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Sunday, September 30, 2018

Fakt & Fake - Kolumne von Josef Seitz - Nach Studie über sexuellen Missbrauch: Es wird Zeit, Kirche und Staat wirklich zu trennen

Fakt & Fake - Kolumne von Josef Seitz: Nach Studie über sexuellen Missbrauch: Es wird Zeit, Kirche und Staat wirklich zu trennen
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Missbrauchsskandale? Leere Gotteshäuser? Kleinkram. Es läuft super für die christlichen Kirchen. Die Einnahmen aus der Steuer sprudeln. Allein die katholische Kirche hat 2017 noch einmal fünf Prozent mehr eingenommen. Handelt es sich um schmutziges Geld?

Das Bild in der Öffentlichkeit ist nicht erst seit dieser Woche verheerend. Die katholische Kirche in Deutschland wirkt wie ein Club alter Männer, der sich über Jahrzehnte an zu jungen Menschen, Mädchen und Knaben, vergangen hat - zuerst sexuell in den Taten und dann moralisch mit der verweigerten Aufklärung.

Dieses Bild ist falsch. Denn erstens betreffen die skandalösen Vorgänge in dunklen Beichtstühlen und hinter den dicken Mauern von Pfarrhöfen nicht nur Jahrzehnte. Über Jahrhunderte haben immer wieder Priester - fast immer straffrei! - einer sehr speziellen Lehre gehuldigt: Mach’ die Jugend deinem Triebleben untertan! Zweitens ist dieses Bild vom Sexclub mit Kreuz aber auch falsch, weil es zwar viele, zu viele Einzelfälle gab. Aber immerhin: Es sind und bleiben Einzelfälle.

Über den Autor - Josef Seitz

Politik ist viel mehr als das, was Politiker sagen. Davon ist Josef Seitz überzeugt. Er hat eine Regionalzeitung geleitet und ein Medien-Fachmagazin, war in der Chefredaktion einiger der großen Fernsehzeitschriften, Ressortleiter und Textchef beim Nachrichtenmagazin FOCUS. Für FOCUS Online begeistert er sich für das, was Politik auch sein kann: ein Thema, das alle angeht.

Nach der jetzt öffentlich gemachten Studie über sexuellen Missbrauch in der katholischen Kirche für die Jahre 1946 bis 2014 wurden 1670 Kleriker beschuldigt, sich an Minderjährigen vergangen zu haben. Missbraucht wurden demnach 3677 Kinder und Jugendliche, von ihnen 51,6 Prozent unter 14 Jahre jung. Fast die Hälfte der Übergriffe ereignete sich in öffentlichen Kirchenräumen, in der Sakristei, im Beichtstuhl. Nur in jedem dritten Fall fanden die Wissenschaftler auch Hinweise darauf, dass ein kirchenrechtliches Verfahren gegen die Täter eingeleitet wurde. Ganz nebenbei: Im VW-Konzern würden die Champagner-Korken knallen, dürfte man etwa den Dieselskandal intern, konzernrechtlich und über selbstgewählte Wissenschaftler aufklären lassen.

Staat und Kirche Hand in Hand

Es mag polemisch wirken. Doch stellen wir uns für den Moment vor, ähnlich erschreckende Vorgänge würden in diesen ohnehin aufgeheizten Zeiten über die Moscheen in Deutschland bekannt. Wir stünden sofort am Ende jeder Toleranz. Die Schließung, das Verbot würden lautstark gefordert.

Tatsächlich aber hat das Bundesland Bayern gerade Kreuze in seine Finanzämter gehängt, um die Nähe zur Kirche augenfälliger zu machen. Das ist Symbolpolitik der CSU. Von der wahren Nähe zu den Finanzbehörden aber profitieren die Kirchen dramatisch. Zwar haben die beiden christlichen Kirchen im Jahr 2017 auch wegen der Missbrauchsfälle 660.000 Mitglieder verloren. Die vom Staat automatisch eingetriebene Kirchensteuer stieg dennoch um fast fünf Prozent.

Die Kirchensteuer ist schmutziges Geld

Zwölf Milliarden Euro haben die Finanzämter von Lohnsteuerzahlern und Einkommenssteuerpflichtigen eingezogen. Die Nähe von Staat und Kirche ist ein überaus lohnendes Geschäftsmodell. Sicherlich wurden die mächtigen Mittel nicht nur zur Aufklärung von Schwachpunkten der Kirchen einsetzt, sondern auch zur Vertuschung. Das macht die Kirchensteuer auch zu einem schmutzigen Geld, zu Silberlingen, wie das seit biblischen Zeiten gerne genannt wird.

Wir misstrauen dem Islam, sobald er zu mehr wird als einer reinen Privatsache des Gläubigen. Der deutsche Staat reagiert inzwischen aus guten Gründen sehr empfindlich, sobald der Glaube politisch wird. Es ist an der Zeit, diese Trennung zwischen Staat und Kirche auch bei den christlichen Kirchen zu praktizieren. Das trifft die Finanzkraft und die Strukturen, kann aber auch zu einer inneren Erneuerung führen. Keiner verzichtet gern. Auch wenn er gern Verzicht predigt.

Im Video: Von Pfarrer missbraucht: Jetzt rechnet Opfer mit der Kirche ab

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