Nach der brutalen Prügel-Attacke eines Mannes in einer Straßenbahn gegen eine Schülerin und einen Studenten gibt es viele Ungereimtheiten. Warum half niemand den Attackierten? Warum wurde der Schläger mit dem Studenten minutenlang allein in der Bahn eingesperrt? Die Magdeburger Verkehrsbetriebe schweigen zu wichtigen Fragen. Auch die Polizei steht in der Kritik.
Eine 18-jährige Schülerin erleidet eine Nasenfraktur und einen Bruch des linken Augenhöhlenrings, ein 28-jähriger Student drei Platzwunden am Kopf und einen Bruch der Vorderwand der Stirnhöhle, der mit einer Titanplatte geflickt werden musste. So lautet die haarsträubende Bilanz eines völlig grundlosen Angriffs eines 34 Jahren alten Mannes auf zwei Fahrgäste einer Magdeburger Straßenbahn am Gründonnerstag.
Problem 1: Keiner half den beiden Opfern direkt
Bei dem Schläger handelt es sich um einen Mann aus Syrien. Er hat allein agiert. Nach Angaben des 28-jährigen Studenten sei die Straßenbahn „ziemlich voll“ gewesen. Als er den Aggressor mit den Worten „Geht’s noch?“ zur Rede gestellt habe, nachdem der die Schülerin attackiert hatte, habe er unvermittelt einen Schlag ins Gesicht bekommen, sagte er der „Magdeburger Volksstimme“. Die Schülerin konnte sich beim Halten der Straßenbahn vor dem Landgericht nach draußen retten.
Niemand half den Opfern direkt. Wie viele Insassen im Abteil tatenlos zusahen, sei bislang unklar, sagte der Sprecher der Polizeiinspektion, Frank Küssen, zu FOCUS Online auf Anfrage. Aufschluss könnten die Videoaufzeichnungen aus dem Abteil geben, die nun ausgewertet werden. Es seien jedoch drei Notrufe bei der Polizei zu den Vorfällen eingegangen.
Problem 2: Fahrpersonal schloss Angreifer mit niedergeschlagenem Studenten allein ein
Das Fahrpersonal soll nach „unserem Kenntnisstand“ schon „während des Einfahrens in die Haltestelle“ auf den Vorfall aufmerksam gemacht worden sein, teilten die Magdeburger Verkehrsbetriebe (MVB) FOCUS Online auf Anfrage mit. Dies sei sofort der Leitstelle als Notfall weitergemeldet worden, die wiederum umgehend die Polizei informiert habe, die einen Streifenwagen zum Tatort geschickt hätte. Der „Volksstimme“ hatten die MVB schon zuvor mitgeteilt, dass man „erschüttert“ über den Vorfall sei, „vor allem im Hinblick auf die fehlende Zivilcourage von anderen Mitfahrern“.
Völlig unklar bleibt, warum das Fahrpersonal den niedergeschlagenen Studenten, der sich mittlerweile offenbar völlig allein mit dem Angreifer im Abteil befand, einsperrte, indem die Türen geschlossen wurden – und damit völlig unkalkulierbaren Gefahren aussetzte. Eine entsprechende Frage ließ eine MVB-Sprecherin gegenüber FOCUS Online unbeantwortet.
Inzwischen ist klar, dass der Student auch mit Füßen getreten wurde, vielleicht erst, als die beiden eingesperrt waren. Nach Angaben des Studenten sollen „gefühlte zehn Minuten“ vergangen sein, bevor ein Polizist erschien und den Angreifer festnahm.
Problem 3: Polizei übersieht, dass Angreifer als gefährlicher Schläger einschlägig bekannt ist
Die Magdeburger Polizei übersieht am Gründonnerstag, dass gegen den 34-jährigen Syrer in Detmold und Lemgo (Nordrhein-Westfalen) bereits in drei Fällen wegen Körperverletzung und gefährlicher Körperverletzung ermittelt wird. Der Mann wurde jedoch lediglich in eine geschlossene Psychiatrie eingewiesen, in der er ohne Haftbefehl nur 24 Stunden festgehalten werden konnte. Er konnte sich dann selbst – auch gegen den Rat der Ärzte – aus der Klinik entlassen, was er auch tat.
Der Grund dafür war angeblich, dass keine Haftgründe vorgelegen hätten. Was nicht stimmt, wie jetzt rauskommt. Denn die Verletzungen des 28-jährigen Studenten werden von den Ärzten als „potenziell lebensgefährlich“ eingeschätzt. Dies sei das „entscheidende Detail“, wie Polizeisprecher Küssner FOCUS Online erklärt, dass acht Tage nach dem Vorfall gegen den Mehrfachtäter ein Haftbefehl beantragt und kurze Zeit später auch vollstreckt wurde. Obwohl die Ermittlungen in NRW wegen des gleichen Vorwurfs schon hätten ausreichen können.
Wenn die Familie der Schülerin nicht zufällig einige Tage nach dem Vorfall erfahren hätte, dass der Schläger wieder frei rumläuft und Druck bei den Behörden gemacht hätte, hätten vielleicht noch viel mehr passieren können. Sachsen-Anhalts Innenminister Holger Stahlknecht hat bereits eine Prüfung der Polizeiarbeit angekündigt.
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