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Tuesday, April 30, 2019

Am Sozialgericht in Hamburg - Richterin wünscht sich in Mietstreit "Rückgrat" vom Sozialamt - vergeblich

Am Sozialgericht in Hamburg: Richterin wünscht sich in Mietstreit "Rückgrat" vom Sozialamt - vergeblich

    Eine Frau streitet mit der Kreisbehörde um Geld für die Miete. Nach drei Jahren kommt es zum Prozess. Die Behörde bekommt ein Urteil, die Frau bekommt Recht. Und die Öffentlichkeit eine Ahnung davon, wie überlastet die Justiz ist. Und warum.

    Die Justiz-ABC - Gerichte in Deutschland, am Limit, überlastet, unterbesetzt. Längst nicht nur die Strafjustiz. Auch die Sozialgerichte tauchen in der Flut der Klagen unter. Die Bearbeitung dauert Jahre. Wie bei Bettina K. (Name geändert) aus dem Kreis Steinburg bei Hamburg. Sie klagt gegen die Kreisverwaltung. Es geht um die Miete.

    Wer soll die Doppel-Miete bezahlen?

    Die Geschichte, um die es an diesem Morgen im Sozialgericht Hamburg geht, spielt Ende 2015. Bettina K. (49) lebt von Grundsicherung und Eingliederungshilfe und wohnt in einer Einrichtung für betreutes Wohnen. Sie lernt einen Mann kennen, will mit ihm zusammenziehen. Das Amt stimmt dem Umzug zu.

    Aber: Bettina K. kann laut Mietvertrag erst per 31. Januar aus ihrer „betreuten“ Wohnung raus, der neue Vermieter will schon per 1. November sein Geld. Drei Monate Doppel-Miete, wer soll das bezahlen?

    Es wird viel geredet Ende 2015, das Ergebnis: die Einrichtung, aus der Bettina K. auszieht, verzichtet auf die Januar-Miete, der neue  Mietvertrag beginnt erst im Dezember statt im November. Aber es bleibt ein Doppel-Monat.

    Das Amt will das Steuergeld zusammenhalten

    Das Amt weigert sich, für Bettina K. die Dezember- Miete (bzw. ihren Anteil) für die neue Wohnung in Höhe von 440,10 Euro zu bezahlen. Der Umzug sei nicht „notwendig“ gewesen: Bettina K. war ja nicht gekündigt worden, sie hatte keinen neuen Job, und billiger war die neue Wohnung auch nicht. 

    Bettina K. zieht trotzdem um. Und klagt auf die Erstattung der 440,10 Euro. „Leider schon seit Ende Mai 2016“, sagt die Richterin. Drei Jahre läuft Bettina K. nun diesen 440,10 Euro hinterher. 

    GERICHTSREPORT: EIN JAHR IN DEUTSCHLANDS GERICHTEN

    Wie sieht der Alltag in Deutschlands Justiz wirklich aus? Was läuft nicht rund? Wie geht es besser? FOCUS Online ist 2019 in Gerichten unterwegs: Dort, wo normale Menschen um ihr Recht kämpfen. Wo spektakuläre Prozesse laufen. Wo Deutschland sein Versprechen einlösen muss, ein Rechtsstaat zu sein. Unsere Reporter sprechen mit Richtern, Staatsanwälten, Angeklagten, Opfern und Zeugen.

    In unserem Justiz-ABC erklären wir die wichtigsten Begriffe aus der Justiz. Und hier finden Sie alle Artikel des Gerichtsreports.

    Schildern auch Sie uns, was Sie im Umgang mit Staatsanwälten oder Richtern erlebt haben. Vielleicht entsteht daraus eine Geschichte. Mailen Sie uns an: mein-fall@focus.de.

    Der Anwalt der Klägerin erklärt, dass es sehr wohl sinnvoll und im Übrigen erfolgreich gewesen sei, dass Bettina K. aus dem betreuten Wohnen in eine „normale“ Wohnung gezogen sei. Eigenverantwortung, selbstständig leben, das sei doch wunderbar. Und nun müsse man um eine Monatsmiete streiten. Das kostet den Staat mehr, als es bringen kann. 

    Das Gericht lässt erkennen, dass es der Klägerin recht geben wird. Von Ermessensspielraum ist die Rede. Ob die Kreisverwaltung, also die Beklagte, nicht vielleicht einlenkt, will sie von der Leiterin des Rechtsamtes wissen.

    Die Frau ist erst seit vier Wochen im Amt, sagt, sie habe „die Vorgabe“, ein Urteil mitzubringen. Die Kreisverwaltung habe im „öffentlichen Interesse“ entschieden. Heißt: keinen Cent freiwillig rausrücken, das Steuergeld zusammenhalten.

    Richterin hofft auf Menschen "mit Rückgrat"

    Die Richterin ist leicht genervt: Sie hoffe in ihren Prozessen immer auf Menschen mit „Rückgrat“ statt mit Vorgaben.

    Was will der Kreis Steinburg mit einem Urteil, gegen das er nicht in Berufung gehen kann?

    Die Rechtsamtsleitern bleibt dabei: Sie braucht ein Urteil, auch wenn es eine Niederlage ist. 

    Die Kreisverwaltung kriegt ihr Urteil, und es ist eine Niederlage.

    Bettina K. hat Anspruch auf die Dezember-Miete. Basta. Das Amt kann gegen diese Entscheidung nicht vorgehen.

    Drei Jahre Warten, 42 Minuten Prozess, Gerichtskosten über dem Streitwert

    Nach 42 Minuten ist der Prozess vorbei. Fast drei Jahre hat es bis zu dieser Verhandlung gedauert. Die Kosten des gesamten Verfahrens, die der Staat übernehmen muss, übersteigen den Streitwert (also die 440,10 Euro) um ein Mehrfaches. 

    Bettina K. ist happy. Von ihrem Partner hat sie sich letzten Sommer getrennt. Sie zieht jetzt wieder um, aus der großen Wohnung (drei Zimmer) in eine 37-Quadratmeter-Wohnung im selben Haus. Das Amt hat zugestimmt.    

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