Immer wieder gibt es Meldungen über gewaltsame Zusammenstöße zwischen Bewohnern von Flüchtlingsheimen, auch Berichte über Auseinandersetzungen zwischen rechten Gruppen und Asylbewerber sind bekannt.
Kaum öffentlich werden hingegen Vorfälle, in denen die Gewalt von Flüchtlingsbetreuern ausgeht. Recherchen des Mitteldeutschen Rundfunks haben nun solche Taten offengelegt. Davon angeblich betroffen: eine Unterkunft für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in Bad Suderode in Sachsen-Anhalt.
Lutz D., ein ehemaliger Heimmitarbeiter, sprach mit dem Sender über einen Vorfall, bei dem ein Kollege gegen einen Flüchtlingsjungen Ende Januar 2017 handgreiflich geworden sein soll. Es sei nachts gewesen, als sich zwei Jungen im Heim gestritten haben – und der Betreuer daraufhin einschritt.
Der Beschuldigte und die Heimleitung streiten Vorwürfe ab
Lutz D. habe zu diesem Zeitpunkt Dienst gehabt, die Gewalt zwischen dem Betreuer und den Flüchtlingen selbst miterlebt: „Carsten hat Bascha angeschrien, er möchte jetzt endlich den Mund halten. Er hat ihm hier nichts zu sagen und er hat das letzte Wort. In dem Moment schnappte er ihn am Hals, dann höre ich es die Treppe runterpoltern“, wird Lutz D. zitiert. Der beschuldigte Heimmitarbeiter habe den Flüchtling „durch den Nachbarraum gezogen“ – und „ihn dort zur Strecke gebracht“, so Lutz D. weiter. Wie es dem jungen Mann inzwischen geht, bleibt offen.
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Der mutmaßliche Täter und die Heimleiterin streiten laut Bericht die Vorwürfe ab. Der Beschuldigte sagt zu dem Vorfall im Januar dem MDR, dass auch andere Jugendliche die Situation beobachtet hätten. „Die dürfte es bezeugen, dass es dort kein Würgen gab. Dass es durch Sprachbarrieren zu einem großen Missverständnis kam“, so der Betreuer.
Übergriffe von Heimmitarbeitern soll es auch in einer Asylunterkunft in Wendefurt in Sachsen-Anhalt gegeben haben. Mehdi S., ein ehemaliger Bewohner des Heims, schildert dem Sender seine Gewalterfahrungen durch das Heimpersonal, nachdem er mit zwei Flaschen Bier den Speisesaal der Unterkunft betreten hatte.
„Haben mich so heftig geschlagen, dass ich nicht mehr aufstehen konnte“
„Sie haben sofort angefangen, mich zu schlagen, es waren zwei bis drei Leute von der Security, sie haben mich so heftig geschlagen, dass ich nicht mehr aufstehen konnte“, erklärte Mehdi S. Der Heimleiter soll ihn mit Kabelbindern fixiert und versucht haben, die Verletzungen abzudecken.
Weitere Flüchtlinge in dem Heim bestätigten dem Sender zufolge diese Gewalteskalation. Der belastete Heimleiter selbst will sich zu den Vorwürfen angeblich nicht äußern. Er teilte dem MDR mit, dass es seiner Ansicht nach keine Gewalt an Asylsuchenden gegeben habe.
Von der zuständigen Aufsichtsbehörde, dem Landratsamt des Landkreises Harz in Halberstadt, heiße es schriftlich, sie sehe das Gewaltpotential nicht bei den Mitarbeitern des Flüchtlingsheim. Vielmehr soll die Behörde auf „körperliche Auseinandersetzung“ zwischen den Bewohnern verwiesen haben. In solchen Fällen „müssen dann Heimleiter und auch Sicherheitsleute eingreifen, um Schlimmeres zu vermeiden“, heißt es.
Abhängigkeitsverhältnisse lassen Opfer schweigen
Kommt es zu Gewalttagen, zeigen Flüchtlinge sie so gut wie nie an. Stefanie Mürbe vom Flüchtlingsrat in Sachsen-Anhalt erklärt dem Sender: Die Hürden für Anzeigen nach Gewalt durch Heimmitarbeiter seien zu hoch. Der Grund: Abhängigkeitsverhältnisse zwischen Flüchtlingen und ihren Betreuern sowie fehlendes Vertrauen in staatliche Stellen.
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