Die amerikanische Regierung greift das Abkommen mit dem Iran mit Beginn des neuen Jahres wohl ernsthaft an.
Nach Aussagen von Andrea Mitchell, einer erfahrenen und gut vernetzten amerikanischen Journalistin, beim Sender PBS fanden im State Department schon Gespräche auf Botschafterebene statt, in denen es darum ging, wichtige europäische Regierungen, deren Länder an den Iranverhandlungen teilgenommen haben, davon zu überzeugen, dass gewisse Nach- oder Neuverhandlung mit dem Iran nötig seien. Das soll 2018 geschehen.
Schärfere Kontrollen angestrebt
Diese Nachverhandlungen sollen zu schärferen Kontrollen im Iran führen. Sie haben aber auch den Zweck zu verhindern, dass Mitte Januar der ganze Vertrag durch einseitiges amerikanisches Vorgehen beendet wird. Präsident Trump muss im Abstand von drei Monaten erklären, ob sich Iran an den Vertrag hält.
Schon bei der letzten Zertifizierung wurde erwartet, dass er den Vertrag beendet. Das geschah noch nicht. An den Gesprächen haben nach Aussage von Andrea Mitchell neben den USA die Botschafter Frankreichs, Großbritanniens und Deutschlands teilgenommen. Sie sind neben der EU, Russland und China Vertragspartei.
Über den Experten
Prof. Dr. Thomas Jäger ist seit 1999 Inhaber des Lehrstuhls für Internationale Politik und Außenpolitik an der Universität zu Köln. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in internationalen Beziehungen sowie amerikanischer und deutscher Außenpolitik.
Vor der letzten Entscheidung des amerikanischen Präsidenten am 15. Oktober, die absehbar kritisch auszufallen drohte, trafen sich die Botschafter Frankreichs, Großbritanniens und Deutschlands sowie der EU schon mit mindestens 30 Senatoren, um für das Abkommen mit dem Iran zu werben. Denn wenn der amerikanische Präsident den Vertrag dezertifiziert, also erklärt, dass sich Iran nicht an das Abkommen hält, liegt der Streitfall im Senat, der darüber entscheiden muss, wie weiter verfahren wird. Dies wurde befürchtet, weshalb die europäischen Botschafter den Senatoren ihre Position erläutern wollten.
Ungeklärtes regeln, aber nicht neu verhandeln
Presseberichten zufolge wiesen die europäischen Botschafter bei dem Treffen im Kapitol darauf hin, dass das Abkommen Inspektionen militärischer Anlagen keineswegs ausschließe und sich der Iran dem nicht grundsätzlich verweigert habe. Außerdem seien der Iran, aber auch Russland und China, als weitere Vertragsstaaten, kategorisch dagegen, die Verhandlungen wieder aufzugreifen. Deshalb sei es nicht möglich, die Gespräche über den Vertragsinhalt wieder zu öffnen, sehr wohl aber könne man über Fragen sprechen, die vom Vertrag nicht abgedeckt werden.
Präsident und Berater uneins
Viele Senatoren beabsichtigen gar nicht, die Beziehungen zum Iran zu eskalieren, weil ihnen von Trumps Sicherheitsberatern, dem Außen- und Verteidigungsminister ebenso wie von seinem Nationalen Sicherheitsberater erläutert wurde, dass es für die Sicherheit der USA von Vorteil wäre, wenn der Vertrag bestehen bleibt. Das ist eine schwierige Lage, in der die Haltung des Präsidenten nicht mit der seiner Berater übereinstimmt.
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Das war schon in mehreren Fällen so, etwa bei der NATO-Politik und bisher hat sich der Präsident dann in der Sache, wenn auch nicht in der Wortwahl häufiger seinen Beratern angeschlossen. Aber keineswegs immer. Zudem scheint für Präsident Trump die Feindschaft zu Iran, die er bei seinem ersten Auslandsbesuch dokumentierte, als er die arabischen Staaten aufforderte, den Iran zu isolieren, ein fester Bestandteil seines Verständnisses der internationalen Lage zu sein.
Trumps Drohung: Der Vertrag platzt, wenn jetzt nichts geschieht
Die Befürchtungen der europäischen Regierungen haben sich am 15. Oktober dann nicht ganz erfüllt. Präsident Trump dezertifizierte den Vertrag nicht, wies aber sehr wohl darauf hin, dass der Iran gegen den Geist des Abkommens verstieß. Obwohl die Internationale Atomenergie-Organisation, die europäischen Regierungen, ja Trumps eigene Regierung feststellte, dass der Iran den Vertrag befolgt, erklärte der Präsident, dass es vielfache Verstöße gebe.
Deshalb forderte er vom Kongress und den anderen Vertragsparteien eine striktere Politik gegenüber dem Iran. Sollten sie sich hierzu nicht verstehen, würden die USA den Vertrag aufkündigen. Ohne die Vertragspartei USA ist das Iran-Abkommen nichts wert, auch wenn darauf hingewiesen wird, dass es ja weitere Vertragsparteien gibt. Denn der Iran hat erklärt, aus dem Vertrag auszusteigen, wenn die USA dies tun. Alle Einlassungen anderer Verantwortlicher sind damit wertlos.
Längere Entwicklung
Dieses Dilemma zeichnet sich schon länger ab. Im Wahlkampf hatte Präsident Trump den Vertrag mit dem Iran stets als besonders schlecht und einseitig bezeichnet und die Administration Obama dafür heftig kritisiert. Zweimal hatte er vor dem 15. Oktober den Vertrag zertifiziert, sich im Juli allerdings heftig darüber beschwert, dass sein Sicherheitskabinett ihm nicht mehr Handlungsoptionen ausgearbeitet hat.
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Das Ergebnis dieser Überlegungen in Trumps Kabinett war, Verhandlungen mit dem Iran anzustreben, um schärfere Kontrollen zu vereinbaren. Dies aber mit der Drohung zu verbinden, den Vertrag für nichtig zu erklären.
Eine politische Zwickmühle
Für die europäischen Regierungen ist dies eine politische Zwickmühle. Sie stehen fest zu dem Abkommen mit dem Iran und wollen es auf jeden Fall erhalten, weil sie andernfalls eine Eskalation, möglicherweise eine nukleare Aufrüstung im Mittleren Osten befürchten. Der Vertrag scheint aber nur zu schärferen Bedingungen erhalten werden können, wie es Präsident Trump im Wahlkampf angekündigt hat. Er ist hier zudem nicht gebunden. Die Entscheidung, den Vertrag zu verlassen, liegt letztlich bei ihm alleine.
Schärfere Bedingungen, Kontrollen und Sanktionen, könnten aber die Integration des Iran in die internationalen Beziehungen weiter aussetzen. Sie könnten dann in Teheran die Befürchtungen auslösen, die es gerade zu zerstreuen galt. Dass in der Berichterstattung von CNN davon gesprochen wird, dass die Kriegsgefahr zwischen den USA und dem Iran dann steigen würde, scheint aber weit überzogen zu sein.
Bei den europäischen Regierungen ist jetzt Fingerspitzengefühl und Kreativität gefragt. Das sind rare Güter in der Politik. Wie groß der Einfluss europäischer Regierungen ist, wird sich im Januar zeigen. Ebenso, wie stark sich die USA im zweiten Amtsjahr von Präsident Trump durchsetzen können.
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