Noch in diesem Jahr werden in den USA die Weichen für eine konfrontative Iran-Politik gestellt. Entweder vom Kongress, der Präsident Trumps Aufruf zu schärferen und umfassenderen Sanktionen folgt, oder durch den Präsidenten selbst, falls der Kongress keine Einigung erzielen kann und Trump den Nuklear-Deal mit dem Iran einseitig aufkündigen wird.
Zwar hat die Hohe Vertreterin der EU, Federica Mogherini, umgehend erklärt, dass ein Vertrag, der zwischen sechs Parteien geschlossen wurde, nicht von einer Partei aufgekündigt werden kann. Doch ist das ein blutleeres Argument. Wenn die USA ihre Position ändern, ist der Vertrag das Papier nicht mehr wert, auf dem er geschrieben ist. Die EU mag zum Abschluss der Verhandlungen gute Dienste geleistet haben. Aber sie ist aus iranischer Sicht nur der Trostpreis.
Den Iran integrieren
Jedenfalls, wenn es um die harten sicherheitspolitischen Fragen geht. Bedeutender ist die EU hingegen, wenn der Iran wieder in die internationalen Handelsbeziehungen und die wirtschaftliche Verflechtung integriert werden soll. Das ist ja das politische Kalkül hinter der europäischen Iranpolitik: Zeit gewinnen und die Beziehungen zum Iran so gestalten, dass in zwanzig Jahren das Thema eigener iranischer Nuklearwaffen gar nicht mehr relevant ist. Doch die Strategie wird von der amerikanischen Politik jetzt durchkreuzt.
Forderung nach eigenständiger Iranpolitik
Zu Recht fordert Marco Overhaus von der Stiftung Wissenschaft und Politik deshalb in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung", dass die EU eine eigene Iranpolitik braucht. Er fragt: "Für welche Iran-Politik wollen sich Berlin und andere europäische Hauptstädte einsetzen, und wie wollen sie mit der amerikanischen Politik umgehen, die einseitig auf Konfrontation gegenüber Teheran setzt?"
Das sind zwei wichtige und richtige Fragen und man mag hoffen, dass sie bei den Verantwortlichen wirklich gehört werden. Doch ist nicht erst seit der Ankündigung schärferer Sanktionen gegen die Revolutionsgarden und die Überweisung der Nuklearvertragsbewertung an den Kongress, also seit Herbst dieses Jahres, klar, dass sich die US-Politik grundlegend ändern wird. Das ist seit dem Frühjahr 2017 bekannt, als Präsident Trump in Saudi-Arabien die politische Isolierung des Iran zum außenpolitischen Programm erhob. Dass er über seinen Schwiegersohn Jared Kushner die Beziehungen zum saudischen Königshaus sehr eng führt, wird man in den europäischen Hauptstädten beobachtet haben.
Die Wirtschaft zuerst!
So richtig sind die EU-Staaten allerdings nicht in die konzeptionelle Arbeit, eine eigene Iranpolitik zu entwickeln, eingestiegen. Vielleicht hatte man ja auch gehofft, in den USA genügend Verbündete zu finden, um diesen Politikwechsel abzuwenden. Dann hätte man sich verkalkuliert und wertvolle Zeit verloren.
Denn zwischen dem im Iran erhofften wirtschaftlichen Aufbruch nach der Aussetzung der Sanktionen, woran auch deutsche Unternehmen starke Interessen haben, und der saudi-arabischen Politik der wirtschaftlichen Modernisierung, die ebenfalls viele Chancen eröffnet, hätte die Möglichkeit bestanden, wirtschaftliche Beziehungen zum dynamischen Treiber einer neuen Regionalordnung auszubauen. Darin ist insbesondere die deutsche Außenpolitik, aber sind auch andere europäische Staaten ganz gut. Sie müssen versuchen, wirtschaftlichen Instrumenten eine größere Durchsetzungskraft zu ermöglichen als militärischen Fähigkeiten.
Über den Experten
Prof. Dr. Thomas Jäger ist seit 1999 Inhaber des Lehrstuhls für Internationale Politik und Außenpolitik an der Universität zu Köln. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in internationalen Beziehungen sowie amerikanischer und deutscher Außenpolitik.
USA setzen auf Konfrontation
Doch droht dies alles jetzt aufgesogen zu werden von dem amerikanischen Ziel, den Iran politisch zu isolieren und die Gewaltkonflikte im Mittleren Osten zur Neuordnung der Region zu nutzen. Die Kriege in Syrien und Jemen sowie die innerstaatliche Gewalt sollen strukturbestimmender sein als die wirtschaftliche Entwicklung. Am Ende wird die EU der amerikanischen Iranpolitik und generell deren Ordnungspolitik im Mittleren Osten folgen. Denn die Frage auf den Punkt gebracht lautet: Was haben die EU-Staaten der konfrontativen Iran-Politik der USA entgegenzusetzen? Und die Antwort lautet: wenig.
Im Video: Russland, China oder der Iran? Nordkorea: Wer unterstützt Kim Jong Un bei seinem Atomwaffenprogramm?
Der lange Arm des Dollar
Denn sobald es um militärische Fragen geht, steigt die EU außerhalb kleinerer Aufgaben aus. Diplomatisch kann aber nur zurechtgezogen werden, was militärisch oder ökonomisch substantiiert wird. Also kommt es auf die ökonomischen Beziehungen an. Hier hat die EU deutlich andere Interessen als die USA. Aber werden sie diese durchsetzen können? Sobald die USA über ihre eigene Sanktionsgesetzgebung alle diejenigen Unternehmen, insbesondere Banken, die mit dem Iran Geschäfte abwickeln oder Transaktionen mit Unternehmen ausführen, die mit anderen Unternehmen, die mit dem Iran in Geschäftsbeziehungen stehen, zusammenhängen, finanziell bestrafen kann, ist die eigenständige europäische Iranpolitik an ihr Ende gekommen.
Denn selbst wenn die europäischen Regierungen – was sie nicht tun werden! – Unternehmen des eigenen Landes auffordern, in Geschäftsbeziehungen mit dem Iran zu treten, selbst wenn sie diese fördern – sie werden keine Unternehmen finden, die dies ausführen. Denn die internationalen Geschäfte, auch die mit den USA, sind wertvoller als die Irangeschäfte. Es ist der lange Arm des Dollar als einziger internationaler Reservewährung, der hier ziemlich effektiv zukneift.
Transatlantische Risse
Im Kern geht es deshalb bei der eingeforderten Iranpolitik gar nicht um den Iran, sondern um die Politik gegenüber den USA. Welche USA-Politik werden die EU-Mitgliedstaaten verfolgen? Weil die EU-Staaten in Fragen der äußeren Sicherheit auf die Leistungen der NATO angewiesen sind, die im Wesentlichen Leistungen der USA sind, wird die Antwort rasch gegeben sein. Bevor die EU also über eine eigenständige Iranpolitik nachdenkt, muss sie die Frage beantworten, welche Fähigkeiten sie den amerikanischen Zwangsinstrumenten entgegensetzen kann. Von heute aus, lautet die Antwort: keine.
No comments:
Post a Comment