Schröder bleibt sich treu: Unbeeindruckt vom Shitstorm will der Genosse einen neuen Job in Putins Energie-Reich übernehmen. Das verkündet er bei einem Wahlkampfauftritt. Dass er damit Martin Schulz in die Parade fährt, scheint ihn nicht groß zu stören.
Gerhard Schröder eröffnet den Abend, wie man es von ihm gewohnt ist. Mit offenem Visier. Der Altkanzler weiß, dass der Saal des Diakonie-Krankenhauses in Rotenburg an der Wümme auch deshalb so proppevoll ist und viele Kamerateams gekommen sind, weil er wegen eines neuen Russland-Jobs in den Schlagzeilen ist.
Der 73-Jährige soll und will in den Aufsichtsrat des weltgrößten Ölkonzerns Rosneft einziehen. Das russische Unternehmen, bei dem der Kreml mehrheitlich den Ton angibt, steht wegen der russischen Annexion der Krim auf der EU-Sanktionsliste. In der SPD finden sie Schröders Ambitionen so überflüssig wie einen Kropf, für die Union und die Opposition sind sie ein gefundenes Fressen. „Alte Liebe Rosneft nicht“, spottet am Abend Ex-CSU-Star Karl-Theodor zu Guttenberg über Schröder.
Schröder bleibt sich treu
Der aufstrebende SPD-Bundestagsabgeordnete Lars Klingbeil hat Schröder, bei dem er früher einmal arbeitete, in seinen Wahlkreis in die niedersächsische Provinz gelockt. Die erste Frage, die aus dem Kreis der etwa 400 Gäste kommt, dreht sich um Fußball: Schafft Hannover 96 den Klassenerhalt?
„Das ist sehr einfach zu beantworten und hat damit zutun, dass sie den richtigen Aufsichtsratsvorsitzenden ausgewählt haben“, antwortet Schröder, der leger ohne Sakko, mit aufgekrempelten Ärmeln in einem Ledersessel sitzt, und schaut feixend in die Runde.
„Gerd“ spricht von sich selbst. Er steht seit Ende 2016 beim Fußball-Bundesligisten an der Spitze des Kontrollgremiums. Johlen im Saal, in dem es ungefähr so heiß ist wie in einem russischen Dampfbad. Das Wort „Aufsichtsratsvorsitzender“ ist natürlich eine wunderbare Spieleröffnung für die umstrittenen Russland-Kontakte. Um im Fußballbild zu bleiben: Schröder schickt sich selber steil.
Schröder kritisiert die Presse
Der Genosse, das wird bei seinem gut 70-minütigen Auftritt klar, sieht sich bei Rosneft völlig zu Unrecht am Pranger. „Ich werde das tun.“ Aber die Vorhaltungen, es gehöre sich nicht für einen Altkanzler, bei einem kremlnahen Koloss wie Rosneft anzuheuern? Lässt ihn das völlig kalt? Kritik berühre ihn nur, wenn sie von Menschen käme, die ihm wichtig seien: „Der Mainstream war noch nie ein Gewässer, was mich besonders interessiert hat“, sagt er.
Er wolle noch was bewegen, dabei helfen, die Energiesicherheit Deutschlands und Europas zu sichern. Das sei wie damals 2005, als er „mit ein bisschen über 60“ gegen Angela Merkel verloren habe: „Soll ich mich dann in den Lehnstuhl setzen? Es geht um mein Leben, und darüber bestimme ich - und nicht die deutsche Presse.“
„Dämonisierung Russlands hilft keinem“
Bestimmte Medien hätten Deutschland seinerzeit auch in den Irak-Krieg „reinschreiben“ wollen. Nun gebe es ein Interesse daran, „dass wir in einen neuen Kalten Krieg geraten“, sagt Schröder und erinnert seine Zuhörer daran, dass er mit seinem Nein zum Irak-Krieg auch richtig gelegen habe. Er habe kein Problem mit dem Rosneft-Job, „und ich denke gar nicht daran, mir eins machen zu lassen“. Ob er „nur“ einfaches Mitglied im Rosneft-Gremium oder gleich den Vorsitz übernimmt, wie zuletzt berichtet, lässt er aber im Raum stehen.
Hat er keine Sorge, von Putin als prominentes Feigenblatt bei Rosneft benutzt werden, einem Konzern, der in Russland weit über den Energiesektor hinaus Einfluss hat, will ein Zuschauer wissen? „Ich bin nicht benutzbar.“ Und wie ist das mit seinem Freund Wladimir Putin, den Schröder einst zum „lupenreinen Demokraten“ adelte? „Ich bin's leid“, sagt er. Das sei immer so ein Stöckchen, das ihm hingehalten werde: „Ich bin schon seit zehn Jahren nicht gesprungen, und werde das auch heute nicht tun.“ Er finde nicht alles toll, was Russland auf der Welt so treibe. Verglichen mit US-Präsident Donald Trump sei Putin aber ein hochrationaler Mensch. „Die Dämonisierung Russlands hilft keinem.“
„Mit dem Rücken zur Wand kämpft man eigentlich am besten“
Um die Lage der SPD und ihres Kanzlerkandidaten geht es in Rotenburg dann auch noch. Die wurde ja erst kürzlich erschwert, weil eine grüne Landtagsabgeordnete aus eben diesem Fleckchen an der Wümme zur CDU wechselte, die rot-grüne Mehrheit flöten ging und deshalb am 15. Oktober der Landtag in Hannover neu gewählt wird. Die SPD könnte die Macht verlieren.
Kann Martin Schulz im Endspurt nun noch so ein Ding raushauen wie der „Gerd“, der bei der Bundestagswahl 2005 einen riesigen Rückstand zur Union aufholte und Angela Merkel fast noch abfing? „Mit dem Rücken zur Wand kämpft man eigentlich am besten“, sagt Schröder. Die Zustimmung der eigenen Leute habe ihn damals angetrieben. „Es ist nichts verloren, wenn man es nicht selber verloren gibt.“ Rampensau-Qualität sei jetzt gefragt. Ob Schulz die hat, muss er am Sonntag im TV-Duell gegen Merkel beweisen.
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