Ob Rente, Steuern oder Gesundheit: In Deutschland gibt es großen Reformbedarf. Für FOCUS Online haben führende Ökonomen exklusiv aufgeschrieben, was sie von der neuen Bundesregierung fordern.
Was muss die neue Bundesregierung nach der Wahl anders machen? Was sind die drängendsten Probleme? FOCUS Online hat Deutschlands Top-Ökonomen gebeten, ihre ganz eigene Wunschliste für die nächste Legislaturperiode zusammenzustellen. Hier antwortet Clemens Fuest, Direktor des Münchner Ifo-Instituts:
Wunsch 1: Steuerpolitik
"Im Bereich der Steuerpolitik sollte die Politik die Einkommensteuer senken und den Schwerpunkt der Entlastung im Bereich des Mittelstandsbauches legen. Aber das darf nicht alles sein. Nötig ist außerdem eine Reform der Kommunalfinanzen. Die Gewerbesteuer sollte entfallen und durch einen Zuschlag zur Einkommen- und Körperschaftsteuer ersetzt werden. Zur Vereinfachung des Steuersystems sollte der ermäßigte Mehrwertsteuersatz abgeschafft und der Normalsatz gesenkt werden.
Bei der Erbschaftsteuer sollten Ausnahmen abgeschafft und ein einheitlicher Steuersatz von acht bis zehn Prozent eingeführt werden. Bei der Grunderwerbsteuer haben viele Länder in den letzten Jahren die Steuersätze drastisch erhöht. Die Regelungen des Bundesfinanzausgleichs begünstigen diese Steuersatzerhöhungen, weil sie die Bundesländer für eine sinkende Bemessungsgrundlage, also weniger Immobilienkäufe, kompensieren. Diese Steuererhöhungsanreize sollten abgebaut werden."
Wunsch 2: Digitalisierung
"Beim Thema Digitalisierung sollte die Politik sich weniger auf die Infrastruktur konzentrieren und lieber Regulierungen abbauen, die digitalisierte Geschäftsmodelle behindern. In Deutschland ist die digitale Infrastruktur wie etwa die Breitbandversorgung vergleichsweise gut. Schlecht schneidet Deutschland bei der Nachfrage ab. Das liegt vor allem an innovationsfeindlichen Regulierungen. Unternehmen der Sharing Economy im Bereich der Vermietung oder der Taxidienste (Airnb, Uber) werden ebenso durch Regulierungen behindert wie etwa Online-Dienste im Gesundheitsbereich.
Deutschland kann seinen Rückstand im Bereich der digitalen Wirtschaft nur überwinden, wenn hier gezielt dereguliert wird. Hinzu kommt, dass die öffentliche Verwaltung selbst unzureichend digitalisiert ist. Die neue Bundesregierung sollte gemeinsam mit den Ländern eine Offensive zum Ausbau von e-Government unternehmen."
Wunsch 3: Schädliche Reformen unterlassen
"Wichtig wäre außerdem, dass die Politik schädliche Dinge unterlässt, die in den Wahlprogrammen einiger Parteien stehen. Die Einführung einer Nettovermögensteuer würde zu einer Kapitalflucht führen und das Wirtschaftswachstum in Deutschland schädigen. Eine restriktivere Regulierung von befristeten Beschäftigungsverhältnissen und Leiharbeit würde die Beschäftigungschancen vor allem niedrig qualifizierter Arbeitnehmer beeinträchtigen. Einebeitragsunabhängige Grundrenteoder die Fixierung des Rentenniveaus auf 48 Prozent des Nettoeinkommens würde den Zusammenhang zwischen Beiträgen und Rentenhöhe schwächen und.
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Ein Fehler wäre auch die Zentralisierung der Bildungspolitik und die Abschaffung von Kindergartengebühren. Die föderale Vielfalt der Bildungspolitik erlaubt es, in der Bildungspolitik unterschiedliche Wege zu gehen und über den Weg des Wettbewerbs etwas darüber zu lernen, welche Ansätze erfolgreich sind und diese durchzusetzen. Die Abschaffung von Kindergartengebühren würde vor allem gut verdienende Eltern entlasten und dem Bildungssystem Geld entziehen, das dringend gebraucht wird. Es ist besser einkommensabhängige Kindergartengebühren beizubehalten und außerdem Studiengebühren zu erheben, um mehr Bildungsinvestitionen zu finanzieren."
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