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Wednesday, January 31, 2018

Gastbeitrag von Yasar Aydin - Türkei erneut auf Europa-Kurs: Welche Aussichten hat ein Neustart?

Gastbeitrag von Yasar Aydin: Türkei erneut auf Europa-Kurs: Welche Aussichten hat ein Neustart?
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Nach zwei angespannten Jahren in den bilateralen Beziehungen bewegen sich nun Deutschland und die Türkei wieder aufeinander zu. Derzeit verdichten sich die Anzeichen der Entspannung.

Berlin und Ankara haben auf Staatssekretärsebene die regelmäßigen Konsultationen in Sicherheitsfragen wieder aufgenommen, die nach dem Putschversuch im Juli 2016 in der Türkei ausgesetzt wurden. Dabei geht es primär um den Kampf gegen die Terrormiliz IS.

Zum Jahreswechsel kamen der Menschenrechtsaktivist Peter Steudtner, die deutsch-türkische Journalistin Meşale Tolu und der Soziologe Sharo Garip frei. Zum Jahresanfang empfing Außenminister Gabriel in seiner Heimatstadt Goslar den türkischen Außenminister Mevlüt Çavusoğlu, um die diplomatische Eiszeit zwischen Berlin und Ankara zu beenden.

Über den Experten

Dr. Yasar Aydin lehrt an der Evangelischen Hochschule in Hamburg und schreibt Kommentare zu tagespolitischen Entwicklungen in deutschen und türkischen Zeitungen. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in Türkei, Internationale Beziehungen und Migration.

"Wir sind gezwungen, Feinde zu verringern und Freunde zu vermehren"

Zuvor signalisierte die Bundesregierung am 22. Dezember 2017 mit Maria Adebahr, Sprecherin des Auswärtigen Amtes, dass sie bereit sei, konstruktive Gespräche mit Ankara fortzusetzen, um die diplomatischen Spannungen abzubauen. Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan äußerte sich zum Jahresende ebenfalls positiv über die deutsch-türkischen Beziehungen: „Wir wollen natürlich, dass unsere Beziehungen zu der EU, zu den Ländern der EU, gut sind. Wir sind gezwungen, Feinde zu verringern und Freunde zu vermehren“.

Dass Erdoğan und Çavusoğlu derzeit anti-westliche Rhetorik meiden und versöhnliche Töne auf der diplomatischen Klaviatur spielen, hat tiefergehende Gründe: Innen- und außenpolitische Herausforderungen zwingen die AKP-Regierung, ihre Fühler erneut nach Europa auszustrecken. Die Spannungen mit Deutschland forderten einen hohen Preis für die türkische Wirtschaft. Ein Unternehmensführer aus Izmir erzählt den Gästen der staatlichen Investmentagentur ISPAT aus Deutschland – Journalisten und Wissenschaftler – dass die Unsicherheit über deutsche Hermes-Kreditbürgschaften seine Firma veranlasst haben, Investitionen einzufrieren. Faruk Güler lässt den deutschen Journalisten und Wissenschaftlern, die er durch die Freihandelszone von Izmir führt, wissen, dass der Ausnahmezustand in der Türkei Investoren und Gäste abschreckt, in das Land zu kommen.

Um das Superwahljahr 2019 mit den Regional-, Parlaments- und Präsidentschaftswahlen glanzvoll zu überstehen, braucht Erdoğan Investoren, Geld und Technik aus Europa. Dafür müssen gute Beziehungen zu Deutschland und der EU hergestellt werden, um das Land wieder wirtschaftlich attraktiv zu machen.

Entwicklungen in Syrien und im Irak gefährden die nationale Sicherheit

Auch geopolitische Turbulenzen in der Nahost-Region drücken die Türkei in Richtung Europa. Gewalt und politischer in der Nachbarschaft führten zum Ausfall lukrativer Absatzmärkte für die türkischen Exporte. Umso wichtiger sind jetzt die europäischen Märkte. Zudem gefährden die Entwicklungen in Syrien und Irak die nationale Sicherheit und territoriale Integrität der Türkei, die expansiven Aktivitäten Russland und Irans stellen Ankara vor außenpolitische Herausforderungen.

 

Doch reichen diese Signale der Annäherung aus Ankara für einen Neustart in den deutsch-türkischen Beziehungen aus? Wohl kaum. Außenminister Gabriel erklärte bereits, dass er sich eine engere Form der Zollunion angesichts der politischen Lage in der Türkei nicht vorstellen könne. Zu den Gründen für die bilateralen Spannungen zählen auch der Demokratieabbau, Menschenrechtsverletzungen, Einschränkungen der Pressefreiheit sowie die Aushebelung der Gewaltenteilung. Diese bestehen weiterhin.

Damit sich der jüngste Trend der Stimmungsaufhellung fortsetzt, braucht es eine innenpolitische Normalisierung in der Türkei. Die Bundesregierung kann nicht im Inneren gegen Illiberalismus und nationalistischen Populismus effektiv vorgehen, wenn sie diese anderswo toleriert. Berlin erwartet sicherlich auch, dass Ankara in der Außenpolitik – sei es im Kampf gegen Terrorismus oder im Umgang mit Russland – berechenbarer wird und wichtige außenpolitische Themen im Vorfeld mit Berlin abspricht.

Schlechte bilateralen Beziehungen gefährden Sicherheitsinteressen

Bei aller berechtigten Kritik an der Türkei, wäre es sinnvoll, Ankara die Eröffnung neuer Kapitel in Aussicht zu stellen, um die türkische Staatsführung, die sich einen Neustart in den Beziehungen herbeisehnt, auch für eine Kurskorrektur zu motivieren. Klüger ist es, statt die Eröffnung neuer Kapitel und die Aktualisierung der Zollunion von vornherein auszuschließen, diese an die Bedingung zu knüpfen, den Ausnahmezustand endgültig aufzuheben und zumindest eine Teilamnestie zu erlassen.

Es steht außer Zweifel: Deutschland und die Türkei können es sich nicht leisten, die bilateralen Beziehungen auf diesem Niveau zu lassen. Spannungen zwischen Berlin und Ankara gefährden nicht nur die Sicherheitsinteressen und engen die außenpolitischen Handlungsspielräume beider Staaten, sondern bremsen auch die Integration der Deutschlandtürken.

Die Recherche wurde unterstützt von der staatlichen türkischen Investmentagentur ISPAT. Der Autor hat das Angebot angenommen, um vor Ort mehr Eindrücke aus erster Hand zu gewinnen.

Im Video: Türkische Gerichte ignorieren Verfassungsgericht und halten Journalisten fest

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