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Wednesday, August 29, 2018

Demokratiezerfall in Kambodscha - Klima "wie in der DDR vor dem Mauerfall"

Demokratiezerfall in Kambodscha: Klima "wie in der DDR vor dem Mauerfall"
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Die Demokratie in Kambodscha ist endgültig gestorben. Im südostasiatischen Land herrschen vielerorts Unsicherheit und Angst. Ein Einheimischer, der eine Vergangenheit in Ostdeutschland hat, vergleicht das Klima mit der Zeit unmittelbar vor dem Mauerfall in der DDR.

Tuktuks knattern über löchrigen Asphalt. Rush Hour in den engen Straßen Phnom Penhs. Heißfeuchte, von Abgasen geschwängerte Luft hängt wie ein vollgesogener Lappen über der Hauptstadt Kambodschas.

Am letzten Sonntag des Julimonats ist hier die Demokratie endgültig gestorben. Die Cambodian People’s Party (CPP) ruft ihren Wahlsieg aus, beansprucht alle 125 Parlamentssitze für sich. Premierminister Hun Sen bleibt auch nach 33 Jahren Amtszeit an der Macht.

"Die Situation hier hat sich dramatisch verändert", sagt Naly Pilorge, Direktorin der kambodschanischen Menschrechtsorganisation Licadho. Pilorge hat sich mit drei westlichen Journalisten in ihren Büroräumen in einer Seitenstraße abseits der knatternden Tuktuks verabredet. Von den Wänden bröckelt Putz.

"Allein in den letzten Monaten hat die Regierung mehr als 2000 Oppositionelle, Journalisten und Kritiker aus politischen Gründen in Gefängnis geworfen. Presse-, Meinungs- und Versammlungsfreiheit werden massiv eingeschränkt. Hätten wir hier wirklich faire freie Wahlen, würde die Opposition mit hoher Wahrscheinlichkeit gewinnen“, sagt Pilorge.

Kambodschaner zieht DDR-Vergleich

Eine kambodschanische Familie, die dem Autor dieses Texts gut bekannt ist, bricht jeglichen Kontakt ab. Der Mann, der eine Vergangenheit im früheren Ostdeutschland hat, schreibt: "Stell dir vor ein ausländischer Journalist stellt den Leuten in der DDR politisch brisante Fragen sechs Monate vor dem Mauerfall. So ist das momentan hier. Wir schämen uns dafür, solche Angst zu haben. Aber wenn etwas schief geht, sind wir es, die hier weiter leben müssen. Also keine Telefonate, keine Gespräche, keine weiteren Mails. Das Land, das du besuchst, ist nicht mehr das von vor zwei Jahren. Pass auf deinen Arsch auf."

Vor gar nicht allzu langer Zeit hat diese Familie noch von einem freien demokratischen freien Kambodscha geträumt, in dem ihre zwei Kinder die realistische Chance auf ein besseres Leben haben.

Kambodscha wähnte sich ohnehin in einem Aufschwung nach Jahrzehnten des Horrors. Von 1975 bis 1979 ermordeten die Roten Khmer im kommunistischen Regime von Pol Pot über zwei Millionen ihrer Landsleute. Das entspricht über einem Viertel der damaligen Gesamtbevölkerung.

Kambodschaner töteten Kambodschaner. In Foltergefängnissen und auf sogenannten Killing Fields, wo sie Männer und Frauen mit stumpfen Gegenständen in Massengräber knüppelten. Deren Babys packten die Soldaten der Roten Khmer an den kleinen Füßen, holten aus und – im früheren Killing Field Cheung Ek erzählen bunte Bändchen an einem massigen Baumstamm die schaurige Geschichte zu Ende.

Vietnam befreite das Land von dieser Schreckensherrschaft. Die letzten Kader der Roten Khmer ergaben sich nach einem langwierigen Guerilla-Krieg aber erst 1998.

Die ersten demokratischen Wahlen in Kambodscha fanden unter Aufsicht der UN schon 1993 statt. Der als Staatsoberhaupt bestätigte Premierminister Hun Sen leitete fortan einen Wirtschaftsaufschwung ein. Kambodscha fand wieder Glauben an die eigene Nation. Doch mit dem Geld kam auch die Gier.

Kambodscha: "Korruptestes Land Asiens"

Pilorge bezeichnet Kambodscha inzwischen als das korrupteste Land Asiens. Die Parteiführung habe durch ihre Steuerpolitik, ausländische Investoren und Tourismus "enormen Reichtum" angesammelt. Vor den Ministerien parken dicke SUVs. Die CPP-Führung wohnt in schmucken Kolonialvillen. Die Kambodschaner auf dem Land leben hingegen in rostigen Wellblechhütten, die auch mal Wohnzimmer und Viehstall in einem sind.

Hinzu kommt eine drastische Entdemokratisierung im südostasiatischen Land. Die Medien sind nahezu gleichgeschaltet. Mehr als 30 unabhängige Radiostationen wurden geschlossen. Insbesondere die Landbevölkerung hat so keine Möglichkeit zur kritischen Informationsbeschaffung. Die Regierung hat freie Zeitungen mit hohen Steuerbescheiden und Gerichtsverfahren in die Insolvenz getrieben - oder einfach übernommen.

Die einst unabhängige Phnom Penh Post wird inzwischen von einem CPP-Mitglied gesteuert, das fünf Jahre lang in Hun Sens Kabinett saß. Die Berichterstattung gleicht zunehmend Propaganda für die Regierung, es gibt keine kritischen Beiträge mehr. So berichten es ausländische Journalisten in Kambodscha.

Auf dem Papier gibt es zwar 19 Oppositionsparteien. Doch sie gleichen Splittergruppen - ohne finanzielle Mittel, ohne charismatische Anführer und ohne Ansehen in der Bevölkerung. Acht Parteien sind nicht mal zwei Jahre alt.

Anders war das bei der Cambodia National Rescue Party (CNRP). Im Juli 2017 kam sie bei Kommunalwahlen auf 44 Prozent. Hun Sen ließ die Oppositionspartei mithilfe des gefügigen obersten Gerichtshofs wegen Verrats kurzerhand verbieten. CNRP-Mitglieder wurden verfolgt, inhaftiert und aus dem Land getrieben.

Indizien für Wahlbetrug

Ausländische Journalisten, Oppositionelle und unabhängige Beobachter befürchten darüber hinaus Wahlbetrug. "Momentan gibt es keine Beweise, aber klare Indizien", sagt Leonie Kijewski, die als freie Journalistin die Wahlen in Phnom Penh und Umgebung verfolgt hat. Früher arbeitete sie für die Phnom Penh Post, ehe sie im Mai im Zuge des Verkaufs der Zeitung an regierungsnahe Investoren kündigte.

Die Statistken zur Wahlbeteiligung etwa bezeichnet Kijewski als "auffällig". Den ganzen Tag ist sie mit Kollegen an Wahllokalen unterwegs. Menschenschlangen sieht sie selten. Trotzdem beträgt die Wahlbeteiligung laut der kambodschanischen Wahlaufsichtsbehörde "NEC" schon um 11 Uhr in Phnom Penh fast 60 Prozent Prozent.

Im Laufe des Tages steigen die Zahlen erst auf 70 und dann am späten Nachmittag sogar auf über 80 Prozent. Kijewski hat in diesem Zeitraum kaum Menschen an den von ihr beobachteten Wahllokalen gesehen. Diese enormen Anstiege ziehen sich durch alle 25 Wahlkreise in Kambodscha.

So viele Missstände, aber keine Proteste. Alles bleibt ruhig.

Warum bleiben Proteste aus?

Zu großen Teilen sind es Angst und Paranoia, die die Bevölkerung lähmen. Die Jahre des Bürgerkriegs sind unvergessen. Im Januar 2014 gab es ein Blutvergießen, als Sicherheitskräfte in einen Protestmarsch von unterbezahlten Textilarbeitern feuerten. Fünf Menschen starben.

Die kambodschanische Regierung überwacht Telefonate, E-Mails und Facebook.

Auf dem Land ist kritisches Denken vielerorts nicht existent. Schon in der Schule ist der Lehrer eine absolute Autoritätsperson. Was an der Tafel steht, darf nicht infrage gestellt werden. Die Klassenzimmer sind voll. Teils befinden sich über 100 Kinder in einem Raum.

Die Qualität der Bildung ist rückständig. Auf dem Land pusten Medizinmänner dreckigen Sand in die entzündeten Augen von Kindern. Wenn ein Kind an Dengue-Fieber erkrankt, stellen sie Vogelscheuchen vor dem Haus auf. Beides dient der Abschreckung der krankheitsverursachenden Geister.

Hinzu kommen Drohungen. Aus Kreisen von Menschenrechtsorganisationen ist von Hausbesuchen die Rede, in denen die Besucher deutlich machen, welche Partei zu wählen ist. Nachbarn misstrauen einander, scheuen politischen Austausch. Wer sich mit den leitenden Kommunalpolitikern der CPP oder Dorfoberhäuptern anlegt, bekommt Probleme mit der Anerkennung von Eigentum, Landkauf und Heirat.

Für lautstarke Andersdenkende besteht die Gefahr, die Freiheit zu verlieren. Ein Gefängnisaufenthalt in Kambodscha gleicht Folter. Menschen werden Nummern. Die Zellen sind überfüllt. Die wenige Nahrung ist kaum genießbar, medizinische Versorgung gibt es nicht. Mütter müssen ihre Kinder in Extremfällen mit ins Gefängnis nehmen, weil es niemanden gibt, der sich um sie kümmern kann. So schildert es Pilorge.

"Was sollen die Leute denn machen – mit Stöcken und Steinen werfen? Die andere Seite hat Flammenwerfer, Gas, Granaten und Maschinengewehre. Es ist doch klar, wer gewinnt",  sagt die Menschenrechtlerin zu den ausbleibenden Protesten.

Kambodscha baut auf seine Jugend

Kambodschas Gegenwart ist für sie verloren. "Es wird erst noch schlechter, bevor es besser werden kann." Pilorge zündet sich eine Zigarette an und nimmt einen tiefen Zug. Ihre Hoffnung steckt sie in die heranwachsende Jugend.

Junge Kambodschaner studieren zunehmend im Ausland, streben ein besseres Leben an als das ihrer Eltern, entdecken das Internet und soziale Netzwerke für sich. Sie stellen die Politik der Regierung zunehmend infrage. An ihnen wird es liegen, das wiederaufzubauen, was die Mächtigen in einigen Jahren zerstört hinterlassen. Aber das kennen sie in Kambodscha.

Video: Von der Stadt an den Strand: Reise-Eindrücke aus Vietnam

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