Als „den Mann mit den Haaren im Gesicht“ bezeichnet Sigmar Gabriels Tochter den Noch-SPD-Chef Martin Schulz. Dank des „Mannes mit den Haaren im Gesicht“ darf sie bald mehr Zeit mit ihrem Vater, derzeit noch Außenminister, verbringen: Denn Schulz schnappt ihm den Außenminister-Job weg. Es brodelt in der SPD. So kommentiert die deutsche Presse den Personalwechsel.
„Diese Regierungsbildung lässt einen traurig zurück“
Neue Osnabrücker Zeitung: „Diese Regierungsbildung lässt einen traurig zurück. Sie illustriert politische Doppelmoral par excellence. Der König dieser Disziplin heißt Martin Schulz. Erst will er mit seiner SPD gar nicht mitregieren, dann doch, erst will er nicht ins Kabinett, dann bootet er den beliebtesten Vertreter seiner Partei aus, um sich nicht daran zu halten.
Damit nicht genug: Während die SPD-Mitglieder bis an verfassungsrechtliche Grenzen hinan basisdemokratisch über den Koalitionsvertrag befinden sollen, ruft Schulz ausgerechnet für den Vorsitz der altehrwürdigen SPD mal eben Andrea Nahles im Alleingang aus. Hatte er nicht selbst einmal versprochen, die SPD erneuern zu wollen? Das will zwar auch keiner mehr, aber wenn er es nicht schafft, warum geht er nicht ganz? Erbärmlich.“
„Das Problem hat einen Namen: Martin Schulz“
Allgemeine Zeitung (Mainz): „Was ist nur los mit der SPD? Wer sich an der Basis umhört, trifft auf Gemurre, Unzufriedenheit, teils Wut. Die 'einfachen' Parteimitglieder sind fassungslos über das, was sich derzeit in Berlin abspielt. 'Doppelter Wortbruch' ist noch das Harmloseste, was man am Telefon hört. Das Problem hat einen Namen: Martin Schulz.
Nach allem, was man aus Verhandlungskreisen hört, muss der Mann aus Würselen einen dramatischen Autoritätsverlust erlitten haben. Nicht Schulz gab den Takt vor, es waren Nahles, Scholz und Co. Selbst die Kanzlerin, so wird kolportiert, nehme den Bald-Nicht-Mehr-SPD-Vorsitzenden nicht mehr ernst. Dabei stoßen sich die Genossen nicht unbedingt an den Verhandlungsergebnissen. Für viele geht es schlicht um Glaubwürdigkeit.
Da wird der Hoffnungsträger mit 100 Prozent der Stimmen zum Parteichef gewählt, kündigt an, nicht in ein Kabinett Merkel zu gehen und auf keinen Fall die große Koalition anzustreben. Und die Partei zu erneuern. Alles Makulatur, jetzt winkt das Außenministerium. Aus Sicht der Sozialdemokraten hat sich da in der Nacht zum Mittwoch, ausgerechnet im Konrad-Adenauer-Haus, ein mittleres Erdbeben ereignet. (...) Das Bild, das die SPD derzeit abgibt, ist nicht gut für die Demokratie.“
„Martin Schulz hat die Bürger hinters Licht geführt“
Nordwest-Zeitung (Oldenburg): „Martin Schulz hat die Bürger hinters Licht geführt. 'In eine Regierung von Angela Merkel werde ich nicht eintreten. Ganz klar', hatte er am 25. September 2017 getönt. Nun will er Außenminister werden.
Menschlich ist das verständlich, ist es doch für Martin Schulz der letzte Rettungsanker, um auf der politischen Bühne weiter wahrgenommen zu werden. Denn den SPD-Vorsitz hätte er demnächst wohl ohnehin verloren. Schulz’ Kehrtwende könnte allerdings zwei fatale Folgen haben: Zum einen schadet er massiv dem Ansehen von Politikern allgemein. Zum anderen könnte die Causa Schulz die Zustimmung der SPD-Basis zum Koalitionsvertrag verhindern.“
„Das hinterlässt einen faden Beigeschmack“
Emder Zeitung: „Er zählt zu den beliebtesten SPD-Politikern im Lande, hat nach Meinung vieler auch den Job als Außenminister sehr gut gemacht und wird nun abserviert: Sigmar Gabriel ist der Verlierer in der neuen Großen Koalition, sollte sie denn zustande kommen. Das ist bedauerlich, denn Gabriel hat eine sehr gute Figur bei der Außendarstellung Deutschlands gemacht.
Dass er unbequem ist, hat Gabriel bei vielen Gelegenheiten gezeigt. Dass er ausgerechnet von demjenigen auf das Abstellgleis verbannt wurde, dem er den Weg an die Spitze der SPD geebnet hat, hinterlässt einen faden Beigeschmack.“
„Der Schaden dieses Ego-Trips könnte groß sein“
Handelsblatt (Düsseldorf): „Noch-SPD-Chef Martin Schulz will seine Karriere nicht auf ihrem Tiefpunkt beenden und seine Reputation im Außenministerium wieder herstellen. Menschlich nachvollziehbar. Doch Mitleid ist fehl am Platz. Schulz wurden Kanzlerkandidatur und Parteivorsitz nicht aufgenötigt, er drängte mit Wucht danach. Beides war eine Nummer zu groß für ihn.
Das hätte er nach der Wahl erkennen und zurücktreten müssen. Stattdessen ließ er sich wiederwählen – um keine zwei Monate später den Parteivorsitz doch aufzugeben und ins Auswärtige Amt einzuziehen. Der Schaden dieses Ego-Trips könnte groß sein.“
„Noch nie gab es einen SPD-Vorsitzenden, der die eigene Partei so gering schätzte“
Die Welt (Berlin): „Wer Martin Schulz an seinen Worten misst, der muss verzweifeln. Oder vor Empörung beben, wenn er Sozialdemokrat ist. Und selbst wer kühlen Blutes bleibt, kann über die Rücksichtslosigkeit nur staunen, die Schulz gegenüber der eigenen Partei an den Tag legt.
Mit guten Gründen lässt sich sogar behaupten: Noch nie gab es einen SPD-Vorsitzenden, der die eigene Partei so gering schätzte und das Amt August Bebels und Willy Brandts derart schamlos für seine eigenen Belange ausnutzte wie der Mann aus Würselen. Von Schulz als Chef der SPD bleibt nicht mehr als seine tönende Hohlheit und der Scherbenhaufen, den er der Partei hinterlässt.“
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