Danke dafür, was Deutschland für uns syrische Flüchtlinge getan hat. Ich sage es jedem meiner Freunde und Verwandten: Deutschland ist für mich das beste Land der Welt. Ihr habt mit unserem Krieg nichts zu tun. Ihr hättet uns nicht helfen müssen. Und ihr habt es doch getan. Das vergesse ich euch nie.
Meine Heimatstadt ist Homs. Vielleicht haben Sie schon von diesem Ort gehört. Die Stadt hat 800.000 Einwohner. Das heißt: Sie hatte mal 800.000 Einwohner. Homs war die Hochburg des Protestes gegen den syrischen Diktator Baschar al-Assad. Als der Aufstand losging, kehrte ich aus Beirut, wo ich Film und Regie studiert hatte, zurück in meine Heimat, um an der Seite der Menschen zu stehen, die für Freiheit und Demokratie kämpften.
Zwei Jahre wurde unsere Stadt immer wieder angegriffen, sie wurde belagert, ausgehungert, ausgebombt. All das habe ich mit meiner Filmkamera dokumentiert. Homs sieht heute aus wie Hamburg nach dem Zweiten Weltkrieg. Eine einzige Trümmerwüste.
„Es ist besser, tot zu sein als Flüchtling im Libanon“
Dort zu leben, das geht nicht mehr, so sehr ich das auch bedauere. Als ich 2014 die Stadt verließ, gab es kein Land, das uns helfen wollte. Ausgerechnet die Völker, die sagen, dass sie unsere Brüder sind, lehnten es ab zu helfen. Jahrelang haben unsere arabischen Nachbarn dem Krieg tatenlos zugeschaut, haben nichts dagegen unternommen. Und als dann syrische Flüchtlinge an ihre Tür klopften, haben sie sie nicht wie Brüder und Schwestern behandelt, sondern wie den letzten Dreck. Am schlimmsten ist es im Libanon, wo die Flüchtlinge in riesige Zeltlager gepfercht werden, und das war’s. Es ist besser, tot zu sein als Flüchtling im Libanon.
Meine Flucht über die Türkei, Griechenland, Mazedonien, Serbien bis nach Hamburg war abenteuerlich. Manchmal mit Bussen und Zügen, oft aber zu Fuß. Einen Monat dauerte es, bis ich endlich in Hamburg war. Ich wollte hierher, weil mein Bruder schon seit 15 Jahren in Norddeutschland lebt. Und einer meiner Onkel noch viel länger.
"Warten. Warten. Warten. Das ist wirklich zermürbend"
Der Anfang in Deutschland war hart. Ich habe mit vielen anderen in einer großen Unterkunft in Neumünster gelebt und auf die Anerkennung als Flüchtling gewartet. Warten. Warten. Warten. Das ist wirklich zermürbend. Nichts darfst du machen. Nicht arbeiten, keinen Sprachkurs besuchen. Nichts. Nur rumsitzen.
Ich hatte Glück. Bei mir dauerte es nur sieben Monate. Andere harren ein Jahr aus oder zwei. Die werden schier wahnsinnig. Manche sind wütend und rasten aus, verstehen nicht, warum man ihnen das antut. Sie verlieren so viel Zeit.
Aber wie gesagt: Ich hatte Glück. Für mich haben die Behörden wirklich alles möglich gemacht. Ich durfte zum Sprachkurs und habe ihn mit „Sehr gut“ bestanden. Ich durfte eine Weiterbildung an der Hamburg Media School machen, die ich ebenfalls mit „Sehr gut“ abgeschlossen habe. Christian Ramm, mein Sachbearbeiter beim Jobcenter in Ahrensburg, dem ich sehr zu Dank verpflichtet bin, sagt immer: „Herr Tadmory, ich bin stolz auf Sie.“
„Bitte, liebe Deutsche, berücksichtigt, was viele Syrer hinter sich haben“
Ich weiß, nicht bei allen klappt die Integration so gut wie bei mir. Manche Flüchtlinge brauchen mehr Zeit als ich. Aber ich bitte euch, liebe Deutsche, zu berücksichtigen, was viele Syrer hinter sich haben. Viele waren noch vor wenigen Jahren erfolgreich in ihrem Job, hatten Familie, Haus, Auto. Dann kam der Krieg. Er hat alles vernichtet. Viele Menschen haben ihre nächsten Angehörigen sterben sehen. Dann die Flucht in ein neues Land. Plötzlich sind sie Fremde, müssen eine neue Sprache erlernen, sich in einer anderen Kultur zurechtfinden und das alles so schnell wie möglich. Manche sind überfordert damit.
Was mich angeht: Ich will nur eins – es in Deutschland zu was bringen. Ich habe den unbedingten Willen, Filmemacher zu werden. Beim NDR und bei Arte habe ich Praktika gemacht. Derzeit arbeite ich an einem Dokumentarfilm über den Krieg in Syrien. Ein Kurzfilm von mir ist vor einigen Wochen nachts im Bayerischen Rundfunk gelaufen: die Geschichte über einen syrischen Flüchtling und was er sich von Deutschland erhofft. Derzeit bewerbe ich mich beim Norddeutschen Rundfunk um ein Volontariat, also eine richtige Ausbildung.
„Mein Traum ist, dass ich schon in zwei, drei Jahren perfekt Deutsch spreche“
Mein Traum ist, dass ich schon in zwei, drei Jahren perfekt Deutsch spreche, dass ich eine feste Arbeit habe, ein Auto, eine Wohnung. Ich will dem Staat nicht auf der Tasche liegen. Ich will mein eigenes Geld verdienen. Deshalb hoffe ich, dass das beim NDR klappt.
Ich möchte euch noch was sagen: Seid bitte fair mit uns Flüchtlingen. Ihr redet viel über das, was Silvester 2015/2016 passiert ist und darüber, dass Flüchtlinge kriminell sind, sich deutschen Frauen unsittlich nähern. Ja, unter Hunderttausenden von Flüchtlingen gibt es auch Menschen, die schlecht sind. Aber es gibt auch Deutsche, die Flüchtlingsheime anzünden, und Deutsche, die Flüchtlinge auf der Straße attackieren. Daraus würde ich nie den Schluss ziehen, alle Deutschen seien schlecht. Es sind einzelne Kriminelle, die so etwas tun. Bei euch wie bei uns.
Dieser Artikel wurde verfasst von Sulaiman Tadmory
Im Video: Silvesterknaller schrecken Pferd auf Straße - ein Auto kann nicht mehr bremsen
Der Beitrag Ein syrischer Flüchtling sagt Danke: „Deutschland ist das beste Land der Welt“ erschien zuerst auf Mopo.
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