Mit einem Paukenschlag hat sich Kevin Kühnert mitten im Europawahlkampf wieder auf der politischen Bühne zu Wort gemeldet. In einem Interview fordert er die Vergesellschaftung von Großunternehmen wie beispielsweise BMW und stellt die Legitimität des privaten Vermietens von Wohnungen in Frage. So kommentiert die deutsche Presse den Kühnert-Vorstoß.
"Kühnert trägt lediglich zur Verunsicherung der Menschen bei"
"Rhein-Neckar-Zeitung" (Heidelberg): Kühnert trägt damit lediglich zur Verunsicherung der Menschen bei. Denn radikale und vermeintlich einfache Lösungen gibt es von den Populisten am rechten und linken Rand bereits mehr als genug.
Mit seinen allzu plumpen Provokationen zur Unzeit erweist er zu allem Überfluss auch seiner Partei einen Bärendienst. Denn er macht die SPD mitten im Wahlkampf angreifbar und vergrößert die Risse zwischen Parteilinken und Pragmatikern, die die SPD-Vorsitzende gerade erst notdürftig gekittet hatte.
"Aufruf zum Verfassungsbruch"
"Rheinische Post": Da wollte es der Juso-Chef mal richtig krachen lassen: Kevin Kühnert fordert die Sozialisierung von Konzernen und Beschränkung von Immobilienbesitz - frei nach dem Motto von Karl Marx: Expropriiert die Expropriateure!
Doch ebenso vorgestrig wie der Vordenker des Sozialismus sind die Vorschläge des Jungspunds. Großzügig sagt Kühnert, die Kollektivierung solle demokratisch geschehen. Mit Demokratie aber hat sein Vorstoß nichts zu tun, nur mit plumpem Sozialismus.
Kühnert will Aktionäre enteignen, das ist ein Aufruf zum Verfassungsbruch. Artikel 14 schützt das Eigentum und setzt hohe Hürden für Enteignungen. Kühnert will "den Kapitalismus überwinden" - dabei sichert dieser allein Wohlstand und Freiheit.
Wer weiß das besser als Ostdeutschland, das bis heute unter den Folgen des gescheiterten historischen Experiments Sozialismus leidet? Auch Kühnerts Idee, den Immobilienbesitz zu beschränken, geht nach hinten los: Wir brauchen mehr, nicht weniger Investitionen in Immobilien. Kurz vor der Europawahl heizt Kühnert damit die Angst vor rot-roten Bündnissen an und verschreckt die letzten bürgerlichen Wähler seiner Partei. Mit seinem sozialistischen Egotrip verschärft er damit den Niedergang der SPD.
"Seiner Partei erweist der Juso-Chef damit einen Bärendienst"
"Freie Presse" (Chemnitz): Man könnte in dem Interview den Versuch eines Nachwuchspolitikers sehen, die Sozialdemokraten wieder an ihre ursprünglichen Visionen zu erinnern.
Doch seiner Partei erweist der Juso-Chef damit in den anstehenden Wahlkämpfen einen Bärendienst. Denn er macht erneut die innere Zerrissenheit der SPD zwischen ideologischer Herkunft und tatsächlicher, ziemlich pragmatischer Politik deutlich. Für die anderen Parteien ist diese Revolutionsromantik ein gefundenes Fressen für den Wahlkampf.
"Die DDR war das hoffentlich letzte Experiment mit Karl Marx"
"Südkurier" (Konstanz): Vor 30 Jahren wurde der Sozialismus in Deutschland abgesetzt. Die DDR war das hoffentlich letzte Experiment mit Karl Marx. Seine Ideen klangen gut, nur funktionierten sie nicht. Umso mehr erstaunt es, wenn 30 Jahre nach dem Bankrott des Sozialismus jemand ernsthaft an Verstaatlichungen denkt.
Kevin Kühnert, Juso-Chef mit Talent zum Bürgerschreck, will dadurch die Wohnungsnot beheben. Dass eine Sozialisierung von Haus und Grund etwas bessert, wird eine rote Fantasie bleiben. Denn gerade in der DDR herrschten Wohnungsnot und Sanierungsstau. Der volkseigene Betrieb wirtschaftet schlechter als der Privatmann.
Noch unglücklicher ist Kühnerts Plan für BMW: Er würde den Konzern enteignen, kollektivieren, nivellieren. Im Aufsichtsrat würden dann Koryphäen wie er sitzen. Produziert würde zukünftig auf Trabi-Niveau – originelles Auto, leicht, kaum verkäuflich. Die ausländische Konkurrenz applaudiert – und lacht sich ins Fäustchen über die Irrwege der kauzigen Deutschen.
"Kühnert hat künftige Koalitionen im Blick"
"Badische Neueste Nachrichten" (Karlsruhe): Kühnert, auf den sie in der SPD große Hoffnungen setzen, hat mit seinen Äußerungen zudem künftige Koalitionen im Blick. Mit seinen Verstaatlichungsgedanken grenzt er sich demonstrativ von CDU und CSU ab, die strikt auf Wettbewerb setzen. Dafür öffnet der Juso-Vorsitzende und mögliche Nachfolger von SPD-Chefin Nahles die Türen ganz weit für die Grünen.
Deren Vordenker Robert Habeck hält Enteignungen für ein Mittel der Politik, mindestens bei den großen Immobilienkonzernen kann er sich das gut vorstellen. Bei den Linken dürften Kühnerts Sozialismus-Ideen ohnehin auf fruchtbaren Boden stoßen.
"Kühnert scheint in Wanne voller Mottenkugeln gebadet zu haben"
"Schwäbische Zeitung": Während alle Welt von der digitalen Revolution spricht und sich Gedanken darüber macht, wie man global agierende Internetkonzerne kontrollieren und internationale Finanzströme besteuern könnte, scheint Kühnert in einer Wanne voller Mottenkugeln gebadet zu haben: Vor dem inneren Auge rollt der Trabant aus dem VEB Automobilwerk in Zwickau und direkt vor den staatlich finanzierten Plattenbau.
Bis heute zahlen die Bundesbürger den Soli, auch um die Folgen des vermeintlich demokratischen Sozialismus in der Mitte und im Osten Deutschlands zu finanzieren. Der Kapitalismus mag Ungerechtigkeiten produzieren, aber dass der Sozialismus als Gesellschaftsform nicht funktioniert, sollte auch zum Juso-Chef vorgedrungen sein.
Sich damit rauszureden, dass es sich um eine gesellschaftspolitische Utopie handelt, ist in einem Land, das jahrzehntelang durch den Eisernen Vorhang getrennt war und in dem Millionen Menschen ihrer Freiheit beraubt waren, ein schlechter Witz.
No comments:
Post a Comment