Showdown im Schloss Bellevue: Am Donnerstag um 20 Uhr treffen sich Martin Schulz, Angela Merkel und Horst Seehofer auf Einladung von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in dessen Amtssitz.
Lässt sich die SPD nach dem Jamaika-Aus auf eine neue Große Koalition ein? Gibt es andere Möglichkeiten zur Zusammenarbeit? Oder kriegen sich die Parteichefs im Schloss Bellevue bloß in die Haare? Das Steinmeier-Gespräch wird mit Sicherheit wegweisend sein – und jeder der vier Akteure hat ganz klare Ziele, auf dessen Umsetzung er pochen wird.
Was Steinmeier sagen wird:
Der Bundespräsident hat bereits klargemacht, dass er Neuwahlen verhindern möchte. Das Wort des Staatsoberhaupts hat hier Gewicht, weil nur er am Ende Neuwahlen ausrufen kann. Steinmeier wird den Parteichefs nun mehrere Fragen stellen.
- Der Bundespräsident wird erörtern, ob die Parteien bereit sind, für Deutschland Regierungsverantwortung zu übernehmen.
- Steinmeier wird Seehofer, Merkel und Schulz dann konkreter fragen, welche Möglichkeiten sie sehen, wie eine Regierung gebildet werden könnte.
- Außerdem wird er die Parteichefs mit ihren bisherigen Festlegungen konfrontieren. SPD-Chef Schulz hatte eine Große Koalition noch vor gut einer Woche abgelehnt. Steinmeier wird fragen, ob das immer noch gilt.
- Eine wichtige Frage dürfte auch sein, wie das aktuell geschwächte Deutschland in Europa auftreten möchte.
Am Donnerstagabend soll es zunächst nicht um politische Inhalte gehen. Steinmeier will nur verkuppeln. Sein Ziel ist, dass sich die Parteichefs bald noch einmal treffen – dann ohne ihn.
Was Merkel will:
Das Ziel der Kanzlerin ist ganz klar: Sie will die Große Koalition mit der SPD. Merkel wird betonen, wie wichtig es sei, dass Deutschland eine stabile Regierung habe. So wird sie auch begründen, warum die Union nichts von einer Minderheitsregierung hält – egal ob alleine, mit Grünen oder FDP. Gerade auch mit Blick auf Europa hält Merkel es für nicht praktikabel, bei jeder Entscheidung vom Gutwillen der einzelnen Abgeordneten abhängig zu sein.
Neuwahlen lehnt Merkel ebenfalls ab. Sie wird betonen, dass der Wählerwille gilt. Merkel wird Schulz auch mit dem Argument überzeugen wollen, dass Neuwahlen am Ende vor allem der SPD schaden könnten. In einer aktuellen Umfrage lagen die Sozialdemokraten schließlich unter der 20-Prozent-Marke.
Was Seehofer will:
Der CSU-Chef wird den Verhandlungskurs vor dem Steinmeier-Gespräch noch mit Merkel abstimmen. Sie dürften recht geschlossen auftreten. Denn auch Seehofer will die Große Koalition. Im konservativen Bayern könnte er eine Koalition mit der SPD wohl sogar besser verkaufen als ein Bündnis mit den Grünen. Die Hauptsache für ihn: Am Ende mit einem Verhandlungserfolg zurück nach Bayern zu kommen, wo ihm akut die Absetzung droht.
Das heißt jedoch auch, dass Seehofer nicht viel Bewegungsspielraum hat, was die CSU-Positionen anbelangt. Möglich, dass er im Gespräch am Donnerstag schon einmal klarmacht, dass die Flüchtlingsvereinbarung der Union mit dem Richtwert 200.000 nicht verhandelbar ist. Auch die Mütterrente ist der CSU sehr wichtig. Um Schulz an Bord zu locken, muss Seehofer Kompromissbereitschaft an anderer Stelle signalisieren. Welche SPD-Projekte das sein könnten, ist offen.
Im Video: Verheerende Folgen des Machtkampfs: Wähler strafen CSU ab - eine Partei profitiert
Was Schulz will - und vor allem, was er nicht will:
Er wollte das Gespräch eigentlich gar nicht, aber er kommt nicht drumherum. Schulz weiß, dass Steinmeier, Merkel und Seehofer ihn allesamt zur Groko drängen wollen, umso skeptischer und distanzierter dürfte er im Schloss Bellevue auftreten. Für ihn ist die Groko nur die allerletzte Option, und es ist ungewiss, ob er das im Gespräch überhaupt zugibt.
Laut „Bild“-Zeitung hat sich der SPD-Chef akribisch auf das Steinmeier-Gespräch vorbereitet – und sich dabei auch von einem Verfassungsexperten schildern lassen, welche Optionen außer der Groko rechtlich möglich wären. So wird Schulz betonen, dass sich die SPD ihrer Verantwortung bewusst sei. Statt der verhassten Groko wird er jedoch massiv für alle anderen möglichen Lösungen werben.
Schulz wird Merkel und Seehofer vor allem die von der Union gescheute Minderheitsregierung schmackhaft machen wollen. Nach dem Motto: Macht es doch alleine, wir tolerieren euch unter bestimmten Bedingungen. Die SPD könnte etwa mit der Union kooperieren und mit ihr Vereinbarungen bei Themen wie Europa, der Außen- und der Haushaltspolitik treffen. Eine solche Lösung hatten einzelne SPD-Politiker schon ins Gespräch gebracht.
Schulz könnte argumentieren, dass die Regierung bei wichtigen Themen so stabil und stets handlungsfähig wäre. Außerdem haben auch viele andere europäische Länder Minderheitsregierungen, ohne dass absolute Chaos ausgebrochen wäre.
Der Vorteil für Schulz wäre: Der Groko-Gesichtsverlust bliebe ihm erspart. Er wird am Donnerstag bestimmt nicht müde, zu erklären, dass eine erneute Große Koalition der Demokratie nicht guttue und nur die politischen Ränder stärke. Einknicken und über Groko-Inhalte diskutieren, wird Schulz in dem Gespräch bestimmt nicht. Laut „Bild“ hat er sich fest vorgenommen, sich keinesfalls schon am Donnerstag auf echte Verhandlungen einzulassen. Nicht einmal eine Zusage für ein zweites Gespräch wird er der Union wohl geben können, denn erst am Freitagfrüh um 9 Uhr wird sich Schulz mit dem SPD-Parteipräsidium intensiv beraten.
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