Deutschland ringt um eine Regierung, doch ein Ende des Kampfes ist nicht in Sicht. Die Meldung, SPD und Union hätten sich am Donnerstagabend im Schloss Bellevue auf Verhandlungen für eine Große Koalition geeinigt, dementierte SPD-Chef Martin Schulz in einer Wut-Rede.
Im Willy-Brandt-Haus stellte Schulz am Freitag klar, es gebe kein „Grünes Licht für die GroKo“. Die Meldung sei „schlicht falsch“. Der Parteichef betont auch, dass es keinen Zeitdruck zum Handeln gebe. Schließlich liege der Ball bei der Kanzlerin, so Schulz zwischen den Zeilen. Bereits im Vorfeld hatte der SPD-Chef signalisiert, seine Partei sei nur mit Zugeständnissen seitens der Union zu GroKo-Gesprächen bereit.
Merkel kann Minderheitsregierung
Steckt Merkel deshalb in einer Koalitionskrise? Mitnichten. Die CDU-Chefin will mit (fast) allen koalieren, doch niemand mit ihr. Zeit also, für die Kanzlerin aus der Not eine Tugend zu machen: Sie sollte eine Minderheitsregierung wagen. Nicht nur, um die Chaos-SPD in ihre Schranken zu weisen. Es gibt vier weitere Gründe.
1. Sie kennt ihre Mehrheiten
Merkel kann nämlich Minderheitsregierung, wenn sie nur will. Schließlich hat die Kanzlerin bereits mit den Grünen, der FDP und der CSU sondiert. Auch die Anliegen der SPD kennt sie nach zwei gemeinsamen Legislaturperioden so gut wie kaum eine andere CDU-Politikerin.
Dadurch weiß Merkel ganz genau, bei welchen Gesetzesvorhaben sie mit welchem Partner rechnen kann – welche Mehrheit ihr im Bundestag sicher ist und welche nicht. So kristallisierte sich während der Jamaika-Sondierungen heraus, dass die Union Kompromisse in der Finanz-, Wirtschafts-, und Verkehrspolitik herstellen kann.
Sowohl die Liberalen als auch die Grünen zeigten sich trotz gescheiterter Sondierungsgespräche gegenüber einer CDU-geführten Minderheitsregierung offen. Vor allem die Grünen zeigten nach dem Jamaika-Aus eine noch nie dagewesen Einigkeit mit der Union. Sie waren es auch, die sich in der Frage der Zuwanderung auf die Union zubewegt haben.
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2. Sie setzt die SPD unter Druck
Sollte Merkel eine Minderheitsregierung wagen, stehen auch die Sozialdemokraten unter Druck.
Zwar könnte Schulz für sich reklamieren, die GroKo-Absage nicht einkassiert zu haben, allerdings kann sich seine Partei die Rolle der Fundamentalopposition nicht leisten. Denn um bei der nächsten Bundestagswahl nicht noch härter abgestraft zu werden, sollte die SPD mitgestalten – und zumindest mehrheitsfähige Gegenvorschläge unterbreiten. Das bedeutet: Ein reines Aufwärmen alter Wahlkampfforderungen, wie die Einführung der Bürgerversicherung, genügt nicht.
Das gilt insbesondere angesichts der inneren Zerrissenheit der SPD: Schulz muss es in der Opposition gelingen, auch die GroKo-Anhänger innerhalb seiner Partei zu befrieden. Das kann er nur schaffen, indem er auf Merkel zugeht.
3. Sie kann vermitteln
Um mit wechselnden Mehrheiten zu jonglieren, bedarf es einer Vermittlerin zwischen den Positionen. Darin hat sich die CDU-Chefin in den vergangenen zwölf Jahren als Regierungschefin bewiesen – jüngst in der Flüchtlingskrise, die das Verhältnis zur eigenen Schwesterpartei auf eine harte Probe gestellt hat.
Im Falle einer Minderheitsregierung würde Merkel ihre oft kritisierte, wenig ideologische Art zugutekommen. Schließlich bedarf es dann mehr denn je einer ordentlichen Portion Pragmatismus: Nur so schaffen es Gesetzesvorhaben durch den Bundestag.
4. Sie demonstriert Mut
Spätestens nach dem SPD-Dementi zu einer Großen Koalition, geht es auch für die Kanzlerin darum, Macht zu demonstrieren, aber vor allem ihr politisches Erbe zu wahren. Sie würde damit in ihrer wahrscheinlich letzten Amtszeit als erste Regierungschefin einer Minderheitsregierung in die deutsche Geschichte eingehen und damit Mut beweisen.
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