Die gute Nachricht zuerst: Die vielen verbalen Attacken, die US-Präsident Donald Trump im ersten Jahr seiner Amtszeit geritten hat, gerade auch in der Handelspolitik, haben die Weltwirtschaft nicht abgewürgt.
Die US-Wirtschaft läuft gut – allerdings hat die Weichen dafür Trumps Vorgänger Barack Obama nach der Finanzkrise gestellt. Dank des Rückenwinds der US- und Weltkonjunktur insgesamt boomt der deutsche Außenhandel und damit auch die heimische Wirtschaft. Dies sorgt hierzulande für eine glänzende Beschäftigungssituation, steigende Einkommen sowie volle Staatssäckel und Sozialkassen.
Trotz aller Erfolgsmeldungen sind wir nicht so euphorisch, wie man angesichts der guten Zahlen denken könnte. Denn um uns herum brodelt es kräftig. Europa und die Welt sind in Unordnung, und die guten Zahlen überlagern eine ganze Reihe von globalen Herausforderungen: die mit Siebenmeilenstiefeln voranschreitende Digitalisierung, die weltweiten Bedrohungen für den regelbasierten internationalen Handel, die zukunftsfähige Ausgestaltung der EU. Dazu der Brexit, den der Internationale Währungsfonds (IWF) als größte Gefahr anführt, sowie der zunehmende Wirtschaftsprotektionismus.
Es entsteht ein weltweiter Steuerwettbewerb
Mit der von Trump geplanten und kurz vor Weihnachten verabschiedeten Steuerreform in den USA wird darüber hinaus ein weltweiter Steuerwettbewerb ganz neuer Qualität entstehen. Die geplanten Steuersenkungen werden die USA für Investoren – auch deutsche – noch attraktiver machen. Die niedrigen Steuersätze, gezielte steuerliche Anreize bei Abschreibungen und zur Mobilisierung von Kapital für inländische Investitionen sowie die Entlastung des Mittelstands erhöhen die steuerliche Attraktivität. Länder wie beispielsweise Großbritannien, Frankreich oder auch Österreich haben bereits angekündigt, ihrerseits mit Steuersenkungen zu folgen.
Deutschland und auch andere Länder werden reagieren und sich diesem internationalen Steuerwettbewerb stellen müssen. Schließlich sind inzwischen Steuern sowie die aus der Energiewende resultierenden Belastungen für die Unternehmen maßgeblicher als die Personalkosten und somit ein entscheidender internationaler Wettbewerbsfaktor. Und im Gegensatz zu den USA haben wir das Geld und müssen keine neuen Schulden machen, um Mittelstand und Bürger ein Stück weit zu entlasten. Das versetzt unser Land in eine viel bessere Ausgangsposition als andere Staaten, die wir nutzen müssen.
Deutschland braucht eine Politik mit Weitblick
Schon in den vergangenen zwei Legislaturperioden konnte sich die Politik nicht zu grundlegenden, vorausschauenden Zukunftskonzepten durchringen. Entscheidende Modernisierungen des Steuerrechts – wie die Unternehmenssteuerreform 2008 – liegen lange zurück. Aber die Steuerpolitik von 2008 kann nicht ernsthaft unsere Antwort auf die Herausforderungen im Jahr 2020 sein. Denn die Welt um uns herum verändert sich einfach zu schnell.
Gefordert ist deshalb eine Politik mit Weitblick, die langfristige Perspektiven in Zeiten kurzfristig erhoffter Erfolge schafft – und nicht nur bis zur nächsten Wahl, sondern weit über eine Legislaturperiode hinausweist. Die Ergebnisse der Sondierungsgespräche von Union und SPD geben leider keine überzeugende Antwort auf diese Herausforderungen.
Zur Person: Holger Bingmann (56) ist seit 2017 Präsident des Bundesverbandes Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen .
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