DOMRADIO.DE: Das Bundeskabinett hat am Mittwoch das Rentenpaket von Sozialminister Hubertus Heil (SPD) auf den Weg gebracht. Das Paket sieht unter anderem vor, dass das aktuelle Rentenniveau von 48 Prozent bis 2025 stabilisiert werden soll. Der Beitragssatz soll nicht über 20 Prozent steigen. Aktuell liegt er bei 18,6 Prozent. Und ältere Frauen erhalten zukünftig einen halben Rentenpunkt zusätzlich pro Kind. Das ist doch eine gute Sache, oder?
Lucia Schneiders-Adams (Rentenexpertin der Katholischen Arbeitnehmerbewegung Deutschlands KAB): Es gibt einzelne nötige Verbesserungen in diesem Rentenpaket. Eine davon ist die Mütterrente. Wir hätten es natürlich gern gesehen, wenn alle Mütter und nicht nur die, die ihre Kinder vor 1992 geboren haben, für jedes Kind drei Entgeltpunkte bekommen würden. Das ist nun leider nicht so. Jetzt wird aber immerhin für Kinder, die vor 1992 geboren wurden, ein halber Prozentpunkt aufgeschlagen. Das heißt: Pro Kind sind das ungefähr 16 Euro. Darauf können sich die Mütter wenigstens etwas freuen.
DOMRADIO.DE: Besonders Mütter sind ja als Rentnerinnen von Altersarmut häufig betroffen. Wird denn die erhöhte Mütterrente Altersarmut verhindern?
Schneiders-Adams: Der halbe Entgeltpunkt für die Kindererziehungszeiten kann das nicht alleine verhindern, denn für eine gute Rente zählen immer die gezahlten Beiträge, also die Jahre, die man in die Rente eingezahlt hat und natürlich auch die Höhe der Beiträge. Dadurch, dass gerade die älteren Frauen sehr lange Lücken in ihrer Erwerbsbiografie haben oder viel in Teilzeit oder Geringverdiener-Jobs gearbeitet haben, wird das alleine natürlich nicht reichen. Die Mütterrente ist nur dazu da, um Lücken aufzufüllen. Und da funktioniert es ganz gut. Aber das allein reicht natürlich nicht.
DOMRADIO.DE: Ein Bestandteil des Rentenpakets sind Verbesserungen bei der Erwerbsminderungsrente – also für Menschen, die wegen Krankheit oder Behinderung nicht mehr arbeiten können.
Schneiders-Adams: Das begrüße ich auf jeden Fall. Es hat in der Vergangenheit schon immer kleinere Erhöhungen gegeben. Das ist auch deutlich spürbar, wenn man sich die Erwerbsminderungsrenten anschaut, die neu bewilligt werden: Die sind deutlich höher als früher. Aber auch jetzt liegen die durchschnittlichen Erwerbsminderungsrenten immer noch unter dem Grundsicherungsniveau. Daher ist eine Erhöhung auf jeden Fall bitter notwendig. Das gilt vor allen Dingen auch vor dem Hintergrund, dass erwartet wird, dass man deutlich länger arbeitet als die Generationen davor. Und da müssten natürlich Einschränkungen der Gesundheit abgesichert sein.
DOMRADIO.DE: Obwohl sie nun in kleinen Punkten das Rentenpaket durchaus begrüßen, sagen sie trotzdem: der große Wurf ist das nicht. Denn der große Wurf wäre die einheitliche Sockelrente für alle. Warum fordern Sie die?
Schneiders-Adams: Das ist ein Modell, das wir zusammen mit anderen katholischen Verbänden in einem Rentenbündnis entwickelt haben. Für uns wäre es wichtig, dass es eine einheitliche Sockelrente für alle gibt. Alle sind einbezogen: die gesamte Bevölkerung, also auch Beamte, Selbstständige. Das macht Sinn vor dem Hintergrund der veränderten Erwerbsbiografien, die wir haben.
Wir haben inzwischen außerdem einen großen Niedriglohnbereich. Der wurde zwar durch den Mindestlohn etwas abgeschwächt. Aber trotzdem: Wenn man sich überlegt, dass eine Einzahlung vom Mindestlohn nicht zu einer existenzsichernden Rente führt, dann braucht es eine einheitliche Sockelrente, die insbesondere auch Geringverdiener stärkt, die auch unterbrochene Erwerbsbiografien besser absichert.
DOMRADIO.DE: Aber ist so eine einheitliche Sockelrente für alle denn realistisch? Ist das finanzierbar?
Schneiders-Adams: Das Ifo-Institut hat dieses Modell schon vor 10 Jahren untersucht und als finanzierbar bewertet. Das müsste nun noch einmal neu berechnet werden. Aber wir haben zur Zeit eine gute Wirtschaftslage, eine gute Beschäftigungslage, Rekordsummen bei Steuern und Beiträgen, sodass ich davon ausgehe, dass auch heute unser Modell noch finanzierbar ist. Zumal wir auch davon ausgehen: Es sind die ganze Bevölkerung in diese sogenannte Sockelrente einbezogen und auch alle Einkünfte. So kann man das nochmal anders absichern als heute, wo es ja nur um die sozialversicherungspflichtigen Beiträge geht.
DOMRADIO.DE: Ich darf also zusammenfassen: in Ansätzen finden sie das Rentenpaket auf dem richtigen Weg. Der mutige, große Wurf ist es aber nicht – und wird in großen Teilen auch nicht die drohende Altersarmut besonders für Frauen verhindern?
Schneiders-Adams: Genau so sehen wir das. Das gilt gerade vor dem Hintergrund der veränderten Erwerbsbiografien oder in der Frage, wie zum Beispiel unbezahlte Arbeit mit einbezogen werden kann. Auch die neuen Crowd-Working-Jobs sind ein Problem. Wir brauchen auf jeden Fall weitere Reformen, die alle Menschen in die gesetzliche Rentenversicherung einbeziehen.
Das Gespräch führte Hilde Regeniter.
*Der Beitrag "Was ist vom Rentenpakt zu halten? / Katholische Arbeitnehmer sehen gute Ansätze" stammt von DOMRADIO.DE. Es gibt keine redaktionelle Prüfung durch FOCUS Online. Kontakt zum Verantwortlichen hier.
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