Die große Koalition dürfe nicht als "alternativlos" bezeichnet werden, heißt es in einem Papier des konservativen "Berliner Kreises" in der Union. Das zielt in zwei Richtungen - auf die Mitglieder und auf die Parteispitze.
In der Union werden kritische Stimmen zu den Koalitionsverhandlungen laut. So mahnt der „Berliner Kreis“ mit Blick auf die SPD, mit einem „solchen Partner ist dauerhaft eine stabile Regierung kaum zu führen“. Hinzu komme die Ungewissheit, ob die SPD-Mitgliederbefragung überhaupt eine Zustimmung zu einer großen Koalition erbringen werde. Sollte eine große Koalition nicht zustande kommen, plädiert das Netzwerk konservativer Abgeordneter und Mandatsträger für die Bildung einer Minderheitsregierung. „Sie wäre allemal besser als Neuwahlen“, heißt es in einem dreiseitigen Positionspapier. „Diese würden das gegenwärtige Dilemma derzeit nicht beseitigen und sogar noch zu einer Stärkung der Linkspartei und der AfD führen.“
Christean Wagner, Gründer des Berliner Kreises, sieht nicht, dass das Papier den Verhandlern der Union zusätzliche Probleme bereitet. „Das Papier macht die Lage nicht schwieriger“, sagte der frühere hessische Kultus- und Justizminister im Gespräch mit FOCUS Online. „Wir sind eine diskutierende Partei. Natürlich ist es richtig, jetzt zu verhandeln. Allerdings muss an die SPD auch der klare Hinweis gegeben werden, dass Verabredungen nicht immer wieder neu in Frage gestellt werden können.“ Die Bundestagsabgeordnete Sylvia Pantel ergänzt: „Wir tragen Kompromisse mit. Aber über das hinaus, was im Vorfeld vereinbart wurde, gibt es nichts.“
Sondierungspapier markiert die Grenze
Mehr als 30 Abgeordnete aus der Bundestagsfraktion zählen nach Angaben von Pantel bislang zum Berliner Kreis, und der Zuspruch nehme kontinuierlich zu. Das dreiseitige Papier zu den Koalitionsverhandlungen betrachten die Initiatoren einerseits als Wegweisung für die eigene Anhängerschaft, damit diese wisse, wie die konservativen Positionen in der CDU lauteten. Sie sehen es andererseits auch als Mahnung an die Verhandlungsdelegation, vor allem an die Parteispitze, Grundüberzeugungen der Union nicht preiszugeben. „Der Berliner Kreis betrachtet im Hinblick auf das Sondierungspapier die bisherigen Ergebnisse schon jetzt als ein erhebliches Entgegenkommen der Unionsparteien“, heißt es.
Im Video: Betroffene enttäuscht: Bei einem Thema brechen Union und SPD schon jetzt ihre Wahlversprechen
Ein Dorn im Auge ist dem Kreis dabei die Europapolitik. Hier müsse das Risiko für Deutschland minimiert werden, sagte Pantel. Die Ausstattung der Bundeswehr kommt dem konservativen Kreis in den Koalitionsgesprächen bislang zu kurz. Und beim Thema Flüchtlinge sehen sie keinen Spielraum für weitere Bewegung in Richtung der SPD. „Wir treffen Entscheidungen nicht nur für heute, sondern für die Zukunft“, erläuterte Pantel ihre Position. Da sei das jetzt beschlossene Kontingent von 1000 Personen monatlich für den Familiennachzug bei Flüchtlingen mit eingeschränktem Schutzstatus die Grenze des Machbaren, so dass nicht noch Härtefälle in nennenswerter Größenordnung hinzukommen könnten.
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"Katastrophales Wahlergebnis vom 24. September"
Für den Fall, dass es doch Neuwahlen gibt, fordert der Berliner Kreis von Angela Merkel ein klares Konzept. Wenn die CDU-Vorsitzende und Bundeskanzlerin erneut antrete, müsse sie erklären, mit welchem Plan sie antreten wolle, um ein besseres Ergebnis für die Union zu erzielen als am 24. September, sagte Wagner. Die Frage, ob Merkel überhaupt nochmals antreten solle, stelle sich nicht, betonte er. Wenn Angela Merkel nochmals ins Rennen gehen wolle, werde sie dafür auf einem Parteitag eine Mehrheit finden. „Aber dann muss sie ein Wahlkonzept liefern.“ Im Papier heißt es mit Blick auf Neuwahlen, die es möglich zu verhindern gelte: „Im Übrigen ist nicht erkennbar, mit welchem Konzept die Union eine Wiederholung des katastrophalen Wahlergebnisses vom 24. September 2017 verhindern will.“
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