Es war das große Thema am Freitag: der historische Beschluss des Bundestages, mit dem die Ehe auch für Homosexuelle geöffnet wurde. Um die „Ehe für alle“ ging es am Abend zuvor auch in der ZDF-Talkshow „Maybrit Illner“. „Scheidungsgrund: Ehe für alle – das Ende der Großen Koalition?“, fragte die Moderatorin.
Zu Gast waren unter anderem SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann, CDU-Politiker Michael Kretschmer und Hedwig von Beverfoerde. Die konservative Aktivistin ist eine leidenschaftliche Gegnerin der „Ehe für alle“ – und wurde in der Talkshow von einem Schüler an die Wand argumentiert.
„Wenn wir jetzt die Ehe öffnen, könnte statt des natürlichen Rechts auf Vater und Mütter jetzt umgekehrt ein Recht auf ein Kind entstehen“, so die Argumentation der konservativen Freifrau.
Auftritt Raphael Zinser: „So ist es ja nicht. Es ist nicht so, dass jedes schwule Paar, das ein Kind haben möchte, ein Kind bekommt. Es bekommt also niemand ein Recht, etwas zu haben. Es geht darum: Wenn das Jugendamt entscheidet, dass eine Familie geeignet für das Kind ist, diese das Kind dann auch bekommt.“ Applaus im „Illner“-Publikum.
"Ich wollte niemanden vorführen. Ich habe versucht, aus meiner Lebensrealität zu erzählen"
Zinser ist 16 Jahre alt, Schüler aus Berlin und wurde vor 14 Jahren von einem schwulen Paar adoptiert. Ganz normal sei seine Kindheit gewesen, sagte er. „Er macht nicht den Eindruck, als wenn er bleibende Schäden davongetragen hat“, witzelte Illner. Mehrmals in der Sendung widersprach Zinser den talkerprobten Gästen mit seinen präzisen Einwänden. „16-jähriger Schüler führt Konservative gnadenlos vor“, lauteten die Schlagzeilen heute.
Wie hat Zinser selbst die Sendung und die Debatte mit der konservativen Freifrau erlebt? „Ich glaube, vorführen ist das falsche Wort“, sagt der junge Mann - der sich über das Bundestagsvotum am Freitag sehr gefreut hat - im Gespräch mit FOCUS Online. „Ich wollte niemanden vorführen. Ich habe versucht, aus meiner Lebensrealität zu erzählen. Darum war ich ja eingeladen.“
"In unserer Familie geht es genauso zu wie in anderen Familien"
Manchmal müsse man "den Leuten" einfach widersprechen, sagt der Schüler. „Es war mir wichtig, den Kritikern der Ehe zu sagen, wie es wirklich bei jemandem aussieht, der zwei Väter hat.“ Seine Kindheit sei einfach ganz normal gewesen, erinnert er sich.
Eine Sache, die uns Mut macht
Eine Studie der Universität Bamberg hat gezeigt, dass Sorgen um das Wohl von Kindern mit gleichgeschlechtlichen Eltern unbegründet sind. „Regenbogeneltern“ sind demnach genau so gute Eltern wie andere. Die Kinder entwickelten sich genau so gut wie Kinder aus anderen Beziehungen. Auch fänden sich keine Anhaltspunkte für eine höhere Neigung zu Depressionen. Auch Hänseleien von anderen Kindern („Du hast ja gar keinen Papa“) steckten „Regenbogenkinder“ gut weg.
Die Studie stammt vom Staatsinstitut für Familienforschung an der Universität Bamberg, erschien 2009 und wurde vom Bundesjustizministerium in Auftrag gegeben.
„In unserer Familie geht es genauso zu wie in anderen Familien. Deswegen finde ich, dass gerade konservative Menschen für die Öffnung der Ehe für Homosexuelle sein sollten: Weil dort genau die gleichen Werte gelebt werden wie in anderen Familien“, so der 16-Jährige, der selbst bereits CDU-Mitglied ist und sich als konservativ beschreibt.
"Sie hat mich mehr als Einzelfall abgetan, bei dem das alles gut gelaufen sein mag"
Bei der Freifrau schien diese Botschaft nur bedingt anzukommen. „In ihrer Argumentation ist Hedwig von Beverfoerde leider nicht wirklich auf meine Lebensrealität eingegangen“, sagt Zinser. „Sie hat mich mehr als Einzelfall abgetan, bei dem das alles gut gelaufen sein mag. Das kann ich nicht nachvollziehen.“ Denn Zinser sagt, er sei sicher kein Einzelfall. Anderen Kindern, die gleichgeschlechtliche Eltern haben, gehe es wie ihm.
Zinser legt jedoch Wert darauf, dass er Hedwig von Beverfoerde als sehr höfliche Person kennengelernt habe. „Dass ich in der Frage nicht einer Meinung mit ihr bin, ist klar. Aber ich habe geschätzt, wie respektvoll sie mit mir umgegangen ist“, sagt er. Nach der Sendung hätten sie sich gegenseitig für die Diskussion bedankt. „Ich finde, das war eine sehr faire Runde.“
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