Jagdszenen, Tote, Boykott. Venezuelas Präsident Maduro gibt sich unbeeindruckt, er scheint die Demokratie endgültig beerdigen zu wollen. Die Wahl der Delegierten, die nun eine neue Verfassung erarbeiten sollen, wird von massiven Betrugsvorwürfen überschattet. So kommentiert die Presse.
"Es ist der Anfang vom Ende Maduros"
"Nürnberger Nachrichten": "Das Gute daran: Es ist der Anfang vom Ende Maduros. Der Präsident wird für die Misswirtschaft vergangener Jahre und die aktuelle Ignoranz zahlen, wie so viele Despoten woanders vor ihm. Das Traurige: Auch die Venezolaner werden die Rechnung begleichen müssen. Denn es ist offen, wie lange es dauert, bis das Regime kollabiert, und wie blutig der Weg dorthin wird. Die jüngste Eskalation der Gewalt lässt Schlimmes befürchten.
Maduro zerstört die Demokratie, treibt das Land in die Isolation; Bürgerkrieg wahrscheinlich. Aufgabe der Nachbarländer und internationalen Staatengemeinschaft ist es, den Druck auf Maduro hoch zu halten, die Opposition im Land zu stärken und den Präsidenten so zu Gesprächen zu zwingen, die in einen Verzicht auf die Macht münden. Nur mit personellem Neuanfang hat Venezuela eine Chance."
"Es riecht nach einem Bürgerkrieg"
"Volksstimme": "Die Venezolaner stöhnen über leere Läden und eine Inflationsrate von 1000 Prozent. Das gab es auch in Deutschland mal, 1923, kurz nach dem Ersten Weltkrieg. Aufstände flackerten auf, doch einer demokratischen Zentralmacht gelang eine Konsolidierung. Ein solcher Fahrplan ist für Venezuela nicht mehr vorstellbar. Präsident Nicolás Maduro will nur um jeden Preis seine Allmacht sichern. Dazu hat er sich das passende Instrument, eine Verfassunggebende Versammlung wählen lassen - mit wie viel Manipulation auch immer.
Es scheint in Venezuela keine Kraft mehr zu geben, die die Spaltung des Volkes in Maduro-Anhängerschaft und Opposition überbrücken könnte. Das potenziell reiche Land steuert in atemberaubendem Tempo auf die Unregierbarkeit zu. Es riecht nach einem Bürgerkrieg. Die Nachbarn verurteilen zwar das Maduro-Regime , viel mehr fällt ihnen aber nicht ein. Bricht Venezuela zusammen, wird der Knall in ganz Südamerika für Erschütterungen sorgen."
"Venezuela wird sich nie mehr ganz vom Chavismus erholen"
"Die Welt": "Man kann niemandem verdenken, dass er nach allem, was die letzten gut eineinhalb Jahrzehnte gebracht haben, in Venezuela keine Zukunft mehr sieht. Und so, wie sich das reiche, gebildete Argentinien nie mehr wirklich vom Populismus seines gewählten Diktators Juan Domingo Perón erholt hat, so wird sich auch der ehedem überreiche Erdölstaat Venezuela nie mehr ganz vom Chavismus erholen. Dafür bräuchte es nicht nur mutige und visionäre Führungsgestalten, sondern eine Bevölkerung, die eine längere Periode harter Reformen mittrüge – in Venezuela kaum denkbar."
"Das wahrscheinlichste Szenario: bürgerkriegsähnliche Krawalle"
"Westfälische Nachrichten": "Welche Perspektiven hat das Land? Das Militär wird von Maduro umschmeichelt und mit üppigen Pfründen ausgestattet - aber wie lange schauen sich die Generäle den Untergang des eigenen Landes noch an? Wenn die Haupt-Erdölabnehmer USA und China Maduros Regime mit Sanktionen belegten, wäre das Ende eingeläutet - aber wer glaubt schon, dass sich diese beiden derzeit einigen? Auf einen freiwilligen Rückzug Maduros kann man nicht ernsthaft hoffen. Das wahrscheinlichste Szenario: bürgerkriegsähnliche Krawalle."
"'Sozialismus des 21. Jahrhunderts' entlarvt seinen wahren Daseinszweck"
"Landeszeitung": "Wer nach dem Zerbrechen des Sowjet-Imperiums und der Demaskierung des real existierenden Sozialismus als Unterdrückungstechnologie mit dürftiger Lösungskompetenz für reale Probleme noch nicht den Stab über der Ideologie brechen mochte, sollte nach Venezuela blicken. Wahlen sind dort in Orwellscher Manier nur noch Steigbügel, damit Präsident Maduro sich zum Diktator aufschwingen kann. Kaum vorstellbar, dass Revolutionsführer Hugo Chávez noch vor wenigen Jahren die Herzen zuflogen.
Den "Sozialismus des 21. Jahrhunderts" wollte er begründen, ein Gegenmodell zum Kapitalismus. Dies misslang auf das Groteskeste - und das trotz voller Kassen. Am Ende entlarvt auch dieser "Sozialismus des 21. Jahrhunderts" seinen wahren Daseinszweck: die Knechtung der Massen durch wenige."
"Ehemaliger Busfahrer bastelt sich ein eigenes Parlament"
"Stuttgarter Zeitung": "Das dürfte in der jüngeren Geschichte wohl einmalig sein: Venezuelas regierende Sozialisten haben im Dezember 2015 die Parlamentswahlen krachend verloren, doch anstatt den Souverän zu respektieren, zeigten sie dem Wahlvolk die lange Nase. Seit der Wahlniederlage ignoriert Präsident Nicolas Maduro das Parlament, regiert mit Verhängung des Ausnahmezustands und mit Sonderdekreten. Allein das ist ein grober Verstoß gegen alle demokratischen Grundrechte. Doch Maduro geht noch weiter. Als der Versuch scheiterte, das demokratisch gewählte Parlament juristisch zu entmachten, kam dem ehemaligen Busfahrer die Idee, sich ein eigenes Parlament zu basteln."
"Revolution wird noch mehr ihrer Kinder fressen"
"Frankfurter Allgemeine Zeitung": "Solange das Militär zu Maduro steht, wird ein Regimewechsel auf der Straße nicht erkämpft werden können. Hinter dem Sicherheitsapparat aber steht Kuba, dessen kommunistische Nomenklatura keine Anstalten macht, in eine Rückkehr zur Demokratie in Venezuela einzuwilligen. Die Folgen für die "Transición" auf Kuba selbst wären unkalkulierbar. Die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) hat es jüngst nicht einmal vermocht, die Schleifung der letzten Verfassungsbastionen zu verurteilen.
Sanktionen, durch wen auch immer, die außer den Herrschenden auch die Bevölkerung träfen, würden das Elend nur noch vergrößern. Mit jedem Tag aber, an dem es der Opposition nicht gelingt, das Regierungslager zu schwächen und von der Revolution enttäuschte "Chavistas" auf ihre Seite zu ziehen, wird diese Revolution noch mehr ihrer Kinder fressen."
"Das ist Terrorismus - und kein Protest gegen Wahlen"
"Junge Welt": "Das Regierungslager in Venezuela ist aus der Wahl zur verfassunggebenden Versammlung am Sonntag als eindeutiger Sieger hervorgegangen. (...) Übrig geblieben von der Bewegung gegen die Regierung von Präsident Nicolás Maduro, die im vergangenen Jahr oder zu Beginn der aktuellen Protestwelle im April noch Zehntausende Menschen mobilisieren konnte, sind kaum mehr als die Barrikaden junger Straßenkämpfer.
Die Regierungsgegner beklagten am Sonntag 15 Tote, während die Behörden erklärten, dass es im Zusammenhang mit den Wahlen keine Todesfälle gegeben habe – ein Widerspruch ist das nicht. Internationale Nachrichtenagenturen wie Reuters verbreiteten Fotos, wie an Barrikaden vermummte Oppositionelle mit Feuerwaffen auf Polizisten schießen. Im Mittelschichtsviertel Altamira wurden Beamte durch eine Bombenexplosion verletzt. Das ist Terrorismus – und kein Protest gegen Wahlen."
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