Zwei Wochen vor der Parlamentswahl in Österreich geraten die Sozialdemokraten wegen einer angeblich aus ihren Reihen lancierten Schmutzkampagne gegen ÖVP-Chef und Außenminister Sebastian Kurz massiv unter Druck. SPÖ-Geschäftsführer Georg Niedermühlbichler trat deswegen zurück, Bundeskanzler Christian Kern bemüht sich um Schadensbegrenzung.
Wie das Magazin „Profil“ und die Zeitung „Die Presse“ am Samstag berichteten, soll der in Israel vorübergehend festgenommene Ex-Kanzler-Berater Tal Silberstein sowohl hinter der rassistischen Facebook-Seite „Die Wahrheit über Sebastian Kurz“ als auch hinter der vorgeblichen Fanseite „Wir für Sebastian Kurz“ stehen.
SPÖ-Geschäftsführer Georg Niedermühlbichler trat sofort zurück. Zugleich betonten er und SPÖ-Chef Christian Kern, dass Silberstein die Facebook-Gruppen ohne Kenntnis der Parteiführung organisiert habe. „Unser Vertrauen wurde missbraucht“, sagte Kern am Sonntag. Federführend soll laut „Die Presse“ der PR-Berater Peter Puller gewesen sein. Dieser war bereits für diverse Parteien tätig.
Die SPÖ werde die Schmutzkampagnen-Vorwürfe umfassend aufklären und eine entsprechende Task Force einrichten, kündigte der Regierungschef am Sonntag in Wien an. Laut dem Magazin „Profil“ gab es eine „Spezialeinheit“ der Wahlkämpfer, die mit der Negativ-Kampagne betraut war. Diese soll verdeckt mit rund 500.000 Euro aus dem Wahlkampf-Budget Silbersteins finanziert worden sein.
Vorwürfe des unlauteren Wahlkampfs
Am 15. Oktober wählen rund 6,4 Millionen Österreicher ein neues Parlament. Der 31-jährige Kurz führt in Umfragen deutlich vor dem 51 Jahre alten Regierungschef Kern. In den vergangenen Monaten gab es laut Berichten Vorwürfe des „dirty campaigning“, also des Wahlkampfs mit unlauteren Mitteln, von beiden Seiten. Auf SPÖ-Seite scheinen sich die Anschuldigungen nun zu bewahrheiten.
Die Urheber der Seite „Die Wahrheit über Sebastian Kurz“ waren wegen ihrer rassistischen Schlagseite bisher im rechten Milieu vermutet worden. Auf „Wir für Sebastian Kurz“ tauchten Postings auf, die die Schließung der Brennergrenze forderten und zugleich Kanzler und SPÖ-Chef Kern scharf kritisierten. Die falsche Fanseite produzierte Negativ-Schlagzeilen für die ÖVP.
Beide Facebook-Seiten wurden inzwischen gelöscht. „Die Wahrheit über Sebastian Kurz“ hatte zuletzt 16.000 Abonnenten und brachte regelmäßig reißerische Beiträge über den ÖVP-Chef, den sie „Lügen-Basti“ nannte. Die fremdenfeindliche Seite gab laut „Profil“ sogar Wahlempfehlungen für die rechtspopulistische FPÖ ab. Verbindungen zur SPÖ schienen daher lange unwahrscheinlich.
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Bundeskanzler Kern geht in die Offensive
SPÖ-Geschäftsführer Niedermühlbichler zeigte sich „bestürzt“. Da einer seiner Mitarbeiter beteiligt gewesen sei, übernehme er die Verantwortung. Der international gefragte Polit-Experte Silberstein war vor wenigen Wochen in Israel wegen Korruptionsvorwürfen festgenommen worden. Die SPÖ hatte sich daraufhin sofort von ihm getrennt.
Das betonte auch Kern, der trotz der Vorwürfe in die Offensive ging. Es blieben erhebliche Fragen, sagte der Bundeskanzler am Sonntag. So habe die SPÖ die Zusammenarbeit mit Silberstein und seinem Team im August beendet. Dennoch seien die Seiten weiter betrieben worden - sogar mit einem verschärften antisemitischen Ton. Man wisse nicht, wer dahinterstecke.
Es stelle sich die Frage, woher das Geld dafür gekommen sei, sagte Kern. Es könnte „interessante Querverbindungen“ zu anderen Parteien geben. „Wir müssen Licht in die Sache bringen und noch deutlich tiefer graben“, sagte er. Laut SPÖ-Chef wird der Fall nicht mit der Wahl beendet sein. All jene, die den Sozialdemokraten Schaden zugefügt hätten, müssten mit rechtlichen Schritten rechnen.
„Mit sozialdemokratischen Werten nicht vereinbar“
Auch der zurückgetretene Niedermühlbichler versuchte in seiner Ankündigung Schaden von der Partei abzuwenden. Das Engagement Silbersteins sei ein „großer Fehler“ gewesen. Die Inhalte der Facebook-Seite seien „abscheulich und mit demokratischen und sozialdemokratischen Werten nicht vereinbar“. Der Politiker betonte das Eintreten der SPÖ für den Antifaschismus.
„Wir haben diese Seiten weder beauftragt noch finanziert oder gar betrieben“, so Niedermühlbichler laut dem „ORF“. „Ich frage mich, wes Geistes Kind so einen Irrsinn produziert.“ Die Kritik der politischen Gegner ist erwartungsgemäß scharf. FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl forderte Kern zum Rücktritt auf. Der Bundeskanzler sei der Verantwortliche und Niedermühlbichler nur ein „Bauernopfer“.
Die ÖVP sprach vom Überschreiten einer „roten Linie“ und einem „Tiefpunkt im Wahlkampf“. Es sei unglaubwürdig, dass die Parteispitze der SPÖ nichts gewusst haben soll. Bei der Negativ-Kampagne gegen Kurz handle sich nicht mehr nur um „Dirty oder Negative Campaigning, sondern schlichtweg Wählertäuschung“.
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