Im Islam dürfen Männer bis zu vier Frauen heiraten, in Deutschland ist Polygamie jedoch verboten. Als ein syrischer Flüchtling nun seine Zweitfrau und die gemeinsamen vier Kinder zu sich nach Schleswig-Holstein holen durfte, war der Aufschrei groß. Vom Sittenverfall und dem Verlust deutscher Kultur war in sozialen Medien die Rede.
Doch wie sieht das Leben einer Zweitfrau tatsächlich aus? Khadiga - selbst nur mit einem Mann verheiratet - kennt einige Frauen aus ihrem Bekanntenkreis, die ihren Ehemann mit einer anderen teilen. Die Deutsche hat in einem Ägyptenurlaub ihren jetzigen Mann kennengelernt und ist 2012 in sein Heimatland ausgewandert. Dort ist Polygamie keine Seltenheit. Nun leben sie zusammen mit ihren zwei Kindern in einem kleinen Ort mit 20.000 Einwohnern, wo das Obst direkt von Eselkarren runter verkauft wird und jeder jeden kennt.
Khadiga hieß früher Christin. Sie trägt eine große weiße Brille und ein buntes Kopftuch. Ein halbes Jahr nach ihrer Auswanderung ist sie zum Islam konvertiert und hat sich selbst nach der ersten Frau des Propheten Muhammed benannt. Auf ihrem YouTube-Kanal „Die Deutsche am Nil“ beleuchtet sie ihr neues Leben in Ägypten. FOCUS Online verrät sie, wie das Konzept der Mehrfachehe funktioniert und wie es den Ehefrauen damit geht.
Die Nachbarin hat vier Kinder mit ihrem Mann, die zweite Frau fünf
Auch in Khadigas Straße lebt eine Frau, die sich ihren Mann mit einer anderen Frau teilt. Im ganzen Ort gäbe es etwa hundert Frauen, die sich ihren Ehemann teilen, erzählt Khadiga. Dabei dürfen Männer laut Koran bis zu vier Frauen haben. „Das scheitert aber oft am Finanziellen,“ sagt Khadiga. Denn nach islamischen Regeln dürfe ein Mann nur weitere Frauen heiraten, wenn er alle gleich behandeln könne.
Der Mann von Khadigas Nachbarin hat zwei Frauen. Sie leben aber nicht alle zusammen in einem Haus, sondern zehn Kilometer voneinander entfernt. Die Nachbarin hat vier Kinder mit ihrem Mann, die zweite Frau fünf. Der Mann besucht beide Frauen abwechselnd. Befreundet seien die Ehefrauen aber nicht miteinander: „Sie haben leider seit einigen Jahren Streit,“ erzählt Khadiga. Mit Eifersucht hätte das aber nichts zu tun. Anders sehe das Verhältnis der Halbgeschwister aus: „Sie respektieren sich und helfen sich auch bei Problemen. Für sie fühlt es sich an, als wären sie Cousins. Sie gehören zur Familie, wohnen aber dennoch nicht im gleichen Haus.“
„Ich habe eine Nachbarin, die wünscht sich eine Zweitfrau
Es gebe aber auch Haushalte, wo beide Frauen die besten Freundinnen geworden sind. In ihrem Umfeld, gibt Khadiga zu, habe sie das aber noch nicht erlebt. Dafür kennt sie eine Ägypterin, die in ihrer Rolle als Zweitfrau sehr unglücklich ist: „Sie liebt ihren Ehemann und will ihn eigentlich nicht teilen. Aber sie hat ihn so akzeptiert.“ Hätte sie ihn nicht geheiratet, würde sie noch immer bei ihren Eltern leben und keine Kinder haben, erzählte sie der Auswanderin.
Manche Frauen sehen in der Polygamie auch einen Vorteil: „Ich habe eine Nachbarin, die wünscht sich eine Zweitfrau, da ihr Ehemann ihr auf den Wecker geht,“ sagt Khadiga. „Sie wäre super zufrieden, wenn er auch mal außerhalb übernachten würde. Leider fehlt ihnen dazu das Geld.“
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Frauen müssen eine Zweitfrau nicht akzeptieren
Andersrum könne aber keine Frau gezwungen werden, ihren Ehemann zu teilen. „Es gibt auch Frauen, die eine Zweitfrau niemals akzeptieren würden,“ erzählt Khadiga. „Es ist im Islam so geregelt, dass die erste Frau unterrichtet werden muss. Wenn sie der Doppelehe nicht zustimmt, dann kann sie sich scheiden lassen.“
Ob sie sich vorstellen könnte, eine polygame Ehe einzugehen? „Für mich käme das überhaupt nicht in Frage!“ Bevor Khadiga ihren Mann heiratete, habe sie das Thema mit ihm besprochen. „Sobald er sich eine zweite Frau wünscht, werde ich die Scheidung einreichen. Mein Mann wäre mit zwei Frauen eh überfordert.“
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