Wer glaubt, dass sich Kanzlerin Angela Merkel in diesen Tagen voll in die Verhandlungen für eine bevorstehende Jamaika-Koalition stürzt, der irrt. Für Merkel steht wieder Wahlkampf im Terminkalender.
Am Mittwochabend stand sie bereits in Hildesheim auf der Bühne. „Ich bin gekommen, um die Unterstützung zurückzugeben“, sagte Merkel. „Jetzt geht es um Niedersachsen!“
In Niedersachsen wird in zweieinhalb Wochen ein neuer Landtag gewählt. Nicht nur für die Kanzlerin geht es von einer heißen Wahlkampfphase in die nächste. Der Grund ist Elke Twesten: Die ehemalige Grünen-Abgeordnete war im August zur CDU gewechselt. SPD-Ministerpräsident Stephan Weil fehlt seitdem die Regierungsmehrheit. Daraufhin löste sich der Landtag selbst auf und machte den Weg für vorgezogene Neuwahlen frei. Was bedeutet die Wahl in Niedersachsen für den Bund?
Parteien haben Sorge, ihr Ergebnis zu vermasseln
Die bevorstehende Landtagswahl am 15. Oktober lähmt die Koalitionsverhandlungen. Die Parteien halten sich mit konkreten Aussagen zurück – aus Sorge, ihr Ergebnis zu vermasseln. Denn: Auch in Niedersachsen drohen unklare Verhältnisse. Sowohl die Linken als auch die AfD werden vermutlich in den Landtag einziehen. Für die Volksparteien bedeutet das Verluste.
Bei der Bundestagswahl stimmten 34,9 Prozent der Niedersachsen für die CDU, 27,4 Prozent für die SPD. Die AfD kam am 24. September auf 9,1 Prozent, die Linken auf 6,9. Schwarz-Gelb gilt in Niedersachsen als unwahrscheinlich. Auch für Rot-Grün wird es nicht reichen. Sowohl die SPD als auch die CDU favorisieren aber diese Koalitionen. Schnelle Gespräche über eine Jamaika-Koalition im Bund können beide Parteien daher nicht gebrauchen.
Im Video: Ex-SPD-Fraktionschef Oppermann: Merkels Rückzug wäre Option für GroKo
Für alle Parteien steht bei der Wahl in Niedersachsen viel auf dem Spiel:
CDU will schwaches Unions-Ergebnis in anderes Licht rücken
Die CDU um Parteichef Bernd Althusmann will die Wahl für sich entscheiden. Sollte ein Sieg gelingen, könnte der das schwache Unions-Ergebnis bei der Bundestagswahl in ein anderes Licht rücken und Merkel für die bevorstehenden Koalitionsverhandlungen stärken. Eine Niederlage wäre dagegen umso schmerzhafter und würde Merkels Position in den bevorstehenden Koalitionsverhandlungen mit FDP und Grünen weiter schwächen.
SPD will Schulz vor weiterer Niederlage bewahren
Die SPD hofft, ihren knappen Rückstand zur Union noch aufholen zu können. Sollte der SPD es gelingen, erneut stärkste Kraft zu werden, würde das auch der SPD im Bund neuen Rückenwind geben. Rechnerisch möglich wäre auch eine Ampel aus SPD, FDP und Grünen, mit der sich Ministerpräsident Stephan Weil an der Macht halten könnte. Sollte die SPD den Posten des Ministerpräsidenten in Niedersachsen allerdings verlieren, wäre das nach den Wahlen im Saarland, in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen die vierte Niederlage in Folge und Martin Schulz als SPD-Chef würde weiter geschwächt.
Landes-FDP sieht Jamaika in Niedersachsen nicht
Die FDP sieht sich zwar angesichts der eigenen Ergebnisse bei der Bundestagswahl gut für Niedersachsen aufgestellt. Für den Generalsekretär der Landes-FDP, Gero Hocker, sei eine Koalition mit den Grünen allerdings kaum denkbar. „Ich sehe mit den Grünen wenig inhaltliche Übereinstimmungen; die Gräben sind tief, etwa bei den Themen Landwirtschaft, Inklusion und Verkehrspolitik. Er könne sich nur schwer vorstellen, dass eine große Koalition in Berlin schon komplett vom Tisch sei, sagte er am Montag – auch ein Grund, warum sich die Bundes-FDP zunächst zurückhält.
Grüne verschieben Bundes-Parteitag
Die Grünen haben einen für den 22. Oktober geplanten Parteitag bereits verschoben. Eigentlich sollte dort eine neue Parteispitze gewählt werden. Doch der Termin erscheint den Grünen nun offenbar viel zu früh. Über Koalitionsverhandlungen im Bund wird am 22. Oktober kaum abgestimmt werden können.
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