Bei der Bundestagswahl Ende September 2017 erhielten die Grünen 8,9 Prozent der Stimmen. Danach stiegen ihre Werte in den Umfragen, und mittlerweile liegen sie bei bis zu 15 Prozent. Dieser Höhenflug hat eine Reihe von Gründen, die sowohl innerparteilicher Art sind, als auch durch das Verhalten der Konkurrenzparteien und die allgemeine Themenkonjunktur entstanden sind.
Innerparteilich schuf die Parteiführung der Grünen die Grundlagen für eine stärkere Unterstützung der Partei durch die Bevölkerung schon im Rahmen der Verhandlungen mit CDU/CSU und FDP um eine Regierungsbildung im Oktober/November 2017. Die Außenwirkung der Partei war plötzlich nicht mehr von den ewigen Flügelkämpfen bestimmt. Stattdessen wurde Geschlossenheit demonstriert und durch Kompromissbereitschaft grundsätzliche Regierungsfähigkeit signalisiert, ohne grüne Grundprinzipien aufzugeben.
Grüne profitieren davon, dass SPD sich selbst zerlegt hat
Die neuen Vorsitzenden Robert Habeck und Annalena Baerbock, die das Machtzentrum der Partei bilden, führen diese Strategie erfolgreich weiter und verbreiten Aufbruchstimmung. Die Grünen profitieren zudem von der Tatsache, dass sich ihre Hauptkonkurrentin, die SPD, in den ersten Monaten des Jahres selbst zerlegt hat: Deren Streit um die Regierungsbeteiligung und das Chaos in der Parteiführung haben viel Vertrauen gekostet.
Dies erlaubt es den Grünen, sich als Alternative für verunsicherte und enttäuschte SPD-Anhänger der linken Mitte in Stellung zu bringen. Schließlich spielt auch die gesellschaftliche Themenkultur den Grünen in die Hände: Die Spaltung in der Asyl- und Flüchtlingsfrage, die in den Augen der Bevölkerung noch immer das für Deutschland mit Abstand wichtigste Thema darstellt, hilft jenen beiden Parteien, die als die klaren politischen Vertreter der beiden Seiten dieses Konflikts angesehen werden. Nicht von ungefähr ist die AfD die einzige Partei, die neben den Grünen in den vergangenen Monaten in den Umfragen zulegen konnte.
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Umweltproblematik wird schnell wieder auf geringen Stellenwert zurückfallen
Zudem profitiert eine Partei immer, wenn ihr Markenkern – der Politikbereich, in dem ihr die größte Kompetenz zugemessen wird – in der gesellschaftlichen Diskussion einen hohen Stellenwert bekommt. Der grüne Markenkern ist der Umweltbereich und insbesondere der Klimawandel, dessen Folgen den Leuten durch die Hitzewelle der letzten Wochen drastisch vor Augen geführt werden.
Ob der gegenwärtige Höhenflug mittelfristig anhält, ist sehr fraglich. Wenn die Hitzewelle vorbei ist, wird die Umweltproblematik für die Bevölkerung wohl schnell wieder auf den geringen Stellenwert zurückfallen, den sie in den vergangenen Jahren meist hatte.
Von anderen Parteien als Blockiererin gebrandmarkt
Das Flüchtlingsthema wird seine hohe Relevanz behalten, wobei einige Aspekte den Grünen durchaus auch gefährlich werden können. So wird die Partei, wenn es im Bundesrat zur Abstimmung über die Einstufung der nordafrikanischen Staaten als sichere Herkunftsländer kommt, von den anderen Parteien als Blockiererin gebrandmarkt werden, die eine auch von Teilen der Grünen-Anhänger begrüßte flüchtlingspolitische Maßnahme verhindert. Im Rahmen dieser Debatte wird auch deutlich werden, dass die beiden Flügel der Grünen – Realos und Linke – natürlich immer noch existieren und unterschiedliche Inhalte vertreten.
Auch können sich die Ergebnisse der nächsten Landtagswahlen negativ auf die bundespolitische Unterstützung der Partei auswirken. In Bayern und Hessen stehen die Grünen zwar gut da, dennoch könnten sie bei der Hessen-Wahl im Herbst die Regierungsbeteiligung verlieren. Und in den drei ostdeutschen Ländern, in denen 2019 gewählt wird, wird die Partei wohl wieder um den Einzug in die Landtage kämpfen müssen.
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