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Wednesday, October 31, 2018

Gastbeitrag von Ria Schröder - Ende einer Ära – Anfang eines neuen Aufbruchs

Gastbeitrag von Ria Schröder: Ende einer Ära – Anfang eines neuen Aufbruchs
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Als Angela Merkel das erste Mal zur Bundeskanzlerin gewählt wurde, war ich 13 Jahre alt. 2005 gab es noch keine Smartphones und George W. Bush war Präsident der Vereinigten Staaten. Das Kyoto-Protokoll wurde verabschiedet, Johannes Paul II. starb und Benedikt XVI. wurde neues Oberhaupt der katholischen Kirche. Ich war das erste Mal verliebt, in Felix aus der Nachbarklasse, und die Krisen und Affären des vergangenen Jahrzehnts waren zu Beginn der Kanzlerschaft Merkels noch in weiter Ferne.

Angela Merkel wird als erste Frau Bundeskanzlerin, als erste Ostdeutsche und erste Naturwissenschaftlerin. Sie löst die rot-grüne Regierung Gerhard Schröders ab und bildet eine Große Koalition, die nicht ihre letzte sein wird. Ihre Garantie für private Ersparnisse in der Finanzkrise hat einen deutschen “Bankrun” verhindert.

Anstatt zur Konjunkturförderung die Kalte Progression abzubauen, setzte sie auf die Abwrackprämie, eine Subvention für eine Branche, die sich später mit dem Dieselskandal bedankte. Sie machte sich in der Eurokrise einen Namen als Verfechterin solider Staatsfinanzen. Das mag für einige Länder hart gewesen sein, verhinderte aber bislang einen Zusammenbruch des Euroraums.

Die stoische Beharrlichkeit, mit der sie der Garde der Machos in Machtpositionen von Putin über Erdogan bis US-Präsident Trump immer wieder begegnet und sich niemals provozieren oder aus der Fassung bringen lässt, beeindruckt mich als junge Politikerin. Das hat ihr auch international zu großem Ansehen verholfen. Seit 2011 dominiert sie die Forbes’ Liste als mächtigste Frau der Welt. Das Time Magazine kürte sie 2015 zur “Person of the Year”.

Über die Autorin

Ria Schröder ist Bundesvorsitzende der Jungen Liberalen. Die 26-Jährige lebt und arbeitet in Hamburg, wo sie Mitglied im Landesvorstand der FDP ist.

Was von ihr bleiben wird

Was von ihrer Kanzlerschaft im Gedächtnis bleiben wird, ist jedoch die Flüchtlingskrise. Ich rechne Angela Merkel hoch an, dass sie in einer schwierigen Zeit eine Haltung gefunden hat, die mutig und ermutigend gleichermaßen war. Das “Wir schaffen das” war kein Fehler, sondern der Moment, in dem Angela Merkel Führung und Verantwortung für die Hilfesuchenden und für die Bürgerinnen und Bürger Deutschlands gleichermaßen übernommen hat.

Was danach aber folgte war kein Konzept, kein “Merkel-Plan”, keine Anleitung. Kommunen und Ehrenamtliche wurden mit der Bewältigung der Unterbringung und der Herausforderung der Integration allein gelassen. Das Bamf schaffte es nicht mehr eine angemessene Prüfung bei der Registrierung der Flüchtlinge vorzunehmen.

In der Überforderung sind Fehler passiert: Mangelhafte Registrierung oder Prüfung von Asylanträgen haben dem Bamf den Beinamen „Chaos-Behörde“ verschafft und zu einer skandalösen Ungleichbehandlung geführt. Mancher wurde zu Unrecht aufgenommen, ein anderer zu Unrecht abgeschoben. Abschiebungen hängen ohnehin zu oft vom Goodwill der Landesregierung und nicht von der Gesetzeslage ab. Tausende minderjährige unbegleitete Flüchtlinge tauchten einfach ab. Menschen aus unterschiedlichen Kulturkreisen, viele traumatisiert, werden in den Erstaufnahmeeinrichtungen oft über Wochen ohne Beschäftigung auf engem Raum untergebracht. Es kommt zu Gewalt in Flüchtlingsheimen. Und zu Gewalt gegen sie.

Den Extremen das Feld überlassen

Die faktische Unordnung und der mangelnde Wille im Parlament, Gesetze an die neue Situation anzupassen, sorgen für Unverständnis. Die stoische Politik der notfalls auch ganz kleinen Schritte ist auf diplomatischer Ebene ein Erfolgsfaktor, innenpolitisch überlässt sie den Extremen das Feld.

Im Bundestag gibt es nach dem Ausscheiden der FDP nur eine linke Opposition aus Grünen und Linkspartei, die die Aktionen der Kanzlerin stets als zu wenig empfinden. Sie fordern, mehr Flüchtlinge aufzunehmen. Die Anerkennung sicherer Herkunftsländer, gerade bei den Maghreb-Staaten, die eine vereinfachte Rückführung erlauben würde, lehnen sie bis heute ab. Abschiebungen lehnen sie grundsätzlich ab und verschließen völlig die Augen vor den riesigen Herausforderungen für unser Sozialsystem und die Integrationskraft unserer Gesellschaft, die sich um die eigene Zukunft sorgt.

Eine mahnende, rechtsstaatliche Opposition hätte zu einem Ausgleich führen können. Aber die moderate Stimme ist zu leise und lässt zu viel Raum für zunächst noch als Kritiker maskierte Rechtspopulisten, die Stück für Stück Tabus einreißen und in der Folge ihr fremdenfeindliches, islamophobes Gesicht zeigen.

Wie schnell die Feinde der offenen Gesellschaft nicht nur im Osten des Landes erstarkt sind, hat Frau Merkel sicherlich unterschätzt. Aus den anfänglichen wenigen Irren, sind “Anti-Merkel-Schlägertrupps” mit Galgen und Hitlergruß geworden, die in der AfD ihre parlamentarische Stimme sehen.

Ihr Stil und die Beliebigkeit

Der Stil von Angela Merkel, Themen unterschiedlichster politischer Couleur aufzusaugen und für sich zu vereinnahmen, hat verschiedenste Koalitionspartner entkräftet zurückgelassen.

Die asymmetrische Demobilisierung ihrer Wahlkämpfe hat den Vorwurf der Beliebigkeit befördert und die Debattenkultur in Deutschland gelähmt. Das hat Fliehkräfte nach sich gezogen und den politischen Rändern rechts und links der Mitte genützt. Viele Menschen sehnen sich nach politischem Streit und einer anständigen Debatte um die besten Lösungen. Angela Merkel regiert, verwaltet und meidet die breite öffentliche Debatte.

Sie hat unsere Generation geprägt.

Unsere Generation hat ihr trotz allem vieles zu verdanken. Wir sind mit ihr als Kanzlerin aufgewachsen. Das hat uns geprägt. Doch jetzt ist es für sie Zeit zu gehen. Angela Merkel hat ihren Zenit bereits länger überschritten.

Nun hat sie es auch selbst erkannt und bereitet ihren politischen Abgang vor. Sie kann die längste Kanzlerschaft in der Geschichte der Bundesrepublik für sich verbuchen. Jetzt hat sie erklärt nicht mehr als Vorsitzende der CDU zu kandidieren. Und sie wird auch nicht wieder als Kanzlerin antreten.

Es ist ein Aufbruch

Die unvermeidbare Amtsmüdigkeit der letzten Jahre konnte durch den Versuch eines neuen Bündnisses wie Jamaika nicht abgeschüttelt werden. Er scheiterte. Wenn Merkels Zeit vorbei ist, bietet sich die Chance für eine neue Dynamik bei Themen, bei denen Deutschland schon zu lange immer weiter zurückfällt. In der Einwanderungspolitik treten wir seit Jahren trotz der gesellschaftlichen Spannungen auf der Stelle. Wir brauchen ein Einwanderungsgesetz, das Migration endlich rechtssicher regelt, die Fleißigen mit einem Spurwechsel belohnt und in der Flüchtlingspolitik europäisch denkt.

Bei der Digitalisierung scheitert Deutschland schon an der Infrastruktur. Peinlich ist das, wenn ich bei einer Runde mit internationalen Partnern, einräumen muss, dass wir beim Breitbandausbau zu den Schlusslichtern gehören und eGovernment noch gar kein Thema ist. Dabei ist in allen Bereichen von Bildung über Verwaltung bis hin zu Verkehr und Arbeitswelt so viel ungenutztes Gestaltungspotenzial. Es geht um autonomes Fahren, um künstliche Intelligenz und um digitale Bildung, die auf individuelle Förderung setzt und auf das moderne Arbeitsleben vorbereitet.

Schluss mit Aussitzen, Ende der Alternativlosigkeit. Der Rückzug von Angela Merkel macht Platz für ein neues Gestaltungsjahrzehnt und für einen neuen Aufbruch in Deutschland und Europa.

Im Video: Merkel leitet mit Rede neue Ära ein: Die komplette Erklärung im Video

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