschau werden. Die Reaktionen der polnischen Führung auf Merkels schrittweisen Rückzug waren nicht nur freundlich. Manche wollten hier auch eine gewissen Häme erkannt haben.

Hat Merkels Standing in der internationalen Politik durch die Ankündigung, sich im Dezember von der CDU-Spitze und spätestens 2021 aus dem Kanzleramt zu verabschieden, gelitten? Nein, meinte die Kanzlerin jüngst am Rande des Afrika-Gipfels in Berlin. "Ich glaube, dass sich an der Verhandlungsposition in internationalen Verhandlungen nichts verändert."

Merkel prägte die EU

Jahrelang hat Merkel die Politik der EU geprägt. Bankenkrise, Finanzkrise, Flüchtlingskrise - sie war stets die Konstante in oft turbulenten Zeiten auf dem Kontinent. Im Kreis der EU-Staats- und Regierungschefs ist sie die mit Abstand Dienstälteste. Allerdings ist Merkel in der EU schon seit längerem nicht mehr unumstritten. Und das spürt man auch an den auseinander driftenden Interessen.

Die nationalkonservative Regierung in Warschau schreibt gerade fundamentale EU-Werte in den Wind, indem sie den Zugriff der Politik auf das Justizsystem verstärkt. Großbritannien wird voraussichtlich am 29. März 2019 die Union verlassen. Und die neue Regierungskoalition aus populistischer Fünf-Sterne-Bewegung und rechter Lega in Italien stellt sich mit ihren Plänen für eine deutlich höhere Neuverschuldung offen gegen gemeinsam vereinbarte EU-Regeln.

Einige dürften froh sein, dass Merkel geht

Eine Verteilung ankommender Migranten auf alle EU-Staaten konnte sie bis heute nicht durchsetzen - und sie wird sie auch nicht mehr durchbekommen. Der Schwerpunkt in der Migrationspolitik hat sich auf den Schutz der EU-Außengrenzen verschoben. Nicht mehr nur östliche EU-Staaten wie Ungarn und Polen fahren einen Konfrontationskurs gegen Merkel, sondern auch einstige Verbündete wie Österreich.

Einige Staatschefs dürften also froh sein, Merkel bald los zu sein. Europas Rechte jubiliert schon. Italiens rechtspopulistischer Innenminister Matteo Salvini äußerte sich hämisch über das schlechte Abschneiden der GroKo-Parteien in Hessen und Bayern. "Arrivederci Merkel", skandiert er bereits.

Andere dürften Merkels ruhige Hand in stürmischen Zeiten vermissen. Der konservative EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker ließ wissen, dass Merkel einer seiner Haupt-Ansprechpartner bleibe. "Sie und Deutschland bleiben ein einflussreicher Akteur im europäischen Projekt - und darüber hinaus." Und EU-Kommissar Günther Oettinger (CDU) sagte: "In Brüssel wollen wir, dass die Kanzlerin ihre drei Jahre noch einbringt." Allerdings mischt Oettinger wohl auch hinter den Kulissen im CDU-internen Umbruchgerangel mit.

Vor allem für den französischen Präsidenten Emmanuel Macron könnte es nun mit einer geschwächten Merkel schwieriger werden. Merkel ist in Europa stets im Tandem mit ihren französischen Kollegen aufgetreten. Macron bewundert sie dafür, dass sie die Werte Europas nie vergessen habe. Aber Merkel hat sich bei Europas Reformprozess zuletzt nicht besonders mutig gezeigt. Sie zog stets nur nach, wenn Macron vorpreschte, mit Ideen für eine Stärkung der Eurozone und Europas insgesamt. Das dürfte sich jetzt nicht noch ändern.

USA und Russland habe Rechnungen mit der EU zu begleichen

Die US-Regierung unter Donald Trump dürfte genau beobachten, wie weit eine Schwächung Merkels auch eine Schwächung Europas bedeutet. Hier sind etliche Rechnungen offen: etwa Strafzölle und Handelsüberschüsse oder das Atomabkommen mit dem Iran, aus dem die USA ausgestiegen sind, während Russland, China, Großbritannien, Frankreich und Deutschland daran festhalten wollen. Zudem sind Trump die russischen Gaslieferungen nach Europa ein Dorn im Auge, will er doch teures amerikanische Gas dorthin verkaufen.

Auch Russland ist ganz offensichtlich an einer Schwächung der EU interessiert. Doch Putin weiß auch, dass er in Merkel - trotz aller Konflikte - innerhalb der westlichen Bündnisse eine verlässliche Gesprächspartnerin hat. Für die chinesische Führung ist Merkel ebenfalls ein wichtiger Ansprechpartner in der EU. Peking ist jedoch vor allem an westlicher Technologie interessiert, ob mit oder ohne Merkel.

Merkel wischt Bedenken weg. Sie habe ja nun mehr Zeit, sich auf die Aufgaben als Regierungschefin zu konzentrieren, meinte sie.

Im Video: SPD droht jetzt schon - Personalie Merz könnte die GroKo sprengen

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