Russland, China, Iran, Vietnam, Kuba, Nordkorea: Die Liste an Ländern, in denen das Internet teilweise oder sogar komplett beschnitten wird, ist lang. "Regierungen auf der ganzen Welt versuchen, mehr und mehr Kontrolle darüber zu gewinnen, was im Internet passiert", sagt der niederländische Datenschutzexperte Joris van Hoboken. Das hänge auch mit dem Anstieg autokratischer Systeme zusammen. Das jüngste Beispiel für einen Vorstoß, der in Richtung eigenes Intranet gehen könnte, ist Russland. Präsident Wladimir Putin unterzeichnete am Mittwoch in Moskau ein Gesetz, durch das ein eigenständiges russisches Internet entstehen soll.
Der russische Internetverkehr soll demnach künftig über Server im eigenen Land gelenkt werden. Russische Internetdienstleister müssten dann sicherstellen, dass sie den Verkehr innerhalb ihrer Netze zentral kontrollieren können. Das Gesetz soll zum 1. November in Kraft treten.
Moskau schielt nach Peking
Die russischen Internetdienstleister sollen angeblich potentielle Bedrohungen identifizieren und bekämpfen können. "Russland hat damit den rechtlichen Rahmen geschaffen, Teile des Internets stillzulegen und stärker die Art des Internets zu kontrollieren, die Russen im Land wahrnehmen können", sagt van Hoboken.
Russland hat dabei ein sehr "erfolgreiches" Vorbild: China. Das asiatische Land entwickelt sei Jahrzehnten ein komplexes System der Internetzensur. Der "Freedom on the Net"-Bericht vom Oktober 2018 der Nichtregierungsorganisation "Freedom House" beschreibt China als "das Land, das 2018 die Freiheit im Internet am meisten missbraucht hat". Im Land gibt es eigene Plattformen, die Youtube, Whatsapp und Twitter ähneln, auf denen aber kritische Inhalte gesperrt sind.
Junge Chinesen, die nie im Ausland waren, kennen große amerikanische Plattformen nur vom hören sagen. Damit kann die kommunistische Partei sehr genau kontrollieren, welche Informationen Chinesen erhalten. Eigene Firmen halten sich eher an die Gesetze und Vorgaben, als international agierende Plattformen.
Die Internetzensur hat aber auch wirtschaftliche Gründe, meint van Hoboken. "Gerade eine Wirtschaftsmacht wie China hat ein großes Interesse daran, eigene Industrien zu stärken. Beispielsweise die chinesische Suchmaschine Baidu ist eine sehr erfolgreiche Techfirma." Restriktive Maßnahmen im Internet müssten also nicht nur politische Gründe haben.
Extremfall Nordkorea
Weltweit hat sich die Regulierung des Internets verstärkt. Der "Freedom on the Net"-Bericht ergab, dass 2018 die weltweite Freiheit des Internets im achten Jahr in Folge abgenommen hat. Einige Länder, wie China und Russland, setzen auf ein eigenes Intranet. In Nordkorea ist die Abschottung extrem. Das Internet umfasst nur einige wenige nordkoreanische Webseiten.
Die meisten Angriffe auf die Freiheit im Netz dienten allerdings dazu, punktuell Inhalte zu regulieren, meint Experte van Hoboken. Das könnten politische Botschaften sein, aber auch sinnvolle Regularien zum Schutz von Kindern. Bedenklich seien Eingriffe, so van Hoboken, die eine Infrastruktur offenbarten, die in der Lage sei, das ganze Netz zeitweise abzuschalten.
Das bestätigt auch der "Freedom on the Net"-Bericht. In fast der Hälfte der Länder, in denen Netzfreiheit sank, standen die Eingriffe im Zusammenhang mit Wahlen. Auch politische Instabilität wird als Grund genutzt, Inhalte im Internet zu kontrollieren. In Sri Lanka wurden nach den Terroranschlägen zeitweise soziale Medien abgeschaltet, um zu verhindern, dass sich Gerüchte verbreiten können.
Streit um "Uploadfilter"
Nicht nur autokratische Staaten beschneiden Freiheiten im Internet. Auch demokratische Staaten sind nicht vor Eingriffen gegen die Freiheit im Netz gefeit. In Deutschland sorgt zum Beispiel das sogenannte Netzwerkdurchsetzungsgesetz für Diskussionen, das Plattformen in die Pflicht nimmt, Hassbotschaften zu löschen.
Auch der Uploadfilter der Europäischen Union ist umstritten. "Regelungen im Netz müssen gut austariert sein zwischen Sicherheit, Freiheit und Datenschutz", meint die Sprecherin für Netzpolitik der deutschen Partei "Bündnis 90/Die Grünen" Tabea Rößner. "Aber es braucht Regeln im Netz. Strafbare Handlungen müssen verfolgt werden."
Um Einschränkungen im Netz zu umgehen, hat die Organisation "Reporter ohne Grenzen" 2015 die Aktion #CollateralFreedom ins Leben gerufen. So werden jedes Jahr am "Welttags der Internetzensur" (12. März) zensierte Webseiten zugänglich gemacht. In diesem Jahr gelang dies bei drei Plattformen in Saudi-Arabien, Pakistan und China.
Grünen-Politikerin Tabea Rößner sieht trotz steigender Kontrolle und Regularien im Netz auch Grund zur Hoffnung: "Es wird immer kundige und pfiffige Menschen geben, die ihren Weg finden, die Kontrollen im Netz zu umgehen." Leicht wird das nicht: Gerade in autokratische Systemen wird das Informationsnetz immer engmaschiger.
Autor: Lisa Hänel
*Der Beitrag "Zensur im Netz: Russland folgt Chinas Beispiel" stammt von Deutsche Welle. Es gibt keine redaktionelle Prüfung durch FOCUS Online. Kontakt zum Verantwortlichen hier.
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