Horst Seehofer als Super-Innenminister – schon dieser Plan hatte für Aufsehen gesorgt. Umso genauer wurde hingehört, als der scheidende Innenminister Thomas de Maizière öffentlich daran zweifelte, ob ein so aufgeblasenes Ressort gut zu führen sei – zumal von einem Nicht-Juristen wie Seehofer. Auf die vernichtende Kritik folgte der nächste Paukenschlag, diesmal aus München.
Bei einem Auftritt am Montag säte Seehofer plötzlich selbst Zweifel daran, dass er das Amt wie geplant antritt. Sein Wechsel nach Berlin sei „hoch wahrscheinlich“, aber nicht „endgültig sicher“, sagte er. Der genaue Ressortzuschnitt müsse noch festgelegt werden.
In ein paar Tagen werde man sehen, „ob es mit mir zu einer Regierungsbildung kommt oder ohne“. Auf Nachfrage betonte Seehofer, seine Ausführungen seien „keine Drohung“. Gleichzeitig erinnerte er jedoch an den früheren bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber, der 2005 auch ein „Super-Minister“ eines erweiterten Wirtschaftsministeriums werden sollte. Als Stoiber seine Vorstellungen nicht durchsetzen konnte, warf er entnervt das Handtuch.
Aussagen fielen kurz vor Unions-Gesprächen
Das Ergebnis des Seehofer-Auftritts: Alle rätselten, ob der 68-Jährige sich eine Hintertür offen hält und sich in letzter Minute aus dem Bundeskabinett verabschiedet. Seine Aussage, er spreche keine Drohung aus, könnte durchaus auch das Gegenteil bedeuten und den Zweck haben, den Verhandlungsdruck zu erhöhen, damit sein zukünftiges im Ressort ihm so übergeben wird, wie er sich das wünscht. Am Wochenende soll es dazu unionsinterne Gespräche geben.
CSU-Landesgruppenchef Andreas Dobrindt war jedenfalls bemüht, Ängste zu zerstreuen, Seehofer könne kurz vor Amtsantritt einen Rückzieher machen. Er bemühte sich, den Auftritt als emotionale Reaktion auf die harsche Kritik de Maizières darzustellen. „Wir leben in einer Phase der sensiblen Betrachtung der zwischenzeiligen Töne“, sagte Dobrindt. Allerdings erwarteten Seehofer und die CSU, dass die getroffenen Vereinbarungen zum Innen- und Heimatministerium eingehalten würden. Das auf Seehofer getrimmte Innenministerium und die restriktivere Flüchtlingspolitik sind die CSU-Marken, die die Partei im Koalitionsvertrag setzen konnte. Auf deren Umsetzung pocht die Partei nun. Um zu rechtfertigen, dass ein bayerischer Ministerpräsident als Bundesinnenminister nach Berlin wechselt, wurde das Ressort überhaupt erst um die für die CSU interessanten Bereiche „Heimat und Bauen“ erweitert.
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Seehofer-Rückzug wäre fatal für CSU
In dieser Situation wäre ein Rückzug Seehofers aus der Regierung fatal für die CSU. Kein Wunder also, dass Landesgruppenchef Dobrindt versucht, die Äußerungen des Parteichefs einzufangen. Schließlich wollen die Christsozialen im Herbst eine Landtagswahl gewinnen.
Schließlich hatte man gerade erst das Hin und Her über die Seehofer-Nachfolge überwunden. Dauerkonkurrent Markus Söder soll das Zepter in München übernehmen und Ministerpräsident werden, Seehofer dafür auf einen ausreichend prestigereichen Posten wechseln und langfristig auch den CSU-Vorsitz abgeben. Dieses mühsam austarierte Gleichgewicht wäre wieder in Gefahr, würde Seehofer hinwerfen.
Er liebt solche Auftritte
Für den Noch-CSU-Chef wäre es schwer, einen solchen Schritt der eigenen Partei zu erklären. Schließlich hatte er immer wieder gesagt, wie wichtig ihm und seinen Parteifreunden der Sieg bei der kommenden Landtagswahl ist. Hinzu kommt: Das Amt in Berlin ist aller Voraussicht nach sein letzter politischer Karrierehöhepunkt. Ohne Ministeramt und bald auch ohne den Job als Parteichef stünde Seehofer vor dem Nichts.
Nicht wenige erklären sich Seehofers Fragezeichen-Auftritt schlicht damit, dass der 68-Jährige genau solche Momente liebt: Er genießt es, wenn Freund wie Feind nicht so genau wissen, womit man bei ihm rechnen muss.
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