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Wednesday, January 31, 2018

Herfried Münkler im Interview - Experte zu GroKo-Streit: "Jusos haben ungeschickt agiert und der SPD geschadet"

Herfried Münkler im Interview: Experte zu GroKo-Streit: "Jusos haben ungeschickt agiert und der SPD geschadet"
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Herfried Münkler zählt zu den einflussreichsten deutschen Politikwissenschaftlern. Im Interview erklärt er, warum „GroKo“ Begriffsmagie ist, wie die Jusos der SPD geschadet haben und was mit der Macht der Mitte passiert.

FOCUS Online: Herr Münkler, Sie waren selbst in Ihrer Jugend Mitglied der Jusos. Bedauern Sie, dass sich die Jusos mit ihrem „Nein zur GroKo“ nicht durchsetzen konnten?

Herfried Münkler: Nein, meine Zeit bei den Friedberger Jusos – deren Sprecher ich war – ist mehr als 40 Jahre her. Heute sehe ich mich eher als Sozialdemokrat denn als ehemaliger Juso. So viel taktisches und strategisches Unvermögen, wie es die Jusos in der aktuellen Auseinandersetzung um die Koalitionsverhandlungen an den Tag gelegt haben, haben wir damals sicherlich nicht geleistet. Wir hatten eine klare Vorstellung von Macht und Einfluss, und danach hat es uns gedrängt – die Freuden der Opposition konnten wir nicht unbedingt genießen.

"Die Jusos haben großes Ungeschick bewiesen"

Wenn wir innerhalb der Friedberger SPD in der Minderheit waren, dann war das Ziel, die Definitionsmacht innerhalb des Ortsvereins zu übernehmen, Mehrheiten zu bekommen und zu gestalten. Ich habe die jüngsten Entwicklungen mit einer gewissen professionellen Verachtung betrachtet. Die Jusos haben großes Ungeschick in Argumentieren wie Agieren bewiesen. Sie mögen als Organisation viel Aufmerksamkeit bekommen haben. Der SPD haben sie in jedem Fall geschadet.

Über den Experten

Herfried Münkler ist ein deutscher Politikwissenschaftler mit den Schwerpunkten Politische Theorie und Ideengeschichte. Er lehrt an der Humboldt-Universität in Berlin.

 

FOCUS Online: Sie teilen die Forderung also nicht?

Münkler: Als Politikwissenschaftler, der solche Prozesse beobachtet, muss ich sagen: Eine solche Anhäufung von Fehlern ist schon beachtlich. Nach dem Scheitern von Jamaika war ein politischer Zwang für die SPD entstanden, in eine Koalition mit der CDU einzutreten, die eine längerfristige Perspektive als ein lockeres Bündnis hat. Wenn man Einfluss haben will und sich in die Verantwortung nehmen lässt, dann muss man auch in der Lage sein, seine Ziele zur Geltung zu bringen.

Die Vorstellung einiger Sozialdemokraten, Opposition sei der Ort der Regenerierung, ist einem System geschuldet, das es nicht mehr gibt. Das war die Konstellation mit zwei großen Volksparteien und der FDP in der Mitte. Letztendlich sind bis 1998 alle Regierungswechsel in der Bundesrepublik Deutschland Folge eines veränderten Koalitionsverhaltens der FDP gewesen. Und in dieser damaligen Situation war die Opposition ein Ort der Erholung und der Aufstellung einer Reserveregierung.

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"Die Zeiten der großen Koalition sind vorbei"

Teile der SPD haben offenbar nicht wahrgenommen, dass es diese Konstellation nicht mehr gibt. Alle, die das Wort „GroKo“ genau so verwenden, wie 1966, haben nicht wahrgenommen, dass die damalige große Koalition tendenziell über 90 Prozent der Stimmen verfügte, mit einer kleinen und harmlosen FDP als Oppositionspartei. Aber heute ist es ein Bündnis, das zwar ordentlich über die 50 Prozent kommt, aber auch nicht gewaltig. Wenn man hier dasselbe Wort verwendet, handelt es sich um eine Art Begriffsmagie. Das ist keine große Koalition mehr, die Zeiten einer großen Koalition sind vorbei.

"Schlechte SPD-Umfragewerte sind Quittung vom Herunterreden der eigenen Leistung"

FOCUS Online: Wird eine nun wahrscheinliche Neuauflage der GroKo die Sozialdemokraten noch mehr Vertrauen kosten?

Münkler: Das hängt davon ab, wie sich die SPD jetzt anstellt. Es war sehr ungeschickt, die Leistungen der Sozialdemokraten in der letzten Regierung konsequent herunterzureden. In diesem Sinne hat sich die SPD kräftig bemüht, in die Nähe der 20 Prozent zu kommen. Auch die Sondierungsergebnisse mit der CDU wurden von der SPD selbst schlechtgeredet. Da sind die jüngsten Umfrageergebnisse bloß die Quittung für den inneren Streit und das „Sich selbst in den Rücken fallen“ der Partei.

Im Video: Vor einem Jahr wurde er nominiert - Umfrage zeigt Schulz' dramatischen Absturz

FOCUS Online: In Ihrem Buch „Macht der Mitte“ beschreiben Sie die Koinzidenz der Mitte-Orientierung als Verwundbarkeit Deutschlands: große Koalitionen nutzten sich auf Dauer ab und blockierten den demokratischen Wandel im Inneren. Macht eine neue GroKo Deutschland verwundbarer?

Münkler: Ich würde, wie gesagt, nicht von „großer Koalition“ sprechen, sondern von „Koalition aus CDU und SPD“ und im weiteren Sinne von einer „Koalition der Mitte“. Die neuerliche Bildung hat mit einem strukturellen Zwang zu tun. Eine Koalition aus Union, FDP und Grünen hat bekanntlich nicht funktioniert. Jamaika wäre keine Koalition der rechten oder linken Mitte gewesen, wie man es am französischen oder italienischen Modell in der Vergangenheit beobachten konnte. Dieses wird nämlich entweder von Bürgerlichen oder „Sozialisten“ regiert und dazwischen gibt es immer wieder Regierungswechsel.

Diese europäischen Verhältnisse haben in Italien bis in die späten 80er Jahre hinein gedauert und sind dann in der großen Korruptionsaffäre zerstoben. In Frankreich haben sie aufgrund des aufgekommenen Front National zur einer Selbstblockade geführt, sodass weder Sarkozy noch Hollande viel hinbekommen haben. Der frische Geist, den Macron verkörpert, resultiert aus dem Besetzen der Mitte.

"Koalition links der Mitte auf Bundesebene vorerst nicht nicht Sicht"

FOCUS Online: Und die linke und rechte Mitte in Deutschland?

Münkler: Wir haben es mit einer tiefgreifenden Umstellung des politischen Systems zu tun. Es ist vorerst nicht sichtbar, dass in Deutschland auf Bundesebene eine Koalition links der Mitte gebildet werden kann. Eine Koalition aus SPD, Linken und Grünen ist aus außenpolitischen und europapolitischen Gründen nicht in Sicht. So ähnlich sieht es auch auf der rechten Seite aus: Die Stimmen von CDU und FDP haben nicht genügt, und die 12,4 Prozent der AfD stehen außerhalb.

Insofern gibt es einen strukturellen Zwang zur Bildung von Koalitionen ohne Linke und AfD. Da gab es nur die Optionen Jamaika oder Schwarz-Rot. Das sind keine Konstellationen, bei denen es eine klare Positionierung von Alternativen im Sinne der rechten und linken Mitte gibt, die als unterscheidbare Wege der Bewältigung politischer Herausforderungen wählbar wären. Das sind die Umstände, die die Wähler geschaffen haben.

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