Acht Regionalkonferenzen in zwei Wochen quer durch Deutschland liegen hinter den drei Top-Kandidaten Merz, Kramp-Karrenbauer und Spahn. FOCUS Online hat das Trio auf allen Stationen begleitet und zeigt den finalen Kandidatencheck im Überblick. Am 7. Dezember wählen 1001 Delegiert auf dem Parteitag in Hamburg dann die neue Parteispitze.
Lübeck, Idar-Oberstein, Seebach, Halle, Böblingen, Düsseldorf, Bremen und zum Abschluss nun Berlin: Mehrere Tausend Gäste sind in den letzten zwei Wochen zu acht Regionalkonferenzen der CDU gepilgert, um den ersten Wettstreit um das höchste Parteiamt, bei dem mehr als zwei Kandidaten antreten, hautnah mitzuerleben. Weit über 200.000 verfolgten zudem im Internet per Livestream, um herauszufinden, wer sich von Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer, Ex-Unionsfraktionschef Friedrich Merz und Bundesgesundheitsminister Jens Spahn am besten schlägt.
Lob statt Kritik an der scheidenden Parteichefin
Auffälligster Unterschied der letzten Etappe in der Bundeshauptstadt: Hatten alle Kandidaten noch am vorletzten Etappenziel in Bremen zwar indirekt, aber spürbar Distanz zu einigen Kernelementen von Angela Merkels Politik genommen, die der CDU 18 Jahre lang vorstand, gab es am letzten Tag Lob für die Kanzlerin.
Regionalkonferenzen der CDU
Die CDU wird bis zur Wahl des oder der neuen Parteivorsitzenden insgesamt acht Regionalkonferenzen abhalten, auf denen die drei Kandidaten sind der Parteibasis präsentieren. Jeder Kandidat hat zunächst zehn Minuten Zeit, sich selbst vorzustellen - über die Reihenfolge entscheidet ein Losverfahren. Dann kann das Publikum Fragen an das Trio stellen. Insgesamt dauert jede Veranstaltung drei Stunden und deckt die Basis in mehreren Bundesländern ab. Am 7. Dezember wählen dann rund 1000 Delegierte die Nachfolge von Merkel. Die Kanzlerin selbst hatte dieses Format im Jahr 2000 eingeführt, als sie selbst noch Generalsekretärin war.
Merz redet erstmals überschwänglich über Merkel
Besonders auffallend war dies bei Friedrich Merz, dem ein zerrüttetes Verhältnis zu Merkel nachgesagt wird, seit sie ihm 2002 als Generalsekretärin den Fraktionsvorsitz im Bundestag wegschnappte. In seinem Vorstellungsdiskurs erinnerte er überschwänglich daran, wie Merkel 2014 bei der Münchner Sicherheitskonferenz alle 28 EU-Staaten hinter sich brachte und die Amerikaner überzeugte, dass die von ihren geforderten Waffenlieferungen an die Ukraine der falsche Weg sei, den Konflikt mit Russland beizulegen. Die Bundeskanzlerin habe so eindrucksvoll bewiesen, welche Kraft in Deutschland stecke, was die Führungskraft in der EU untermauert habe.
AKK verwendet immer wieder Merkels berühmtesten Satz
Auch Annegret Kramp-Karrenbauer verwendete mehrfach in ihrer Rede die Worte „Wir schaffen das“, Merkels selbst von Teilen der CDU kritisierte Schlüsselworte für die Lösung Flüchtlingskrise, nachdem Merz noch am Vortag gesagt hatte, falls er Parteichef würde, werde er bei der Integration klären, was zu schaffen sei. Zur Realisierbarkeit der hochgesteckten Ziele einer Erneuerung der CDU sagt sie: „Ja, wir schaffen das, wenn wir das ‚C‘ als unseren Kompass halten. Wir schaffen das, wenn wir das ‚D‘ ernst nehmen und um Themen ringen und nicht nur dem kleinsten Nenner. Und wir schaffen das, wenn wir das ‚U‘ ernstnehmen und das für uns bedeutet: diese Union muss zusammenstehen.“ Dies bedeute auch, dass die zwei Kandidaten, die am 7. Dezember nicht gewählt würden, der Partei erhalten blieben und weiter machten.
Doch wie haben sich die Kandidaten über die zwei Wochen geschlagen, wo waren sie besonders gut oder nicht, und wie kamen sie beim Publikum an?
Jens Spahn
Thematische Schwerpunkte
Immer wieder kam der Bundesgesundheitsminister auf sein Lieblingsthema Hartz IV zurück und forderte, dass sich an dem Prinzip „fördern und fordern“ nichts ändern dürfe. „Es muss einen Unterschied machen, ob einer früh oder spät aufsteht.“ Der 38-Jährige fordert zudem eine kontroversere, lebhaftere Debattenkultur in der Partei, die sich stärker auch mit unbequemen Themen auseinandersetzen müsse. Dass über den UN-Migrationspakt selbst nach dem positiven Votum der GroKo-Fraktionen nun trotzdem noch mal auf dem CDU-Parteitag abgestimmt werden soll, ist ihm zu verdanken. Spahn unterstützt den Pakt. Und neben einer mit mehr Spaß und Neugier vorangetrieben Digitalisierung würde er als neuer Parteivorsitzender dafür sorgen, „die AfD überflüssig zu machen“, indem der nicht radikale Teil ihrer Wähler wieder zur CDU zurückholt. Genauso wie einen guten Teil „grüner Wähler“, deren Partei er vorwirft, in der Flüchtlings- und Energiepolitik nicht kohärent mit sich selbst zu sein.
Persönliches Auftreten
Spahn startete als klarer Außenseiter in die Kandidatur, überrascht durch jene von Friedrich Merz, der wie er zum konservativen Flügel zählt und allein deswegen sofort sein ärgster Konkurrent wurde. Bei den ersten drei, vier Konferenzen wirkte er noch gelegentlich unsicher und versuchte, das mit einem guten Dutzend rhetorischer Standardgags zu kompensieren. Das Publikum nahm dies dankbar an, nahm Spahn aber zunächst auch nicht so ernst. Doch seine frische und unkonventionelle Art kommt an.
Fazit
Spahn hat von allen drei Bewerbern die größte Lern- und Verbesserungskurve in den zwei Wochen hingelegt. Neben der jüngeren Generation, für die er steht, konnte er vor allem bei Frauen viel an Sympathie hinzugewinnen, die vorher auf Merz und „AKK“ fixiert waren. Seine Applauskurve erreichte ihre Höchstwerte bei den letzten drei Konferenzen, bei denen sie mit den anderen vergleichbar war. Doch seine Platzierung als Nummer drei, da sind sich viele sicher, wird er am 7. Dezember bei der Wahl nicht ändern können. Noch nicht.
Annegret Kramp-Karrenbauer
Thematische Schwerpunkte
Wie ein roter Faden zog sich durch ihre Beiträge das Versprechen, die Entscheidungsfindung in der CDU künftig umzukehren: zuerst die Partei, dann die Fraktion, dann die Regierung. Also genau das Gegenteil von dem, was Merkel während der 13 Jahre ihrer Kanzlerschaft als gleichzeitige Parteichefin vorgelebt hat. AKK ist diejenige, die die christlichen Werte der Familie von allen dreien am höchsten hält. „Zu einer Familie zählt mehr als sich nur einen Kühlschrank zu teilen und WLAN.“ Immer wieder unterstrich sie bei ihren Reden zudem, dass viele in der CDU nun wieder von Werten um 40 Prozent träumten, sie im Gegensatz zu den beiden männlichen Mitbewerbern aber wisse, „wie gut sich das anfühlt“ – in Anspielung auf ihren jüngsten Wahlsieg im Saarland vom März 2017.
Persönliches Auftreten
Das ständige Hinweisen auf ihre Erfahrung in Regierungsämtern und als Wahlkämpferin wirkte manchmal etwas exzessiv. Doch beide Bereiche stellte sie souverän unter Beweis. Sie war auch diejenige, die ihre Reden am stärksten auf die jeweilige Zuhörerschaft zuschnitt und sich weniger wiederholte, ein klares Zeichen von professioneller Flexibilität. Sie ist extrem themensicher auf großer Bandbreite.
Fazit: AKK konnte die Regionalkonferenzen vor größerem Publikum nutzen, ihren manchmal etwas drögen Eindruck zu zerstreuen. Sie gilt als Merkel-Vertraute, denn die scheidende Parteichefin selbst war es, die sie überzeugte, im Februar das erfolgreich bekleidete Amt der saarländischen Ministerpräsidentin aufzugeben, um sich von Merkel als ihre Wunschnachfolgerin aufbauen zu lassen. Es gibt eine ganze Reihe von Christdemokraten, die das als ihr größtes Manko ansehen – AKK als „Merkel light“. Doch ihr Zuspruch in der Partei ist groß, viele, bei weitem nicht nur Frauen, halten sie für die besonnenere Wahl, der es besser gelingt, die unterschiedlichen Flügel der Partei zusammenzuhalten. Deswegen gilt sie als eine starke Anwärterin auf den Parteivorsitz. Doch während Spahn ihr kaum gefährlich werden kann, kann es der dritte im Bunde, der mehr Applaus erhielt als sie: Friedrich Merz.
Friedrich Merz
Thematische Schwerpunkte
Merz hat sich nach seinem Rückzug aus der Politik 2009 seinem zivilen Beruf als Wirtschaftsanwalt gewidmet – und sein Fachwissen in Steuer- und Wirtschaftsfragen, das ihn mittlerweile zum Millionär gemacht hat, nicht unter den Scheffel gestellt. Zu seinen wichtigsten Punkten zählen eine Steuerreform, die Durchsetzung des Gewaltmonopols durch den Staat und das Prinzip, dass Geld, dass der Staat ausgibt, vorher erst eingenommen werden muss. Er unterstreicht die Religionsfreiheit auch für den Islam, sagt aber, dass Migranten, die sich nicht an unsere Gesetze halten, konsequent ausgewiesen werden müssten. Wenn der Staat das nicht durchsetze, mache er sich doch „lächerlich“ vor seinem Volk. Immer wieder betonte er auch, dass die CDU das gesamte Spektrum der bürgerlichen Mitte abbilden müsse – wozu vor allem auch wieder der konservative Flügel zählen müsse.
Persönliches Auftreten
Selbstbewusstsein ist das letzte, woran es Merz mangelt. Er traue sich zu, die CDU als Parteivorsitzender wieder auf über 40 Prozent zu bringen und die AfD-Ergebnisse zu halbieren – ein Satz, der ihm stets sehr großen Jubel einbrachte. Merz redet langsam und bedächtig. Sein Stil kommt gut an im CDU-Volk. Viele sagen, aus dem alten „Hitzkopf“ sei ein erfahrener Politiker geworden, dem auch zehn Jahre Abwesenheit aus der aktiven Politik nichts anhaben konnten. AKK-Anhänger werfen ihm vor, er stelle seine Person zu sehr in den Vordergrund.
Fazit
Merz ist zweifellos derjenige Kandidat, der am meisten polarisiert. Und es gibt nicht wenige in der Partei, die das als „frischen Wind“ schätzen nach all den Jahren mit Angela Merkel. Die politische Debatte sei sediert und die Partei immer stärker außen vorgelassen. Niemand hat auf den acht Konferenzen euphorischeren Applaus bekommen. Auch die Jubel-Rufe gehen fast ausschließlich auf sein Konto. Doch sein Vorstoß auf der dritten Konferenz in Seebach mit einer Einschränkung des Grundrechts auf Asyl, kam selbst in der CDU nicht gut an. Und auch die Tatenlosigkeit, die er pauschal der gesamten CDU vorwarf, obwohl er selbst nichts für sie tat, nahm ihm so mancher übel. Es gilt als sicher, dass Merz mit AKK die Nachfolge von Angela Merkel unter sich ausmacht.
Umfrage: Welchem der bisher bestätigten Kandidaten für den CDU-Parteivorsitz trauen Sie am ehesten zu, die Wahlergebnisse der CDU zu verbessern?
Gespannt auf den Tag nach der Wahl
Eine ganz andere Frage ist allerdings, wie die Delegierten am 7. Dezember abstimmen. Denn sie setzten sich aus der unteren und mittleren Funktionärsschicht auf kommunaler und Kreis-Ebene zusammen, die sich an die sicheren Jahre mit Merkel gewöhnt haben und Änderungen befürchten könnten, wenn Merz Merkel folgt. Das könnte sich zugunsten von Annegret Kramp-Karrenbauer auswirken.
Für die Saarländerin wäre eine Niederlage am 7. Dezember nach der Aufgabe der Saarbrücker Staatskanzlei eine doppelte, denn an dem Parteivorsitz hängt eine weitere Perspektive, die sie selbst im Blick zu haben gesteht, auch wenn die noch in der Ferne liegt. Denn Merkel will die Legislatur bis 2021 zu Ende regieren.
Merz könnte, wenn er verlöre, einfach wieder zurücktreten von seinen Ambitionen, anstatt in der zweiten Reihe, in der er schon mal saß, erneut Platz zu nehmen. Außerdem hat sie kein Mandat, und wichtige Ministerposten sind – zumindest jetzt – nicht zu haben. Da beide beteuerten, wie wichtig es nach der Wahl sei, gemeinsam weiterzumachen, darf der Beobachter auch auf die Zeit nach der Wahl gespannt sein.
No comments:
Post a Comment