Rechercher dans ce blog

Tuesday, April 30, 2019

15 Jahre danach - EU-Osterweiterung: Mogel-Fischstäbchen, Schlaglöcher und ein Rätsel in Budapest

15 Jahre danach: EU-Osterweiterung: Mogel-Fischstäbchen, Schlaglöcher und ein Rätsel in Budapest

    Vor 15 Jahren begann die Erweiterung der Europäischen Union nach Osten. Wem hat sie genutzt, wo hat sie geschadet? Was haben Fischstäbchen in Tschechien und ein Meter Autobahn in Rumänien damit zu tun? Und warum ist der Erste Weltkrieg nach 100 Jahren noch präsent? Hier die Bilanz mit den Antworten.

    Für eine Bilanz der EU-Ost-Erweiterung ist es klug, auf Stimmen aus Österreich zu hören. Denn große Teile des Territoriums, um das die EU sich 2004, 2007 und 2013 nach Osten und auf den Balkan schob, gehörten vor dem Ersten Weltkrieg zum Herrschaftsgebiet und Einflussbereich der Wiener Donau-Monarchie. Das hat man auch in Budapest nicht vergessen. Dazu später mehr.

    Zunächst der Blick von der Hofburg: Realistischerweise muss selbst der Generalsekretär der Österreichischen Gesellschaft für Europapolitik, Paul Schmidt, in einem Beitrag für die „Wiener Zeitung“ feststellen, es handle sich bei der Integration der neuen EU-Mitgliedsländer um einen „noch lange nicht abgeschlossenen Prozess“.

    "Beitrittskandidaten haben keinen einzigen wesentlichen Fortschritt verhindert"

    Der frühere österreichische Spitzendiplomat Stefan Lehne beobachtet in einer Analyse für den Think Tank Carnegie Europe über die Ost-Erweiterung: „Was einst für eine historische Errungenschaft gehalten wurde, wird jetzt kritischer betrachtet. Viele in West-Europa glauben mittlerweile, die EU sei zu weit und zu schnell vergrößert worden.

    Lehne teilt diese Meinung nicht. Auch der damalige Architekt des EU-Vorstoßes nach Osten, der deutsche Sozialdemokrat Günter Verheugen, geht scharf mit ihr ins Gericht. „Die Beitrittsstaaten haben keinen einzigen wesentlichen Fortschritt der EU verhindert“, sagte der frühere EU-Erweiterungskommissar FOCUS Online.

    „Es waren die Niederlande und Frankreich, die eine europäische Verfassung ablehnten, nicht die neuen EU-Mitglieder. Auch die Euro- und Finanzkrise war nicht deren Schuld, vielmehr sind sie im Gegenteil ihr Opfer geworden.“

    Östliche Profiteure "fühlen sich als Mitglieder zweiter Klasse"

    Ein Effekt der Ost-Erweiterung ist unumstritten: Die Beitrittsländer haben wirtschaftlich von ihr profitiert. Bereits in den ersten fünf Jahren nach der ersten Erweiterungsrunde 2004 waren ihre Wachstumsraten doppelt so hoch wie die der alten EU-Mitglieder. Allerdings kamen sie von niedrigem Niveau und hatten großen Aufholbedarf.

    Der immer noch existierende Abstand zum Westen verkleinert sich rapide, wie eine Bestandsaufnahme der EU-Kommission ergab. Verheugen warnt dennoch: „Es gibt nach wie vor große materielle und immaterielle Unterschiede zwischen den älteren und jüngeren Mitgliedern der Union. Letztere fühlen sich immer noch als Mitglieder zweiter Klasse zu wenig wertgeschätzt.“

    Treffendes Beispiel dafür ist der zähe Kampf der mittelosteuropäischen Staaten um gleichwertige Markenprodukte für ihre Konsumenten. In zahlreichen Studien hatte sich herausgestellt, dass zum Beispiel Fischstäbchen einer bestimmten, wohlbekannten Marke in tschechischen Supermärkten weniger Fisch enthalten als in deutschen. Die Osteuropäer sehen darin keine Anpassung an lokale Geschmacksvorlieben, sondern schlicht Diskriminierung.

    Das Problem beschäftigt die EU schon seit Jahren, mit Etappensiegen für den Osten. Hersteller sollen jetzt mindestens besser über Unterschiede informieren.

    Ein neuer Ost-Block?

    Das fischige Thema vereinte die Osteuropäer, die Kritiker der Erweiterung immer öfter als sperrigen Block innerhalb der alten EU-Wertegemeinschaft wahrnehmen.

    Viele bulgarische, tschechische, slowakische, slowenische, polnische, kroatische und natürlich ungarische Europa-Abgeordnete sperren sich dagegen, Ungarn wegen seiner Abweichungen von rechtsstaatlichen EU-Vorgaben härter anzufassen. Auch Polen steht unter kritischer Beobachtung.

    Doch der österreichische Balkan- und Mitteleuropa-Experte Lehne gibt zu bedenken: „Abgesehen von ihrer gemeinsamen Geschichte als Teil des sowjetischen Imperiums und ihren relativ geringen Prokopf-Einkommen haben die mittelosteuropäischen Länder wenig gemein.“

    An Russland scheiden sich die Geister

    Das macht sich unter anderem an der Haltung gegenüber Russland fest. Die Politik von Präsident Wladimir Putin empfinden Polen und Balten stärker als Bedrohung denn Slowaken oder Ungarn.

    Bulgarien und Rumänien befinden sich nicht nur geografisch am Rande der EU, sondern auch bei der Korruptions- und Kriminalitätsbekämpfung.

    Tschechien, Ungarn, Polen und die Slowakei haben sich im Verband der Visegrad-Staaten zusammengefunden, der vor allem in der Einwanderungspolitik mehr oder weniger mit einer Stimme spricht. Andererseits sind diese Staaten daran interessiert, die Freizügigkeit innerhalb der EU zumindest für ihre eigenen Bürger auf der Suche nach besserbezahlten Jobs im europäischen Ausland nicht eingeschränkt zu sehen.

    Polen bremst die Klimapolitik der EU im Interesse der heimischen Kohlewirtschaft.

    „Ein gewisser Mangel an demokratischer Kultur“

    So ist das Bild vielfältig, Probleme in einzelnen Beitrittsstaaten jedoch deutlich benennbar. Auch Verheugen muss zugeben: „Es war bekannt, dass in Rumänien und einigen anderen Ländern noch ein gewisser Mangel an demokratischer Kultur herrschte. Es war trotzdem richtig, sie in die EU zu holen. Das war die einzige Möglichkeit, ihre Entwicklung positiv zu beeinflussen.“

    Im erwähnten Rumänien gelang das nur bedingt. Wie viele – nicht nur osteuropäische – Länder profitiert es von EU-Förderung. Doch allzu viel davon versickert. Auch das geschieht überall in der EU ebenso. Die Regierung in Bukarest fällt derzeit jedoch besonders unangenehm auf, auch weil sie gerade den Ratsvorsitz der EU innehat.

    Die Kritik kommt nicht nur aus Brüssel, sondern vom eigenen Staatspräsidenten. Klaus Johannis, Angehöriger der deutschsprachigen Minderheit der Siebenbürger Sachsen, verknüpft die Europawahl Ende Mai mit einem Referendum über rechtsstaatliche Mankos und Defizite bei der Korruptionsbekämpfung.

    Unternehmer ließ einen Meter Autobahn auf eigene Kosten bauen

    Die rumänische Regierung ist geführt von eigenwilligen Sozialdemokraten, die sich nur schwer von alter Günstlingswirtschaft trennen können. Die staatliche Korruptionsbekämpferin Laura Codruta Kövesi wurde geschasst, ihr Aufstieg zur Europäischen Generalstaatsanwältin soll verhindert werden. Nach Lesart der Regierung macht Johannis, früher Bürgermeister der alten siebenbürgisch-sächsischen Metropole Hermannstadt (Sibiu), nur Stimmung für seine eigene Wiederwahl später in diesem Jahr.

    Die europäischen Staats- und Regierungschefs könnten sich nächste Woche bei ihrem Sibiu-Gipfel davon überzeugen, wie groß der Unterschied zwischen dem teils herausgeputzten Hermannstadt und der ländlichen Umgebung ist. Wenn sie mehr sehen würden als nur Flughafen, Vorzeige-Innenstadt und Sitzungssäle.

    Über die Jahre hat Brüssel hohe Summen für den Ausbau der Verkehrsinfrastruktur nach Bukarest überwiesen. Dennoch kämpft der Gastronomie-Unternehmer Stefan Mandachi im entwicklungsbedürftigen Nordosten des Landes einen einsamen Kampf für mehr Autobahnen. Kürzlich ließ er aus Protest auf eigene Kosten einen Meter davon bauen. Für 4500 Euro.

    Das offizielle Preisticket der Bukarester Regierung für spärliche vergleichbare Leistungen fällt wesentlich höher aus. Rumänien ist mit nicht einmal 800 Autobahnkilometern Schlusslicht in der EU, Reisen mit dem Auto teilweise abenteuerlich.

    Verheugen kann sich nicht erklären, wie Ungarn so abdriften konnte

    Erweiterungs-Mastermind Verheugen mag Recht damit haben, dass solche Entwicklungen Kollateralschäden einer politisch notwendigen Wiedervereinigung Europas mit seinen alten Kulturräumen sind, die jahrzehntelang hinter dem Eisernen Vorhang schmachteten. Doch auch er stößt bei manchen Entwicklungen an Verständnisgrenzen. „Ein für mich unerklärlicher Fall ist Ungarn. Ich habe Orban schon im Juni 1989 als mutigen Studentenführer und klugen Mann kennen gelernt. Ich kann mir nicht erklären, was mit ihm passiert ist.“

    Der ungarische Ministerpräsident Victor Orban hat einen bemerkenswerten Wandel in der Außenwahrnehmung seines Landes bewerkstelligt, vor allem in Deutschland. Im Wendesommer 1989 überfluteten Trabi-Pilgerwellen Ungarn, das die Grenzzäune öffnete. Budapest galt hierzulande als freiheitsgesinnter Hoffnungsort, vergesellt von der katholisch und gewerkschaftlich inspirierten antikommunistischen Beharrlichkeit in Warschau und einem Botschaftsbalkon in Prag, von dem DDR-Bürger die Nachricht über ihre freigegebene Ausreise empfangen durften.

    Und heute? National-konservative Kräfte in Ungarn, Polen und Tschechien scheinen sich immer weiter von demokratischen Tugenden zu entfernen. Die Europäische Kommission äußert sich besorgt über staatlich gelenkte Konzentrationstendenzen in der ungarischen Presse, die den böswilligen Begriff „Gleichschaltung“ mindestens nahelegen.

    In Polen reicht der Säuberungswille bis ins Nationalmuseum, aus dem „anstößige“ Werke entfernt werden sollten. Nach der Dissidenten-Ikone Vaclav Havel fiel Tschechien mit einem anderen Präsidenten namens Vaclav auf, Vaclav Klaus, der sich nach EU-kritischer Amtszeit für ein persönliches Grußwort an den AfD-Parteitag 2016 in Stuttgart nicht zu schade war. Zwischen diesem Auftritt und dem des damaligen deutschen Außenministers Hans-Dietrich Genscher auf dem Balkon der deutschen Botschaft in Prag lagen knapp 27 Jahre.

    Spätwirkungen des sowjetischen und Osmanischen Reichs

    Wie also weiter? Voreilige Verurteilungen der Entwicklungen in Mittelosteuropa sind geschichtsvergessen. Mit gewisser Berechtigung appellieren Vaterlands-Apostel dort ans Nationalgefühl. Jahrzehnte sowjetischer Vorherrschaft und Jahrhunderte anderer Hegemonie haben schmerzhafte Spuren hinterlassen. Man will neugewonnene nationale Eigenständigkeit nur sehr bedingt Brüssel unterordnen.

    Die Ungarn fühlen sich noch heute als die großen Verlierer des Ersten Weltkriegs. Er schwächte Bindungen, die mit substanziellen ungarischen Minderheiten rund um das heutige Staatsgebiet bestehen und in ein frühmittelalterliches Großreich zurückreichen, das sich als Bollwerk des Christentums verstand.

    Um es wiederum mit einem Österreicher zu sagen, der auch aus der kaiserlich und königlichen (k. u. k., für Kaiserreich Österreich und Königreich Ungarn) Vergangenheit schöpft: „Mittel- und Osteuropa waren einst der ethnisch vielgestaltigste Teil des Kontinents“, hält Lehne fest. „Aber als Folge von Massenmord, Vertreibungen und Grenzverschiebungen während des Zweiten Weltkriegs sind sie nun ethnisch geschlossener als die meisten anderen Regionen Europas.“

    Er fügt hinzu: „Zumeist resultieren die Probleme aus Schwächen der Regierungsführung, die in manchen Fällen Jahrhunderte zurückreichen, wie in vielen Teilen des hochgradig dezentralisierten Osmanischen Imperiums.“ Zu dem gehörte übrigens auch Griechenland.

    Mehr zur Europawahl
    Das kurioseste Parlament der Welt10 Dinge, die in Europas "Hauptstadt" Brüssel ganz anders laufen als in Berlin
    Was haben wir von Europa?Geld, Fußball, TV-Werbung: 7 Vorteile bringt die EU jedem von uns im Alltag
    "Diesmal geht es wirklich um etwas"Warum die Europa-Wahl die wichtigste des Jahres wird
    Angst vor WahlmanipulationSo absurd wird die EU in der russischen Propaganda dargestellt
     

    Im Video: Als es um Europawahl geht, redet sich Lanz in Rage – und nervt seine Gäste

    Lesen Sie auch

    Let's block ads! (Why?)

    Neue Zeitrechnung beginnt - Japans Kaiser Naruhito läutet neue Ära ein

    Neue Zeitrechnung beginnt: Japans Kaiser Naruhito läutet neue Ära ein

    Japan hat einen neuen Kaiser. Er werde immer an der Seite seines Volkes stehen, sagte der 59 Jahre alte Naruhito zu seinem Amtsantritt. Damit beginnt für Japan eine neue Zeitrechnung.

    Japans neuer Kaiser Naruhito hat den Chrysanthemen- Thron bestiegen und damit eine neue Ära für sein Land eingeläutet. Er werde im Einklang mit der Verfassung seine Verantwortung als Symbol des Staates und der Einheit des Volkes erfüllen, sagte der 59-Jährige am Mittwoch in seiner ersten Botschaft als neuer Monarch. Er werde immer an der Seite seines Volkes stehen. "Ich bete aufrichtig für das Glück der Menschen und die weitere Entwicklung der Nation wie auch des Friedens der Welt", sagte Naruhito bei einer kurzen feierlichen Zeremonie im Palast an der Seite seiner Gemahlin, Kaiserin Masako.

    Der 59-Jährige trat die Nachfolge seines Vaters Akihito an, der nach 30-jähriger Regentschaft um Mitternacht (Ortszeit) formal abgedankt hatte. Er und seine Gemahlin Michiko wünschten sich, dass die neue Ära "Reiwa" (schöne Harmonie) unter ihrem Sohn Naruhito "stabil und fruchtbar" werde, sagte Akihito in seiner letzten Botschaft. Er war der erste Kaiser der ältesten Erbmonarchie der Welt seit rund 200 Jahren, der zu Lebzeiten den Thron für seinen Nachfolger freimachte.

    Zu politischen Fragen darf sich der Kaiser nicht äußern

    Nun ist Naruhito das Symbol des Staates. Auf diese Rolle ist ein japanischer Monarch laut der pazifistischen Nachkriegsverfassung beschränkt. Zu politischen Fragen darf sich der Kaiser nicht äußern.

    Bei einer ersten Einführungszeremonie für Kaiser Naruhito wurden dem neuen Monarchen von Beamten des Haushofamtes zwei der Throninsignien überreicht: ein Schwert sowie Krummjuwelen, die das Kaiserhaus von der Sonnengöttin Amaterasu Omikami erhalten hat. Den Mythen nach sind die japanischen Kaiser unmittelbare Nachfahren von Amaterasu Omikami.

    Parallel dazu teilte ein sogenannter Hauptritualist im Namen des Kaisers dem Spiegel - der dritten Throninsignie als Vertretung der Gottheit - mit, dass der Kaiser die Insignien entgegennimmt. Anschließend hielt Naruhito bei einer weiteren Zeremonie seine erste Ansprache vor Vertretern des Staates und seiner Kaiserfamilie halten.

    Strikte Trennung von Staat und Religion

    Beide Zeremonien dauerten jeweils lediglich rund zehn Minuten. Japans Nachkriegsverfassung schreibt - nach amerikanischem Vorbild - eine strikte Trennung von Staat und Religion vor. Kritiker beklagen denn auch, dass die meisten Zeremonien zum Kaiserwechsel trotz ihres religiösen Inhalts von der Regierung als staatlich eingestuft werden.

    Als erster ausländischer Staatsgast wird US-Präsident Donald Trump Ende dieses Monats den neuen Kaiser treffen. Die USA mit ihrem atomaren Schutzschild sind Japans wichtigster Sicherheitspartner.

    Frischer Wind

    Die eigentliche Thronbesteigungszeremonie "Sokuirei Seiden no gi" findet am 22. Oktober statt, zu der auch zahlreiche Würdenträger aus dem In- und Ausland geladen werden. Anschließend werden der neue Kaiser und seine Gemahlin, Kaiserin Masako, bei einer feierlichen Parade in einer offenen Limousine durch Tokio fahren. Es folgen zudem Banketts mit mehr als 2000 geladenen Gästen. Eine dritte Zeremonie, das sogenannte Daijosai, folgt dann am 14. und 15. November. Danach ist Naruhito dann endgültig in die Reihe der Kaiser aufgenommen.

    Naruhito will sich seinen Vater, der mit vielen alten Traditionen am Hofe brach und dem Volk so nah war wie kein anderer Kaiser vor ihm, zum Vorbild nehmen. Zugleich dürfte er für frischen Wind sorgen. Seine Regentschaft dürfte nach Meinung von Palastbeobachtern anders als die seines Vaters nicht mehr so stark unter dem Eindruck des Zweiten Weltkrieges stehen, von dem Akihito geprägt war. Während seiner 30-jährigen Ära war Akihito ein überzeugter Verfechter der pazifistischen Nachkriegsverfassung und galt als Gewissen der Nation.

    Im Video: Merkel verteidigt Flüchtlingspolitik - und gesteht Fehler bei Ost-West-Anpassung

    Lesen Sie auch

    Let's block ads! (Why?)

    Erbitterter Machtkampf - Venezuela steht nach gescheiterter Rebellion weiterer heftiger Tag bevor

    Erbitterter Machtkampf: Venezuela steht nach gescheiterter Rebellion weiterer heftiger Tag bevor

    Venezuela steht nach der gescheiterten Rebellion von Soldaten gegen Staatschef Nicolás Maduro ein weiterer Tag der Unruhe bevor. Der selbsternannte Übergangspräsident Juan Guaidó rief die Streitkräfte auf, bei der "Operation Freiheit" für Maduros Absetzung am Mittwoch "voranzuschreiten".

    Auch rief der Oppositionsführer seine Anhänger zu erneuten landesweiten Protesten auf. Maduro verkündete derweil einen Sieg über die aufständischen Soldaten, die sich an Guaidós Seite gestellt hatten.

    Der Linksnationalist sprach am Dienstagabend von einer "Niederlage der kleinen Gruppe", die in einem "Putsch-Scharmützel" Gewalt über Venezuela habe bringen wollen. Maduro kündigte zugleich strafrechtliche Konsequenzen wegen Rebellion an.

    Maduros Regierung prangerte "Putschversuch" an

    Guaidó hatte am Dienstag erklärt, er habe Teile der Armee auf seiner Seite. "Heute sind mutige Soldaten, mutige Patrioten, mutige Männer, die die Verfassung unterstützen, unserem Aufruf gefolgt", sagte Guaidó in einem Online-Video, das ihn mit uniformierten Männern vor der Militärbasis La Carlota in Caracas zeigt. Maduros Regierung prangerte einen "Putschversuch" an.

    Im Anschluss kam es in Caracas zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften. Dabei wurden mindestens 69 Menschen verletzt, einige von ihnen durch Schüsse. Im nördlichen Bundesstaat Aragua wurde nach Angaben einer Menschenrechtsorganisation ein Demonstrant getötet.

    Die Lage war den gesamten Tag über unübersichtlich. Unklar war, wieviele Soldaten sich tatsächlich an die Seite Guaidós gestellt hatten. 25 Soldaten baten in der brasilianischen Botschaft in Caracas um Asyl.

    Maduro und Guaidó liefern sich seit Monaten erbitterten Machtkampf

    Guaidó musste am Abend in einem Online-Video einräumen, dass er nicht die Mehrheit der Streitkräfte hinter sich bringen konnte. Er betonte aber, der Dienstag habe Risse in der Armee gezeigt. "Wir haben gezeigt, dass Soldaten bereit sind, die Verfassung zu verteidigen."

    Der prominente Oppositionspolitiker Leopoldo López wurde am Dienstag nach eigenen Angaben von Soldaten aus dem Hausarrest befreit und stellte sich an Guaidós Seite. Er floh dann zunächst in die chilenische Botschaft und später in die spanische Botschaft.

    Maduro und Guaidó liefern sich schon seit Monaten einen erbitterten Machtkampf in dem südamerikanischen Krisenstaat. Der Oppositionsführer wird inzwischen von mehr als 50 Staaten als Übergangspräsident anerkannt, unter anderem von der US-Regierung, die zu den schärfsten Maduro-Kritikern gehört.

    Wollte Maduro nach Kuba fliehen?

    US-Außenminister Mike Pompeo sagte im Nachrichtensender CNN, Maduro habe sich schon am Dienstagmorgen aus Venezuela absetzen und nach Kuba fliegen wollen. "Er hatte ein Flugzeug auf dem Flugfeld, er war bereit, heute Morgen abzureisen." Dann hätten "die Russen" Maduro aber aufgefordert, im Land zu bleiben. Maduro wies diese Angaben als "unseriös, unsinnig, verrückt, verlogen" zurück.

    US-Präsident Donald Trump rief Kuba derweil auf, die Unterstützung für den venezolanischen Präsidenten einzustellen. Andernfalls würden ein umfassendes Embargo und weitere Sanktionen gegen Kuba verhängt, schrieb Trump im Kurzbotschaftendienst Twitter.

    Im Video: Merkel verteidigt Flüchtlingspolitik - und gesteht Fehler bei Ost-West-Anpassung

    Lesen Sie auch

    Let's block ads! (Why?)

    Scharfe Kritik - Äußerungen zum Glauben: Strobl wirft Habeck "peinliche Arroganz" vor

    Scharfe Kritik: Äußerungen zum Glauben: Strobl wirft Habeck "peinliche Arroganz" vor

    CDU-Vize Thomas Strobl hat Äußerungen des Grünen-Bundesvorsitzenden Robert Habeck zu Gott und Religion scharf kritisiert.

    Habeck hatte am Wochenende in einem Interview mit der "Bild am Sonntag" erklärt, dass er nicht gläubig ist und nicht in einer Kirche sei, auch wenn für ihn die Mitleidsethik des Christentums wichtig sei: "Um zu glauben, im eigentlichen Sinn, habe ich wohl zu viele Philosophen gelesen."

    Strobl erwiderte im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur: "Im Klartext bedeutet das: Menschen, die an Gott glauben, sind halt ein bisschen unbelesen. Ja, was ist denn das für eine unglaubliche, peinliche Arroganz?" Mit so viel Arroganz und so wenig Substanz könne man sich in Deutschland nicht dauerhaft Respekt und Anerkennung erarbeiten. Er glaube nicht, dass der Personenkult um Habeck anhalte. "Die Grünen hatten immer mal wieder Höhenflüge, und oft genug gab es dann trotzdem keine Wahlerfolge. Insofern kann das momentan im Bund auch ein modischer Hype sein." Moden änderten sich jedoch.

    Im Video: Merkel verteidigt Flüchtlingspolitik - und gesteht Fehler bei Ost-West-Anpassung

    Lesen Sie auch

    Let's block ads! (Why?)

    - Terrorismus und kein Ende: Merkel reist in den Sahel auf der Suche nach Stabilität

    Terrorismus und kein Ende: Merkel reist in den Sahel auf der Suche nach Stabilität
    Bundeskanzlerin Angela Merkel reist nach Afrika, um den Sahel-Ländern im Kampf gegen den Terrorismus den Rücken zu stärken. Als Teil der UN-Mission MINUSMA hat auch Deutschland Soldaten in Mali.

    Bundeskanzlerin Angela Merkel will auf ihrer knapp dreitägigen Reise nach Burkina Faso, Mali und Niger in erster Linie Deutschlands "intensives Interesse" daran zeigen, dass sich die G5-Sahel-Staaten stabilisieren. Das betonte Regierungssprecher Steffen Seibert am Dienstag, dem Vortag der Abreise. Wie wichtig die Stabilität der Region für Europa ist, lässt sich leicht daran ablesen, dass die Europäische Union für den Zeitraum 2017 bis 2021 rund eine Milliarde Euro an Entwicklungshilfe zugesagt hat. Hinzu kommt das militärische Engagement der EU im Einsatz gegen Terroristen. Zu den G5-Staaten gehören neben Burkina Faso, Mali und Niger - den Ländern auf Merkels Programm - auch Mauretanien und Tschad.

    Gleich zu Beginn ihrer Reise wird die Bundeskanzlerin in Ouagadougou, der Hauptstadt von Burkina Faso, die Staatschefs aller G5-Länder zum gemeinsamen Gespräch treffen. Die G5 kämpfen unter ständigem Druck von Terror und Gewalt zumeist darum, so etwas wie staatliche Kontrolle über ihre Territorien zu erlangen. Ein Anschlag auf eine evangelische Kirche in Norden von Burkina Faso mit sechs Toten nur drei Tage vor Merkels Ankunft ist nur der letzte in einer Serie von Angriffen, zumeist durch islamistische Terroristen. Seit zwei Jahren versuchen die G5 den Dschihadisten mit einer gemeinsamen Einsatztruppe etwas entgegenzusetzen. Bereits 2015 beschlossen sie die sogenannte "Force Conjointe" mit 5000 Soldaten aufzustellen um vor allem die Grenzregionen besser kontrollieren zu können. Doch der Aufbau der Truppe kommt nur schleppend voran, trotz umfangreicher internationaler Unterstützung von rund 400 Millionen Euro, davon 100 Millionen Euro aus Europa.

    Waffenlieferungen wird es nicht geben

    Es wird erwartet, dass die Bundeskanzlerin auf die Frage nach weiteren Möglichkeiten der Unterstützung erneut den Wunsch nach Waffenlieferungen hören wird. Doch diese sind von deutscher Seite nicht geplant, stattdessen plane man in Kürze die Lieferung "umfangreichen Materials" wie Lastwagen und anderen Ausrüstungsgegenständen heißt es aus dem Kanzleramt. Beim Besuch von Burkina Fasos Präsident Roch Marc Kaboré im Februar in Berlin hatten beide Länder eine stärkere Kooperation im Kampf gegen den Terrorismus vereinbart. Merkel sagte auch einen Ausbau der Beratertätigkeit für Burkina Fasos Sicherheitskräfte zu.

    Als einziges der drei Länder ist Burkina Faso auch Teil der G20 "Compact with Africa" Initiative und hat sich im Zuge dessen zu Reformen verpflichtet um investitionsfreundliche Rahmenbedingungen zu schaffen. Die Bundeskanzlerin reist ohne Wirtschaftsdelegation, dennoch wünscht sich der Hauptgeschäftsführer des Afrika-Vereins der deutschen Wirtschaft Christoph Kannengießer für deutsche Unternehmen "auf diesem letzten Wachstumskontinent dieser Erde früh mit dabei zu sein" und hofft auf "politische Flankierung" um "das klischeehaft negative Bild von Afrika zu korrigieren." Doch die Sicherheitslage setzt dem öffentlichen Leben überall Grenzen.

    Die Gewalt nimmt zu

    Seit dem ersten schweren Terroranschlag in Ouagadougou mit 30 Toten im Jahr 2016 verzeichnet Burkina Faso jede Woche neue Angriffe. Waren es im Jahr 2015 noch insgesamt vier terroristische Anschläge, so waren es im Jahr 2018 schon 160. Das Land spürt die Auswirkungen der Eskalation der Gewalt im benachbarten Mali. Dort trat letzte Woche die Regierung von Ministerpräsident Soumeylou Boubèye Maïga nach Protesten gegen die sich verschlechternde Sicherheitsslage in Nord- und Zentralmali zurück. Sein Nachfolger, Ex-Finanzminister Boubou Cissé, muss nun beweisen, dass er den Islamistischen und anderen bewaffneten Gruppen etwas entgegensetzen kann.

    Besuch bei den deutschen Truppen in Mali

    Erst Anfang April hat das Bundeskabinett einer Verlängerung der militärischen Beteiligung Deutschlands an der UN-Stabilisierungsmission MINUSMA und der EU Ausbildungsmission EUTM zugestimmt. Derzeit sind 850 deutsche Soldaten in Mali stationiert, bis zu 1200 können es laut Bundestagsmandat werden. Die deutsche Beteiligung zeugt von der großen Bedeutung die Deutschland der Stabilität dieser Region beimisst. Frankreich hat parallel 1000 Soldaten als Teil seiner eigenen Militärmission "Barkhane" dort stationiert, um Terrorgruppen zu bekämpfen.

    Nur knapp zwei Stunden wird die deutsche Regierungschefin auf dem deutschen Stützpunkt Castor in Mali verbringen. Nach ihrer kurzen Visite in Goa reist sie weiter nach Niger. In der Hauptstadt Niamey wird die Kanzlerin mit Präsident Mahamadou Issoufou zusammentreffen. Merkel dürfte ihn hierbei nach den Auswirkungen der neuen Gefechte im angrenzenden Libyen auf die Sicherheitslage in Niger fragen. Auch Niger leidet unter Terrormilizen aus Mali. Gleichzeitig kämpft die Regierung mit Boko Haram Milizen aus Nigeria und einer Gruppierung, die sich zum "Islamischen Staat" bekennt. Am Freitag besucht die Kanzlerin zuerst die zivile EU-Mission Eucap. Anschließend spricht Merkel mit Vertretern der Zivilgesellschaft über die Entwicklung des Landes.

    Die Bevölkerung wächst

    Neben der Sicherheit hat Niger auch gesellschaftlich große Herausforderungen. Mit durchschnittlich 7,2 Kindern pro Frau hat Niger die höchste Geburtenrate der Welt. Bis 2050 könnte sich die Bevölkerung von heute rund 22 Millionen auf 63 Millionen Menschen nahezu verdreifachen. Angesichts dieser Statistiken sieht die Bundesregierung in der Bildung von Mädchen eine Priorität in der Entwicklungszusammenarbeit.

    Autor: Michaela Küfner

    *Der Beitrag "Terrorismus und kein Ende: Merkel reist in den Sahel auf der Suche nach Stabilität" stammt von Deutsche Welle. Es gibt keine redaktionelle Prüfung durch FOCUS Online. Kontakt zum Verantwortlichen hier.

    Deutsche Welle
    Lesen Sie auch

    Let's block ads! (Why?)

    - Herantasten an einen schwierigen Partner

    Herantasten an einen schwierigen Partner
    Außenminister Heiko Maas hat Glück, dass das Thema Venezuela die Differenzen zwischen Deutschland und Brasilien überlagert. Offen bleibt die Frage, wie man zukünftig mit der rechtspopulistischen Regierung umgehen will.

    Die Pressekonferenz von Außeminister Heiko Maas mit seinem brasilianischen Kollegen Ernesto Araújo geriet am Dienstagvormittag zu einer einseitigen Sache. Kaum Fragen zu den deutsch-brasilianischen Beziehungen, dafür konnte man die gemeinsame Position zu den Unruhen im Nachbarland Venezuela präsentieren. Deutschland wie Brasilien erkennen den selbsterklärten Interimspräsidenten Juan Guaidó an. Es ist derzeit eines der wenigen Politfelder, auf denen man einer Meinung ist.

    "Das Thema der bilateralen Beziehungen geriet in den Hintergrund", so der deutsch-brasilianische Politikwissenschaftler Oliver Stuenkel gegenüber der DW. "Aber das war gar nicht so schlecht, denn das Verhältnis zwischen Deutschland und Brasilien ist gerade nicht einfach. Aber bei Venezuela stimmen die beiden überein, und so konnte man nach außen Einigkeit projektieren", so Stuenkel. "Da war Maas wohl ganz froh drüber."

    Die Klima-Frage

    Was am Dienstag bei dem Treffen mit Araújo und dem neuen, rechtspopulistischen Präsidenten Jair Messias Bolsonaro dann tatsächlich beredet wurde, ist nicht bekannt. Deutschland braucht Brasilien besonders in Sachen Klimaschutz dringend. Denn ohne den südamerikanischen Riesen wird ein globales Abkommen nicht erfolgreich sein können.

    Allerdings will Bolsonaro den Amazonaswald eher abholzen und wirtschaftlich ausbeuten als schützen. Araújo hält den Klimawandel sowieso für eine marxistische Lüge, propagiert von multilateralen Gremien wie den Vereinten Nationen. Vergessen sind die Zeiten, in denen beide Länder gemeinsam global den Klimaschutz vorantrieben. "Es ist eine traditionelle Partnerschaft, in der ein Partner gerade durch eine radikale Veränderung geht", so Stuenkel. Jetzt müsse man abtasten, wie man miteinander auskommt.

    Ein schwieriges Unterfangen

    Bolsonaro steht offen gegen die von Maas auf seiner Lateinamerika-Tour vertretenen Werte "Menschenrechte und Multilateralismus". Unter dem Slogan besucht Maas im Anschluss auch noch Kolumbien und Mexiko, wo er Partner sucht als Gegengewicht zu den sich isolierenden USA und den autoritären Regierungen wie in China und Russland. Die Initiative soll Ende Mai in Berlin in ein Außenministertreffen münden.

    Maas setzte in Brasilien auch ein auffallendes Ausrufezeichen gegenüber dem erklärten Donald-Trump-Fan Bolsonaro. So traf er sich am Montag in der Küstenstadt Salvador erst einmal mit dem Gouverneur des Teilstaates Bahia, Rui Costa. Dieser gehört der von Bolsonaro verhassten Oppositionspartei PT an. Zudem gab Maas dort den Startschuss für ein Netzwerk für Frauenrechte. Es klang fast wie eine symbolische Ohrfeige für Bolsonaro, der sich in der Vergangenheit oft herablassend über Frauen und Minderheiten ausgelassen hatte.

    "Das hat schon seinen Sinn", glaubt Stuenkel. "Man kann Bolsonaro nicht ganz ohne symbolische Kritik entgegentreten. Und Deutschland ist sehr einflussreich in Brasilien und kann nicht einfach business as usual machen. Die Symbolik ist also wichtig." Die Bundesregierung müsse zeigen, dass sie zu der brasilianischen Zivilgesellschaft stehe, auch wenn deren Rechte gerade von Bolsonaro eingeschränkt würden.

    Hoffnung auf harte Worte

    Doch die symbolische Diplomatie in homöopathischen Dosen fand nicht nur Zuspruch. Harte Worte hätte man sich von Heiko Maas erhofft, so Ulrich Delius, Direktor der Gesellschaft für bedrohte Völker, gegenüber der DW. "Man reist zu Bolsonaro um ihn für den Multilateralismus zu gewinnen. Das ist als ob man Putin fragt, ob er sich einem Netzwerk für Rechtsstaatlichkeit anschließt. Was denkt sich die deutsche Außenpolitik, wie weit glaubt sie damit in Brasilien zu kommen?"

    Bolsonaro sei der falsche Mann für solche Initiativen, denn er verenge zusehends die Spielräume für die brasilianische Zivilgesellschaft. "Es gibt ja eigentlich eine knallharte Agenda, die angesprochen werden müsste, nämlich dass rechtsstaatliche Standards von dieser Regierung immer weiter runtergefahren werden. Mit einer Agenda über Frauenrechte ist man da vollkommen falsch aufgehoben."

    Die Rolle deutscher Unternehmen

    Delius fordert auch von deutschen Unternehmen in Brasilien mehr Engagement. Mit rund 1000 deutschen Firmen ist die Metropole São Paulo der größte deutsche Wirtschaftsstandort weltweit. "Wir warten auf klare Kommentare. Die Unternehmen müssen zu unseren europäischen Werten stehen, und zwar nicht nur daheim, sondern auch im Ausland." Deutschland habe zudem in den letzten Jahren Steuergelder in den Schutz des Amazonaswaldes gesteckt. "Da wäre es schon wichtig, dass Deutschland sich jetzt klar meldet."

    Oliver Stuenkel glaubt jedoch, dass Symbolik derzeit besser ankommt als offen zur Schau getragene Kritik. "Der Besuch war ein guter Kompromiss. Jetzt muss man entscheiden, ob es auf einer höheren Ebene zu einem Staatsbesuch kommen soll." Letztlich müsse die Kanzlerin halt mit jedem auskommen. "Innerhalb dessen, was möglich ist, war der Besuch also insgesamt erfolgreich."

    Autor: Thomas Milz

    *Der Beitrag "Herantasten an einen schwierigen Partner" stammt von Deutsche Welle. Es gibt keine redaktionelle Prüfung durch FOCUS Online. Kontakt zum Verantwortlichen hier.

    Deutsche Welle
    Lesen Sie auch

    Let's block ads! (Why?)

    - Ende des äthiopisch-eritreischen Frühlings

    Ende des äthiopisch-eritreischen Frühlings
    Im Sommer 2018 schlossen Äthiopien und Eritrea einen historischen Friedensvertrag und öffneten die Grenzen zwischen beiden Staaten. Kaum ein Jahr später neigt diese Ära sich schon wieder dem Ende zu.

    Die Euphorie war groß: Der historische äthiopisch-eritreische Frieden sorgte für Aufbruch und versprach mehr Freiheit und Wohlstand für alle. Tauwetter zwischen den beiden lange verfeindeten Bruderstaaten Äthiopien und Eritrea! Der Premier Äthiopiens, Abiy Ahmed, und der Präsident Eritreas, Isayas Afwerki, feierten im Juli 2018 die Wiedereröffnung der Botschaft von Eritrea in Addis Abeba. Ende der neunziger Jahre noch hatten Äthiopien und Eritrea einen blutigen Grenzkrieg gegeneinander geführt. Nun sollte eine neue Ära anbrechen - mit blühendem Handel, vielen Begegnungen und einem offenem Grenzverkehr.

    Bereits fünf Monate später, im Dezember 2018, begann Eritrea damit, die ersten Grenzübergänge zu Äthiopien wieder zu schließen - zumeist ohne Angabe von Gründen. Im März 2019 und zuletzt im April 2019 wurde die Abriegelung der Grenze immer lückenloser.

    Asmara: Kein Kommentar

    Was steckt dahinter? Die DW wollte eine Stellungnahme des Informationsministers und Regierungssprecher Eritreas einholen. Doch Yemane Gebremeskel war nicht erreichbar. Das Regime in Asmara gibt sich zugeknöpft: Offizielle Statements zu Grenzschließungen werden im Allgemeinen nicht abgegeben. Die letzte offizielle Erklärung gab es am 6. April 2019. Auf der Webseite des Informationsministeriums heißt es, die Schließung sei aufgrund von "rechtlichen Vereinbarungen" beschlossen worden. Dazu folgender Kommentar: "Als unsere beiden Länder sich einverstanden erklärten, die Grenzen zu öffnen, wurde uns von den Kritikern vorgeworfen, wir würden Menschen ermutigen, das Land zu verlassen. Jetzt, da der unkontrollierte Grenzübergang in einigen Gebieten aufgrund gesetzlicher Regelungen teilweise wieder eingeschränkt wird, heulen genau dieselben Kritiker wieder auf", heißt es in der am 6. April 2019 abgegebenen offiziellen Erklärung - ein offener Angriff auf all diejenigen, die Kritik an Asmaras Politik der Grenzschließung üben.

    Auch die Regierung Äthiopiens schweigt zu den Vorfällen an der eritreischen Grenze. Verschiedene Berichte in äthiopischen Medien weisen darauf hin, dass die kürzlich erfolgte Schließung der Grenzen seit dem 22. April 2019 von der eritreischen Seite erzwungen wurde. Darauf angesprochen wich Nebiyat Getachew, Sprecher des äthiopischen Außenministeriums, auf einer Pressekonferenz in Addis Abeba, den Fragen der Journalisten aus: "Der Prozess der Institutionalisierung der Menschenbewegung und des Handels über unsere gemeinsame Grenze, der seit dem Friedensabkommen begann, kommt gut voran", sagte Nebiyat, ohne die Grenzschließungen zu erwähnen.

    Angst vor den Protestbewegungen in den Nachbarländern

    Die Grenzschließung sei vor allem ein Zeichen von Angst auf Seiten der eritreischen Führung, die ein Überschwappen von Protestwellen aus den Nachbarländern fürchtet, sagt Meresa Tsehay, Politikwissenschaftler an der nordäthiopischen Universität Mekelle: "Isayas Afewerki ist nicht glücklich mit der Öffnung der Grenzen. Er fürchtet offene Grenzen, vor allem auch nach dem Sturz des al-Bashir-Regimes im Sudan. Immer mehr Eritreer hinterfragen die Legitimität ihres eigenen Präsidenten." Es sehe so aus, dass weder in Eritrea noch in Äthiopien ein wirkliches Interesse an einer Normalisierung bestehe, so Professor Tsehay weiter.

    Ähnlich sieht es Ali Omar, Angehöriger der Oppositionellen "Eritrean Afar National Congress" (EANC): Sowohl der Präsident Eritreas, Isayas Afwerki, als auch der Premier Äthiopiens, Abiy Ahmed, fürchteten das Überschwappen von Protestbewegungen aus dem Ausland. "Wir haben das Friedensabkommen vom Juli 2018 und die Öffnung der Grenzen begrüßt, aber wir waren von Anfang an skeptisch und hatten den Verdacht, dass es beiden Führern nicht um die Menschen, sondern vor allem um Publicity und politische Dividenden ging."

    Eritrea: Menschenrechtsverletzungen weiterhin an der Tagesordnung

    Beobachter machen regelmäßig darauf aufmerksam, dass es vor allem in Eritrea in den vergangenen Jahren kaum Fortschritte beim Schutz der Menschenrechte gab: Kritiker halten Eritrea nach wie vor für eines der repressivsten Regime Afrikas. So gebe es in Eritrea keine freie Presse und keine Opposition, zahlreiche Dissidenten sitzen im Gefängnis.

    Eritrea belegt seit 15 Jahren einen der letzten drei Plätze auf der Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen. In der aktuellen Ausgabe schneiden nur Turkmenistan und Nordkorea schlechter ab. Seit 2001 gibt es in dem Land im Nordosten Afrikas keine unabhängigen Medien mehr. Im Zuge einer politischen Säuberungsaktion schloss die Regierung damals alle nicht-staatlichen Medien und inhaftierte zahlreiche Journalistinnen und Journalisten. Einzig die Staatsmedien dürfen seither Nachrichten verbreiten, doch auch sie sind streng zensiert.

    An der prekären Lage für Journalistinnen und Journalisten hat auch das 2018 unterzeichnete Friedensabkommen mit dem Nachbarland Äthiopien nichts geändert. Aaron Berhane, eritreischer Journalist, der mittlerweile im Exil in Kanada lebt, bestätigt im Gespräch mit der DW, dass sich es trotz des sogenannten "eritreisch-äthiopischen Frühlings" keine Freiheiten in Eritrea gibt. Unabhängige Journalisten würden weiterhin inhaftiert. "Es gibt keinerlei Schutz für sie. Fünf meiner Kollegen sind im Gefängnis ums Leben gekommen. Es hat sich also seitdem in Eritrea nichts verändert, nichts verbessert."

    Die aktuellen Grenzschließungen des eritreischen Regimes sind bewertet Berhane als Versuch Afewerkis, Entwicklungen aufzuhalten, die nicht aufzuhalten seien:"Die Menschen lehnen sich gegen Diktatoren auf - in Äthiopien, im Sudan, in Algerien oder in Ägypten. In Eritrea wird es nicht anders sein. Auch in Eritrea wird es Veränderungen geben, vor allem nach dem Friedensabkommen mit Äthiopien."

    Autor: Antonio Cascais (Mitarbeit: Mohammed Negash)

    *Der Beitrag "Ende des äthiopisch-eritreischen Frühlings" stammt von Deutsche Welle. Es gibt keine redaktionelle Prüfung durch FOCUS Online. Kontakt zum Verantwortlichen hier.

    Deutsche Welle
    Lesen Sie auch

    Let's block ads! (Why?)

    - "Das Militär steht hinter uns"

    "Das Militär steht hinter uns"
    In Venezuela unterstützt laut dem selbst ernannten Interimspräsidenten Guaidó nun auch die Armee einen Machtwechsel. Das Militär stehe nicht mehr an der Seite von Staatschef Maduro, sagte Guaidó der Deutschen Welle.

    Deutsche Welle: Wenn es um Venezuelas Machthaber Nicolás Maduro geht, sprechen Sie vom Anfang vom Ende der Usurpation. Von welchen militärischen Einheiten werden Sie heute unterstützt?

    Juan Guaidó: Es gibt einige Schlüsselelemente in diesem Prozess, und das bedeutet, dass die Streitkräfte nicht mehr hinter Nicolás Maduro stehen. Sie stehen auf unserer Seite, hinter der Verfassung und sind für einen Wechsel. Bei der Lage in Venezuela handelt es sich um eine Usurpation. Es hat innerhalb des Militärs viel Verfolgung gegeben, nicht nur vom venezolanischen, sondern auch vom kubanischen Geheimdienst. Es ist offensichtlich, dass die Mehrheit der Bevölkerung, die internationale Gemeinschaft und die Streitkräfte nicht mehr Maduro unterstützen.

    Maduro spricht von einem Staatsstreich.

    Es ist offensichtlich, dass Maduros Regierung widerrechtlich Ämter an sich reißt, sie ist es, die seit 2018 (Anmerkung der Red.: Die Wiederwahl Maduros am 20.5.2018 wurde von der Opposition als undemokratisch kritisiert) den Rechtsstaat und die Verfassung missachtet, keine freien und fairen Wahlen abhält und die Macht missbraucht. Heute haben die Streitkräfte einen wichtigen Schritt getan, indem sie sich hinter uns gestellt haben.

    Es wird befürchtet, dass die Regierung Maduro die militärische Offensive verschärft. Besteht die Gefahr, dass es zum Blutvergießen kommt?

    Unser Prozess verläuft friedlich und im Rahmen der Verfassung, das haben wir immer gesagt. Dies werden wir auch weiter so beibehalten. Diejenigen, die Gewalt ausgeübt haben, sind bewaffnete Paramilitärs, die sogenannten "coletivos". Hinter ihnen steht die Regierung. Wir und das venezolanische Volk, das auf die Straße geht und protestiert, haben unsere gewaltfreie Haltung beibehalten.

    Welche Unterstützung fordern Sie von der internationalen Gemeinschaft? Die 2017 von 14 amerikanischen Staaten aufgrund der Krise in Venezuela gegründete Lima-Gruppe hat ja gerade eine Dringlichkeitssitzung einberufen, um die Lage im Land zu beraten…

    Wir fordern die offizielle Anerkennung, so wie dies schon vielfach erfolgt ist. Und wir fordern, eine Übergangsregierung einzusetzen und freie Wahlen abzuhalten. Die Welt muss wissen, dass Maduro heute nicht mehr den Rückhalt des Militärs genießt, obwohl er Angst, Aufruhr und Unsicherheit verbreitet. Was auch passiert, wir werden weitermachen.

    Auf den Bildern, die uns aus Caracas erreichen, haben wir Sie gemeinsam mit dem venezolanischen Oppositionsführer Leopoldo López gesehen. Wie ist die Freilassung von López gelungen?

    Wir haben ein Amnestiegesetz verabschiedet. Außerdem sind die Streitkräfte, die ihn im Gefängnis festhielten, abgezogen.

    Vertrauen Sie darauf, dass die Demokratie nach Venezuela zurückkehrt?

    Solange die Bevölkerung auf die Straße geht und wir die Rückendeckung des Militärs und der internationalen Gemeinschaft haben, hege ich daran keine Zweifel.

    Señor Guaidó, wir danken Ihnen, dass Sie in diesem schwierigen Moment mit der DW über die Lage in Venezuela gesprochen haben.

    Das Gespräch führte Araceli Viceconte.

    Autor: Araceli Viceconte (apo)

    *Der Beitrag ""Das Militär steht hinter uns"" stammt von Deutsche Welle. Es gibt keine redaktionelle Prüfung durch FOCUS Online. Kontakt zum Verantwortlichen hier.

    Deutsche Welle
    Lesen Sie auch

    Let's block ads! (Why?)

    - Zwischen Wettrüsten und maroder Technik / Warum die weltweiten Militärausgaben immer weiter steigen

    Zwischen Wettrüsten und maroder Technik / Warum die weltweiten Militärausgaben immer weiter steigen
    Der Kalte Krieg und das globale Wettrüsten sind lange vorbei. Eigentlich. Denn im vergangenen Jahr haben die Staaten der Erde so viel Geld ins Militär investiert wie seit 1988 nicht mehr. Was sind die Gründe für den Militärausgaben-Boom?

    DOMRADIO.DE: 1,82 Billionen US-Dollar haben alle Länder weltweit zusammen im vergangenen Jahr für das Militär ausgegeben. Das hat das Friedensforschungsinstitut SIPRI am Montag bekanntgegeben. Die Zahlen haben die SIPRI-Direktorin in dem Moment überhaupt nicht überrascht. Wie geht es Ihnen damit?

    Renke Brahms (Friedensbeauftragter des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland): Sie überraschen mich leider auch nicht, denn aufgrund der politischen Entwicklungen in den letzten Jahren war das schon abzusehen. Es war auch abzusehen, dass die Militärausgaben wieder steigen. Verschiedene Länder haben sehr viel Geld investiert: die USA, China, aber auch Länder wie die Türkei. Zudem wird seitens der USA ein politischer Druck aufgebaut, dass in Europa mehr ausgegeben wird.

    DOMRADIO.DE: Was ist denn Ihre Erklärung dafür?

    Brahms: Einerseits ist es in der Tat eine Situation, die angesichts der Weltlage und verschiedener Konflikte nicht einfach ist.

    Auf der anderen Seite gibt es aber auch eine amerikanische Regierung, die unter Trump wieder sehr auf militärische Stärke setzt. Sie grenzt sich ab, kündigt die multilaterale Abkommen und setzt auf militärische Stärke. Das entzündet natürlich wieder ein Wettrüsten auf allen Seiten.

    DOMRADIO.DE: In dem Bericht kann man aber auch lesen, dass es nicht nur allein an der Politik Donald Trumps liegt. Einige Planungen beim Spitzenreiter, den USA, stammen noch aus der Zeit der Obama-Regierung. Also heißt das, egal welche Regierung gerade am Zug ist, die Ausgaben sind allgemein weiter gestiegen und es wird auch in der Zukunft so weitergehen?

    Brahms: Man muss zwischen einer intensiven Wettrüstung und einer Modernisierung unterscheiden. Eine Modernisierung vieler Waffensysteme hat schon die Obama-Regierung eingeleitet. Das wirkt sich jetzt aus. Aber die Politik, jetzt auch wieder in militärische Stärke zu investieren, liegt sicherlich deutlich an der aktuellen amerikanischen Regierung.

    Aber klar ist, dass auch China oder auch andere Länder im Mittleren Osten wie Saudi-Arabien enorm aufrüsten. Das ist leider ein Trend, der im Moment anhält. Alle Verhandlungsoptionen und diplomatische Bemühungen scheinen im Moment nicht zu funktionieren. Denn eigentlich müsste die Weltgemeinschaft ja angesichts der eigenen Erfahrungen aus den letzten Jahrzehnten sagen: Militärische Stärke nützt gar nichts.

    Eigentlich geht es darum, Verträge zu schließen, Interessensausgleich zu schaffen und damit eigentlich das Wettrüsten zu stoppen. Man müsste viel mehr in die Ursachenbekämpfung investieren. Dazu zählen die Klimaentwicklung, aber auch die Frage von Hungerbekämpfung sowie Armutsbekämpfung. Das wäre langfristig viel sinnvoller. Das wissen eigentlich auch alle. Und trotzdem gibt es wieder solche Wettrüstungsspiralen.

    DOMRADIO.DE: Aber Deutschland zieht da auch ganz gut mit, wenn man sich mal die Zahlen anschaut. Auch Deutschland hat seine Ausgaben für das Militär erhöht. Allerdings liegt man weiterhin unterhalb der Anforderungen, die die Nato eigentlich vorgibt. Gibt Deutschland also eigentlich zu wenig aus?

    Brahms: Da muss man unterscheiden. Das eine ist eine gesamtpolitische Lage. Schauen wir uns Zahlen an. Alle Nato-Staaten geben insgesamt 963 Milliarden Euro aus. Russland gibt 61 Milliarden für das Militär aus. Selbst wenn sie ein paar Kosten in anderen Haushaltspositionen verstecken, dann ist das ein Verhältnis, bei dem man sich fragt, wozu diese militärische Überlegenheit nötig ist.

    Entweder liegt es daran, dass die ganzen Geräte - wie die Panzer von der Bundeswehr - nicht funktionieren und dass das System so schlecht ist, dass eine Misswirtschaft entsteht. Oder es besteht eine so schwache Zusammenarbeit der Nato-Staaten, dass sie so viel Geld ausgeben müssen. Oder es liegt daran, dass man irgendwie vermeintliche Gegner "totrüsten" möchte. Heißt also, dass man eine solche Übermacht erzeugen möchte, dass zum Beispiel Russland oder andere gar nicht wagen, irgendwo Konflikte heraufzubeschwören.

    Aber angesichts der Zahlen muss man fragen: Wo ist die Logik dahinter, dass eine solche Steigerung noch notwendig ist? Ich finde es richtig, dass die Bundesregierung sagt, dass dieses "Zwei-Prozent-Ziel" irgendwie verpflichtend gewesen sein mag, aber man komme dem jetzt erstmal so nicht nach. Die Steigerung reiche schon aus.

    DOMRADIO.DE: Meldungen über die Bundeswehr aus der Vergangenheit zeigen, dass es Probleme mit der Technik gibt. Viele Gerätschaften sind überhaupt nicht einsatzfähig. Macht es da nicht vielleicht auch Sinn, mehr Geld auszugeben, um sich in Zukunft vielleicht auch an friedensichernden Einsätzen beteiligen zu können?

    Brahms: Solange die Bundesrepublik eine Bundeswehr hat und Soldaten in Einsätze schickt, muss sie vernünftig ausgestattet sein. Wie uns viele Beispiele aus der Bundeswehr - siehe Gorch Fock - zeigen, scheint es ja doch auch viel daran zu liegen, dass es irgendwo nicht gut miteinander abgesprochen ist. Und wenn man das europäisch anguckt, dann scheint man Geld für Dinge auszugeben, die nicht abgesprochen sind.

    Man könnte viel einsparen. Das sagen die europäischen Staaten selber. Nämlich indem man gut zusammenarbeitet und dann auch die Kosten wieder reduzieren kann. Ich bin da ein bisschen skeptisch. Viel Geld oder mehr Geld hilft eben auch nicht unbedingt. Die andere Frage ist natürlich auch immer: Worin investiert man eigentlich? Wenn das dann auf Kosten der zivilen Mittel, der politischen Mittel oder der entwicklungspolitischen Mittel geht, dann entsteht da einfach ein Missverhältnis. Als Vergleich: Gerade mal 55 Millionen Euro werden in Deutschland für den zivilen Friedensdienst ausgegeben. Daran sieht man, dass das in die falsche Richtung geht.

    Das Interview führte Verena Tröster.

    DOMRADIO.DE
    Lesen Sie auch

    Let's block ads! (Why?)

    - "Wir brauchen politische Regelungen" / Sozialverband kritisiert miserable Arbeitsbedingungen

    "Wir brauchen politische Regelungen" / Sozialverband kritisiert miserable Arbeitsbedingungen
    Arbeitnehmerrechte, Gewerkschaften, Arbeitsschutz sind mittlerweile kaum mehr wegzudenken. Braucht es denn dann noch einen Tag der Arbeit? Laut Kolping International ja: denn Ausbeutung finde auch in Deutschland weiterhin statt.

    DOMRADIO.DE Wenn Sie auf die moderne Arbeitswelt heute schauen, was ist Ihnen persönlich besonders ein Dorn im Auge?

    Markus Demele (Generalsekretär des katholischen Sozialverbands Kolping International ): Zu vieles leider. Da muss ich nur in die Schlachthöfe in Niedersachsen schauen, wo Arbeiterinnen und Arbeiter vor allem aus Osteuropa ausgebeutet werden. Ich kann aber auch nach Afrika, Asien oder Lateinamerika schauen. Die Zahl derer, die unter menschenunwürdigen Bedingungen arbeiten, ist leider gleichbleibend groß. Einige sagen sogar, sie sei wachsend.

    DOMRADIO.DE Dabei gibt es doch viele internationale Übereinkünfte, die etwa Kinderarbeit, Sklaverei oder dergleichen untersagen. Dafür ist die Internationale Arbeitsorganisation ILO zuständig, die zu den Vereinten Nationen gehört. Die kennt nur kaum einer, warum?

    Demele: Weil sie nicht in Erscheinung treten kann. Sie hat nicht das Mandat, Arbeitsrechte durchzusetzen. Sie ist die Organisation, mit der man unter dem Eindruck des Ersten Weltkriegs gesagt hat: "Wir brauchen Arbeitsrechte. Die sind der Garant für Frieden, damit alle Menschen an einer guten Entwicklung teilhaben können."

    Aber warum sieht es immer noch so aus auf der Welt? Das liegt daran, dass Arbeitsschutz etwa bei Sonntagsreden, in manchen Gesetzestexten und unverbindlichen Erklärungen hochgehalten, aber in der Realität in vielen Ländern nicht durchgesetzt wird. Es gibt einfach eine zu große Nachfrage an Produkten, an denen Blut klebt. Zu viele Produkte werden auch in Deutschland gehandelt und gekauft, bei denen der Mensch im Produktionsprozessprozess keine Rolle spielt. Das heißt, dass die wirklichen Kosten der Herstellung dieses Produktes auf die Ärmsten der Armen abgewälzt worden sind.

    DOMRADIO.DE Wir als Konsumenten sind also schuld, weil wir immer das Billigste vom Billigen kaufen wollen?

    Demele: Uns trägt eine Mitschuld. Versuchen Sie mal als ethischer Konsument durch das Leben zu gehen. Da werden Sie wahnsinnig bei. Bei manchen Produkten geht das relativ einfach. Nehmen wir etwa Bananen. Wenn Sie die im Supermarkt kaufen, da haben Sie die normalen Bananen und dann haben sie die fair gehandelten Bananen mit Siegel.

    Jetzt gehen Sie aber mal die ganzen anderen Produkte durch, die Sie tagtäglich konsumieren. Da können Sie nicht jedes Mal auf ein Siegel schauen. Sind diese Schuhe fair gehandelt? Steckt in diesem Hemd nun Kinderarbeit? Das weiß man einfach nicht. Das ist eine Überforderung des einzelnen Konsumenten. Wir brauchen deshalb politische Regelungen.

    Der eigentliche Skandal ist, dass seit Jahrzehnten die Kirchen-Verbände darauf hinweisen, dass es diese miserablen Arbeitsbedingungen gibt. Aber noch immer gibt es eine Unwilligkeit der Politik, hier wirklich mit Regeln aktiv zu werden.

    DOMRADIO.DE Die katholische Kirche hat tatsächlich bei der ILO immer mal wieder eine wichtige Rolle gespielt. Das internationale Kolpingwerk hat etwa Beraterstatus. Papst Johannes Paul II. hat 1982 selbst vor der ILO gesprochen. Gibt es eine sehr enge und traditionelle Verbindung zwischen Kirche und Arbeitnehmerrechten?

    Demele: Es gibt in der katholischen Soziallehre mit Sicherheit ganz viele Anknüpfungspunkte. Darum hat auch Benedikt XVI. in seiner Enzyklika Caritas in veritate wortwörtlich die Programmatik der ILO zitiert. Dass eine UN-Organisation zitiert wird, findet sich bisher nicht so oft in einer Sozial-Enzyklika. Es geht darin um den Wert der Arbeit. Arbeit hat einen Vorrang vor dem Kapital. Das klingt nahezu sozialistisch oder marxistisch. Aber das ist gute katholische Soziallehre. Diese Idee verbindet die ILO und die katholische Kirche miteinander.

    DOMRADIO.DE Was fordern Sie ganz konkret von der Politik?

    Demele: Dass es endlich Gesetze gibt, die Unternehmen dazu verpflichten, bei der Produktion die Menschenrechte zu respektieren. Wenn sich herausstellt, dass sie es nicht getan haben, dann müssen sie saftige Strafen dafür zahlen und Manager haftbar gemacht werden können.

    Das Interview führte Verena Tröster.

    *Der Beitrag ""Wir brauchen politische Regelungen" / Sozialverband kritisiert miserable Arbeitsbedingungen" stammt von DOMRADIO.DE. Es gibt keine redaktionelle Prüfung durch FOCUS Online. Kontakt zum Verantwortlichen hier.

    DOMRADIO.DE
    Lesen Sie auch

    Let's block ads! (Why?)

    - Der modernste Tenno Japans

    Der modernste Tenno Japans
    Wie seine Eltern will Japans neuer Kaiser Naruhito auf Volksnähe setzen, um populär zu bleiben und Einfluss zu nehmen. Aber das konservative Hofamt und die fragile Gesundheit seiner Frau begrenzen seinen Spielraum.

    Wenn Kronprinz Naruhito am Mittwoch um 10.30 Uhr Ortszeit Schwert und Kronjuwelen als Insignien des Chrysanthementhrons übernimmt, tritt Japans älteste Institution in eine neue Zeit ein: Als erster Kaiser wurde Naruhito nicht von einer Amme gestillt und wuchs unter dem Dach seiner Eltern auf. Als erster Kaiser studierte Naruhito auch im Ausland, schloss ein höheres Studium ab und heiratete eine berufstätige Frau. Der 59-Jährige joggt, klettert auf Berge, spricht fließend Englisch und spielt Bratsche. Noch nie war das Kaiserhaus so modern wie heute.

    Jedoch lastet die lange Geschichte der Institution Tenno ("himmlischer Herrscher") auf seinen Schultern. Der offiziellen Zählung nach wird Naruhito der 126. Regent einer Erblinie sein, die den Legenden zufolge bis ins siebte Jahrhundert vor Christus zurückreicht. Die Dynastie führt ihren Ursprung auf den Urururenkel Jimmu der Sonnengöttin Amaterasu zurück. Daher geht bei der Inthronisierung auch ein Spiegel im Shinto-Schrein des Kaiserhauses als Emblem von Amaterasu durch das rituelle Gebet eines Gesandten in den Besitz von Naruhito über.

    Wie sein Vater Akihito besuchte der neue Kaiser die frühere Adeligenschule Gakushuin und absolvierte ein Bachelor-Studium an der Gakushuin-Universität, allerdings in Geschichte. Anschließend studierte er zwei Jahre am Merton-College im englischen Oxford Wirtschaftsgeschichte und beschäftigte sich besonders mit Wasserwegen. Die ungewohnte Freiheit im Ausland fernab der höfischen Zwänge bezeichnete er als "großen Schatz". So hängte sich Naruhito ein Poster des US-Filmstars Brooke Shields an die Wand, ein Tutor organisierte ein Treffen mit ihr. "In England habe ich gelernt, selbst zu denken, selbst zu entscheiden und selbst Dinge in die Tat umzusetzen", berichtete Naruhito nach seiner Rückkehr.

    Tröster und Gewissen der Nation

    Der neue Kaiser will den volksnahen Stil seines Vaters fortsetzen, der sich durch persönliche Begegnungen mit Katastrophenopfern und sozial Benachteiligten als Tröster der Nation profilierte und so seine Verfassungsrolle als "Symbol der nationalen Einheit" auf neue Weise ausfüllte. "Bezüglich des Kaiserwesens lautet der Grundsatz, dass wir Freude und Schmerzen mit dem Volk von Herz zu Herz teilen", betonte Naruhito bei seinem Geburtstag im Februar.

    Wie sein Vater dürfte er auch die Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg wachhalten und weiter das Gewissen der Nation verkörpern. Akihito hatte sich nie für den Krieg entschuldigt, den sein Vater Hirohito in Asien entfacht hatte, weil das Kaisergesetz ihm politische Aussagen verbietet. Aber er hatte beim Gedenken auf früheren Schlachtfeldern "tiefe Reue und Schmerzen" geäußert und für alle Kriegsopfer gebetet. Schon als Kronprinz habe Naruhito eine kritische Haltung gegenüber Tendenzen zur Beschönigung von Japans Kriegsvergangenheit eingenommen, sagt der deutsche Historiker Sven Saaler von der Sophia-Universität in Tokio. Als Kaiser könne er seine Ansichten noch öffentlichkeitswirksamer ausdrücken, etwa am Jahrestag des Kriegsendes, dem 15. August.

    Jedoch will Naruhito auch eigene Akzente setzen. Das Kaiserhaus müsse seine Aufgaben an den Wandel der Zeiten anpassen und gesellschaftliche Erwartungen erfüllen, argumentierte er im Vorjahr. "Für solche neu verlangten Aufgaben möchte ich aufrichtig stehen", sagte der damalige Kronprinz. Als mögliche Themen nannte er Wasserversorgung, Armutsbekämpfung, Bedürfnisse von Kindern und Alten. "Auf der Basis seiner Erfahrungen wird Naruhito eine eigene Vorstellung vom Kaisertum entwickeln", sagt Issei Nomura vorher, einer seiner Ex-Hofmeister im Kronprinzenpalast. Der deutsche Kaiserexperte Ernst Lokowandt äußert sich vorsichtiger: Nach einer Eingewöhnung werde sich Naruhito um das Thema Umwelt kümmern, aber in seinem privaten Umfeld erst einmal nichts ändern. "Dazu ist der Monarch zu traditionsgebunden", meint Lokowandt.

    Welche Rolle wird Kaiserin Masako spielen?

    Der unbekannte Faktor seiner Amtszeit ist seine Frau Masako. Die frühere Karrierebeamtin im Außenministerium und Absolventin der Universitäten Harvard und Oxford unterscheidet sich in Herkunft, Ausbildung und Weltläufigkeit deutlich von ihrer Vorgängerin Michiko, die eher das traditionelle Bild einer Japanerin verkörperte. Auf dem diplomatischen Parkett könnte sich eine Kaiserin Masako für Japan so engagieren, wie es ihr beim Eintritt in das Kaiserhaus vor 26 Jahren versprochen wurde. "Es wird mein lebenslanges Thema bleiben, welche Rolle ich als Mitglied der Kaiserfamilie für die Gesellschaft spiele", sagte sie nach der Hochzeit mit Naruhito.

    Aber ihre angeschlagene Gesundheit könnte seine Amtszeit belasten. Vor allem wegen des Drucks aus der Kaiserfamilie und dem Hofamt, einen männlichen Thronerben zu gebären, entwickelte sie eine "stressbedingte Anpassungsstörung", so die offizielle Beschreibung ihrer Erkrankung. Nach Angaben ihres Ehemanns schwankt ihre körperliche Verfassung immer noch. Er wolle ihr helfen und sie unterstützen, bekräftigte Naruhito, der das Herz von Masako mit dem Versprechen gewann, sie lebenslang zu beschützen. Daher ist unklar, wie oft Masako an seiner Seite auftreten wird. Doch dies sei entscheidend, um die Volksnähe des Kaisers aufrechtzuerhalten, meint Historiker Saaler. Schließlich schreibe man den Erfolg des volksnahen Stils von Akihito zum großen Teil seiner Frau Michiko zu.

    Autor: Martin Fritz

    *Der Beitrag "Der modernste Tenno Japans" stammt von Deutsche Welle. Es gibt keine redaktionelle Prüfung durch FOCUS Online. Kontakt zum Verantwortlichen hier.

    Deutsche Welle
    Lesen Sie auch

    Let's block ads! (Why?)

    Nächste Instanz bestätigt - Muslimische Kita muss schließen

    Nächste Instanz bestätigt: Muslimische Kita muss schließen

    Rund zehn Jahre lang bestand der landesweit einzige muslimische Kindergarten in Mainz. Diese Geschichte endet nun. Die Behörden ordneten die Schließung an, die Gerichte haben an der Entscheidung nichts auszusetzen. Der Trägerverein sieht sich ungerecht behandelt.

    Die Schließung für die einzige muslimische Kindertagesstätte in Rheinland-Pfalz ist juristisch vorerst in trockenen Tüchern. Das Oberverwaltungsgericht (OVG) in Koblenz bestätigte in einem am Dienstag veröffentlichten Beschluss eine vorangegangene Entscheidung des Mainzer Verwaltungsgerichts und wies eine Beschwerde des Trägervereins dagegen ab. Der Widerruf der Erlaubnis zum Betrieb des Al Nur-Kindergartens in Mainz sei rechtmäßig. "Es gibt kein weiteres Rechtsmittel", sagte ein OVG-Sprecher. Der Beschluss in dem Eilverfahren sei unanfechtbar (Az.: 7 B 10490/19.OVG).

    Auch das OVG kam zu dem Schluss, dass das Wohl der in der Einrichtung betreuten Kinder gefährdet ist und der Trägerverein gegen Auflagen verstoßen hat. Das Landesjugendamt hatte die Schließung ursprünglich zum 31. März angeordnet, das Verwaltungsgericht hatte eine Duldung des Betriebs bis Ende April - also bis zum (heutigen) Dienstag - verfügt.

    "Das entspricht nicht der Realität"

    Träger des Kindergartens ist der Moscheeverein Arab Nil-Rhein. Dieser habe im Umfeld des Kindergartens Personen auftreten lassen, die islamistische Auffassungen vertreten hätten, befand das OVG. Diese stünden mit der freiheitlich demokratischen Grundordnung nicht in Einklang. Auch sei der Trägerverein beispielsweise der Auflage, regelmäßig mit anderen Kindergärten zusammenzuarbeiten, nicht ausreichend nachgekommen.

    Dem widersprach der Vorsitzende des Moscheevereins, Samy El Hagrasy. Es habe Kooperationen mit anderen Kitas gegeben. Dass das OVG nun von einer Gefahr spreche, dass die gesellschaftliche Integration der Kinder erschwert werde, könne er nicht akzeptieren. "Das entspricht nicht der Realität." Grundsätzlich kritisierte El Hagrasy, dem Al Nur-Kindergarten seien Auflagen gemacht worden wie keiner anderen Einrichtung. Er hofft auf weitere Gespräche mit dem Landesjugendamt und verwies auf einen dort platzierten Widerspruch des Vereins.

    "Ich begrüße die Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichtes"

    Das Landesamt für Soziales, Jugend und Versorgung teilte mit, der Verein habe diesen Widerspruch noch nicht begründet. Hierfür sei eine Frist bis zum 6. Mai eingeräumt worden, dann werde binnen drei Monaten entschieden. Anschließend stehe dem Verein erneut der Weg zum Verwaltungsgericht offen. Erste Instanz sei - wie zuletzt schon im Eilverfahren - das Verwaltungsgericht, die zweite das OVG.

    Zum am Dienstag bekanntgewordenen OVG-Beschluss erklärte Landesamtspräsident Detlef Placzek: "Ich begrüße die Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichtes und sehe mit dem Urteil des heutigen Tages unsere Rechtsauffassung vollumfänglich bestätigt." Das Kindeswohl dürfe nicht zur Diskussion stehen. "Ich hoffe, dass sich die Eltern im Interesse der Kinder um einen neuen Kindergartenplatz bemüht haben." In welchem Umfang Eltern dafür die bis Ende April verlängerte Frist bis zur Schließung genutzt hätten, sei nicht bekannt.

    Kita hatte 22 Plätze

    Der Arab Nil-Rhein Verein hatte die Betriebserlaubnis im Jahr 2008 erhalten, sie umfasste 22 Plätze. Zuletzt seien noch 19 Kinder in dem Haus gewesen, sagte El Hagrasy. Zahlreiche Eltern hätten bis zuletzt gehofft, dass es weitergehe, nun habe man den Kindergarten am Dienstag schließen müssen. Die behördliche Schließung der Einrichtung ist der erste Fall dieser Art in Rheinland-Pfalz.

    Den betroffenen Eltern hat die Stadt Mainz Plätze in städtischen Tagesstätten angeboten. Bis heute gebe es konkrete Nachfragen für fünf Kinder, teilte eine Sprecherin der Stadt mit.

    Jetstream-Kollaps: Ausgeleierte Windbänder machen das Wetter immer extremer

    Lesen Sie auch

    Let's block ads! (Why?)

    Schläger war aus Psychiatrie ausgebrochen - Mann prügelt in Bahn auf Schülerin und Studenten ein - verharmloste Polizei Fall?

    Schläger war aus Psychiatrie ausgebrochen: Mann prügelt in Bahn auf Schülerin und Studenten ein - verharmloste Polizei Fall?

      Nach einer brutalen Prügelattacke in einer Magdeburger Straßenbahn auf eine Gymnasiastin und einen Studenten hat sich nun Sachsen-Anhalts Innenministerium eingeschaltet. Die Polizei hatte nach dem Vorfall offenbar zunächst keine Haftgründe gesehen. Der Schläger, der aus Syrien stammt, kam in eine geschlossene Psychiatrie, aus der er ausbrach. Inzwischen sitzt er in Untersuchungshaft.

      Der Vorfall hatte sich kurz vor Ostern an einer Straßenbahnhaltestelle vor dem Magdeburger Landgericht ereignet. Dort waren eine 18-jährige Gymnasiastin und ein 28-jähriger Medizinstudent am helllichten Tag in einer Straßenbahn grundlos und brutal attackiert worden, berichtet die „Magdeburger Volksstimme“.

      Die Schülerin habe eine Nasenfraktur und einen Bruch des linken Augenhöhlenrings erlitten. Der Student trug drei Platzwunden und einen Bruch der Vorderwand der Stirnhöhle davon. Bei dem Angreifer solle es sich um einen 34 Jahre alten Syrer handeln. In den zurückliegenden Monaten soll er bereits in Nordrhein-Westfalen wegen Prügeleien aufgefallen sein. Dort würden ihm Körperverletzungen in drei Fällen vorgeworfen.

      Erst als die Familie nachhakt, kommt Bewegung in die Sache

      Dem Bericht zufolge sei erst nach „hartnäckigem Intervenieren der Familie“ der Familie der Schülerin nach Ostern Bewegung in die Sache gekommen. Acht Tage nach dem brutalen Angriff sei der Schläger dann in Magdeburg verhaftet worden. Er sitze in der Justizvollzugsanstalt Burg in Untersuchungshaft.

      Sachsen-Anhalts Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) nehme den „Fall sehr ernst“, berichtet die „Volksstimme“ weiter und prüfe nun detailliert den „Sachverhalt“ sowie die damit zusammenhängenden polizeilichen Maßnahmen.

      Der AfD-Fraktionschef im Landtag, Oliver Kirchner, war der Polizei vor, die Migrantengewalt zu „verharmlosen“ und die „Herkunft des Straftäters zu verschwiegen“. Die Vize-Chefin der Landes-FDP, Lydia Hüskens, forderte eine schnelle Prüfung, „ob die Abläufe Ergebnisse individuellen Fehlverhaltens oder strukturelle Mängel sind“. Dazu zähle auch, warum „ein offensichtlich widerholt gewalttätiger und psychisch labiler Mensch so frei durch die Republik“ fahren könne. Die FDP ist nicht im Landtag vertreten.

      Im Video: Befeuerten ARD und ZDF mit Migrationstalks den Erfolg der AfD? Studie gibt Aufschluss

      Lesen Sie auch

      Let's block ads! (Why?)

      Eskalation in Venezuela - Straßenschlachten in Caracas - Panzerfahrzeug rast in Menschenmenge

      Eskalation in Venezuela: Straßenschlachten in Caracas - Panzerfahrzeug rast in Menschenmenge

      In der Nähe einer Militärbasis in Venezuela ist es zu Zusammenstößen zwischen der Polizei und Demonstranten gekommen. Wie Journalisten der Nachrichtenagentur AFP am Dienstag berichteten, setzte die Polizei Tränengas gegen Demonstranten in der Hauptstadt Caracas ein, die dem Aufruf des selbsternannten Übergangspräsidenten Juan Guaidó gefolgt waren, aufständische Soldaten zu unterstützen.

      Auf Bilder sind heftige Straßenschlachten zu sehen, ein Panzerfahrzeug rast in eine Menschenmenge. Guaidó hatte zuvor von der Militärbasis La Carlota in Caracas aus verkündet, dass sich eine Gruppe von Militärangehörigen gegen den linksnationalistischen Präsidenten Nicolás Maduro erhoben habe.

      Die Regierung prangerte einen "Putschversuch" an und teilte mit, sie sei dabei, "Verräter" innerhalb der Armee zu bekämpfen, die sich im Viertel Altamira in Caracas versammelt hätten, das in der Nähe der Militärbasis La Carlota liegt. Bislang galt die Armee als wichtigste Stütze Maduros in dem Machtkampf mit Guaidó.

      cvh/mit Agenturmaterial
      Lesen Sie auch

      Let's block ads! (Why?)

      - "Wir müssen an die tiefen Wurzeln ran" / Warum sich Katholische Akademien an der Missbrauchsaufarbeitung beteiligen wollen

      "Wir müssen an die tiefen Wurzeln ran" / Warum sich Katholische Akademien an der Missbrauchsaufarbeitung beteiligen wollen
      In Deutschland haben sich die katholischen Akademien thematisch zusammengeschlossen. Sie wollen über die Ursachen der Missbrauchskrise diskutieren und auch Optionen für die Zukunft suchen. Ist das eine Form des "synodalen Wegs"?

      DOMRADIO.DE: Jetzt haben wir möglicherweise wieder einen neuen Fall von Missbrauch, der ans Licht kommt. Ein früherer Vatikan-Diplomat, der heute im Bistum Eichstätt lebt, soll während seiner Amtszeit in Rom einen ihm unterstellten Priester sexuell bedrängt haben. Wie ist das für Sie, wenn Sie solche Meldungen hören?

      Prälat Dr. Peter Klasvogt (Vorsitzender des Akademieleiterkreises deutscher katholischer Akademien): Der Ärger ist riesig und das Erste, was mir in den Sinn kam ist: "Die Wahrheit wird euch freimachen".

      Verschleiern und Vertuschen nützt überhaupt nichts. Gerade wenn offensichtlich belastbares Material vorliegt, dann frage ich mich, warum das so lange dauert. Mit Papst Franziskus greift tatsächlich ein kirchliches Oberhaupt durch. Das muss wirklich vorangetrieben werden.

      DOMRADIO.DE: Ganz oben ist das natürlich immer wieder Thema. Auch die deutschen Bischöfe haben auf ihrer Vollversammlung entschieden, die Themen Sexualmoral und priesterliche Lebensform im Rahmen eines sogenannten "synodalen Wegs" konkret anzugehen. Haben Sie denn das Gefühl, dass wirklich alle eine Aufarbeitung verfolgen?

      Klasvogt: Gut, ich war nicht bei der Bischofskonferenz dabei. Aber man merkt einfach den öffentlichen Druck, die Sachen tatsächlich anzugehen. Ich sehe sowohl von den Bischöfen als auch von den Kirchenverantwortlichen der einzelnen Diözesen positive Bemühen, weiter aufzuarbeiten und wirklich die Dinge beim Namen zu nennen. Insofern finde ich es wichtig, wenn die Bischöfe selbst auch von "systemischen Gefährdungen" sprechen. Sie sagen, dass es drei Bereiche sind: Umgang mit Macht, Sexualmoral und die priesterliche Lebensform. Da hat uns die MHG-Studie (Studie "Sexueller Missbrauch an Minderjährigen durch katholische Priester, Diakone und männliche Ordensangehörige im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz“, Anm. d. Red.) auch einiges auf den Weg gegeben. Ich glaube, das sollten wir offensiv und positiv angehen.

      DOMRADIO.DE: Das sind aber alles bisher nur Worte. Was konkret fordern Sie und was muss passieren?

      Klasvogt: Uns war einfach wichtig, dass wir nicht nur die Bischöfe hinter verschlossenen Türen beraten lassen. Sondern auch wir wollen diese Themen ernst nehmen und aufgreifen und bieten uns als Forum für Diskussionen, für Auseinandersetzung und auch für Streit an. Aber wir bieten uns auch an, um konkrete Perspektiven zu erarbeiten und wir gehen mit Vorschlägen an die Bischofskonferenzen und die Weltkirche heran.

      DOMRADIO.DE: Haben Sie da konkrete Beispiele? Was das sein kann?

      Klasvogt: Wenn wir von sexuellem Missbrauch reden, ist auch die Frage, wie eigentlich die Machtstrukturen in der Kirche sind, dass so etwas überhaupt passieren kann? Ich glaube, das sind die tiefer liegenden Wurzeln, an die wir ran müssen. Der Papst spricht in letzter Zeit auch oft von "Klerikalismus". Das sind eigentlich keine neuen Dinge. Seit dem Konzil vor 50 Jahren reden wir von einem Dienstamt des Priesters. Das ist uns alles bekannt, aber es ist im Grunde nicht in den Köpfen angekommen oder eben zu wenig. Ich glaube, da müssen wir offensiv rangehen.

      DOMRADIO.DE: Wie Sie schon gesagt haben, bieten Sie auch Diskussionsveranstaltungen an. Das heißt, jeder ist angesprochen und gefragt?

      Klasvogt: Ja, wir haben gesagt, jede Akademie soll wirklich die Räume öffnen.

      Wir laden auch Betroffene, Beschuldigte und vor allem auch Experten aus dem Bereich der Psychologie und beispielsweise auch aus dem Bereich des Kirchenrechts ein, die mit dieser Studie vertraut sind. Ebenso sind auch Kirchenverantwortliche der einzelnen Diözesen dabei. Wir müssen in einer konzertierten Aktion und zwar vor Ort, nicht nur irgendwo auf einer Meta-Ebene, diese Themen aufgreifen und bearbeiten.

      Das Interview führte Verena Tröster.

      DOMRADIO.DE
      Lesen Sie auch

      Let's block ads! (Why?)

      Analyse unseres Partner-Portals "Economist" - Wie eine englische Kleinstadt boomt – jetzt aber durch den Brexit bedroht ist

      Analyse unseres Partner-Portals "Economist": Wie eine englische Kleinstadt boomt – jetzt aber durch den Brexit bedroht ist

        Das Stahlwerk in Corby lieferte der Stadt in Northamptonshire immer mehr Arbeitsplätze und die generöse Gelegenheit, sich den Ruß abzuschütteln. Genau wie tausende andere Schotten kam auch der Großvater von Billy Dalziel aus Glasgow, um in der Fabrik Arbeit zu finden. Sein älterer Bruder war einer von über 100 Lehrlingen, die jedes Jahr eingestellt wurden.

        Aber die guten Zeiten waren bald vorbei. Die meisten Werke wurden geschlossen. Und 1980 verloren 10.00 Arbeiter ihre Stelle. Als Delziel sich an der Universität einschrieb, war Corby bereits zum Inbegriff des Niedergangs geworden. "Es ist die Stadt der Arbeitslosigkeit", wurde ihm gesagt.

        Doch mittlerweile boomt Corby wieder. Die Bevölkerungszahl ist seit 2001 um 30 Prozent gestiegen. Sie liegt jetzt knapp unter 70.000 und wird in den nächsten zwei Jahrzehnten voraussichtlich noch einmal um fast ein Drittel ansteigen. Nur der Londoner Stadtteil Hamlets ist vermutlich in der Lage, das noch zu übertrumpfen.

        Die Arbeiter sind wieder am Schauplatz des ehemaligen Eisenwerks. Sie graben die Erde wieder aus, unter der einst die industrielle Vergangenheit der Stadt begraben wurde, um den Grundstein für 5000 neue Wohnungen zu legen. Vor dem "Corby Cube", einem schillernden neuen Häuserblock für Büros und Räumlichkeiten für den Stadtrat,  steht die Statue eines Stahlarbeiters, in Gedenken an das Erbe der Stadt.

        Dank einer neuen Bahnstrecke ist London nur eine Stunde entfernt

        Dieser Wandel ist auch einem glücklichen Zufall zu verdanken. Das Stahlwerk hinterließ eine Menge Brachland, dass sich Stadtentwickler schnappen konnten. Das Gebiet liegt außerhalb des "grünen Gürtels", der die Erschließung rund um die benachbarten Städte einschränkt. Die Lage des Standorts ist ebenfalls von Vorteil – 113 Kilometer nördlich von London. Doch dank einer neuen Bahnstrecke, die 2009 eröffnet wurde, liegt es nur knapp eine Stunde von der Hauptstadt entfernt.

        Angezogen durch die Immobilienpreise, die 60 Prozent unter dem Londoner Durchschnitt lagen, kamen auch bald Pendler. Einer dieser Neuankömmlinge, Mohammad Khan, hatte vorher noch nie etwas von Corby gehört, bis seine Frau online auf günstige Häuser stieß. Sie zogen von einem Haus mit zwei Schlafzimmern am Rande von London, in eines mit vier Schlafzimmern und einem Garten. Beide sind freiberuflich tätig und können ihrer Arbeit auch in der Ferne nachgehen. "Heutzutage kannst du überall sein", sagt er. Bereits kurz nach seinem Einzug half er dabei, Geld für die erste Moschee der Stadt zu sammeln.

        Der Standort hat auch Logistik- und Lebensmittelunternehmen angelockt, die darauf bedacht waren, sich in der Nähe von Englands Zentrum anzusiedeln. Speditionsunternehmer Eddi Stobart hat dort 2018 ein neues Lager angemietet.

        Steuerfreiheiten lockten zahlreiche Firmen an

        Neue Arbeitsplätze und Jobs im Wohnungsbau-Sektor haben viele Osteuropäer angelockt. Laut einer Analyse der Denkfabrik "Institute of Public Policy Research" (ippr) ist knapp die Hälfte des Bevölkerungszuwachses auf Einwanderer zurückzuführen. 2016 bestand die Bevölkerung von Corby zu 18 Prozent aus Zuwanderern, die im Ausland geboren waren. Dieser Wert liegt vier Prozentpunkte über dem britischen Durchschnitt.

        Die lokalen Politiker haben diesen Vorteil für sich genutzt. Der Stadtrat sei "deutlich interventionistischer" als vergleichbare Räte, meint Nigel Hugill von "Urban & Civic", einem Bauträger, der 965-Hektar Bauland in der Stadt besitzt.

        Als Corby in den 1980er-Jahren als "Gewerbegebiet" ausgewiesen wurde, ließ der Stadtrat Kopien vom "Ecorbyist" verteilen – eine Parodie auf den "Economist". Darin wurde betont, dass Unternehmen, die sich dort ansiedeln, von Steuern befreit seien. "RS Components" ist eine Firma, die nach Corby gelockt wurde und mittlerweile der größte Arbeitgeber im Bezirk ist.

        Immer mehr Wohnhäuser werden gebaut, das Stadtzentrum wurde saniert

        Im Jahr 2003 begann die zweite Welle von geplanten Erschließungen, als der Stadtrat, zusammen mit "Catalyst Corby", einer öffentlich-privaten Firma zur Stadterneuerung, einen Plan vorlegte, um die Bevölkerungszahl der Stadt bis 2030 zu verdoppeln. Mit einer Werbekampagne wurden die Bewohner der Hauptstadt dazu angehalten, nach "North Londonshire" zu ziehen.

        Der Stadtrat sammelte Geld, um das Stadtzentrum zu sanieren, indem er Grundstücke für den Hausbau veräußerte und Entwicklungszuschüsse von der Regierung und der Europäischen Union beantragte. Eine neue Bibliothek, ein Theater und ein Schwimmbad mit olympischen Dimensionen wurden eröffnet. Das wiederum spornte den privaten Sektor dazu an, in der Nähe ein Einkaufszentrum und ein Kino zu errichten.

        Der Ratsvorsitzende, Tom Beattie, sagt, er sei "pragmatisch und praktisch" im Umgang mit den Bauträgern. Beispielsweise habe er erlaubt, den Anteil zur Erschließung von erschwinglichem Wohnraum zu reduzieren, falls dieser ansonsten nicht genutzt werden würde.

        Einige haben Bedenken vor Migration – doch die Arbeitskräfte werden benötigt

        Doch es gibt auch Anzeichen dafür, dass nicht jeder damit einverstanden ist, wie schnell sich der Wandel in Corby vollzieht. 2016 stimmten fast zwei Drittel der Bürger dort für einen Austritt aus der EU. Beattie führt das teilweise auf die Ängste in Bezug auf Einwanderung zurück. Die ippr-Studie ergab, dass sich der Stadtrat mehr anstrengen müsse, um die Einwohner von den Vorteilen von Migration zu überzeugen.

        Sollte die Regierung ihr Versprechen in die Tat umsetzen und das Ende der Reisefreiheit einläuten, dann könnte das dazu führen, dass die Stadt nicht mehr so einfach an relativ günstige Arbeitskräfte kommt. Corby hat bereits Erfahrung damit, wie fragil so ein Aufschwung sein kann.

        Dieser Artikel erschien zuerst beim Economist und wurde von Patrick Steinke aus dem Englischen übersetzt.

        Video: Gabriel bezeichnete Populismus-Studie als „dumm“: Autorin weist ihn zurecht

        *Der Beitrag "Wie eine englische Kleinstadt boomt – jetzt aber durch den Brexit bedroht ist" stammt von The Economist. Es gibt keine redaktionelle Prüfung durch FOCUS Online. Kontakt zum Verantwortlichen hier.

        Lesen Sie auch

        Let's block ads! (Why?)

        Search

        Featured Post

        Granblue Fantasy: Relink's Demo Will Make a Believer Out of You - Kotaku

        depolitikblog.blogspot.com Before multiple friends of mine went out of their way to sing the praises of Granblue Fantasy: Relink to ...

        Postingan Populer