„Stadt soll Mann in Obdachlosigkeit getrieben haben“ – mit dieser Schlagzeile machte in der Adventszeit die „Sächsische Zeitung“ auf. Hintergrund: Ein anerkannter Asylbewerber in der Kreisstadt Freital musste aus einer Gemeinschaftsunterkunft ausziehen. Über Monate hatte er laut Bericht versucht, eine Wohnung zu finden.
Weil das nicht gelang, hätten Flüchtlingsbetreuer bei der Caritas die Stadt um Unterstützung gebeten – doch die habe es abgelehnt, dem Mann eine Notunterkunft bereit zu stellen. Kurz darauf ist er dem Bericht zufolge obdachlos gewesen.
Nach der Anerkennung müssen Flüchtlinge ihre Wohnung selbst suchen
Das Schicksal des Flüchtlings ist laut Recherchen des Mitteldeutschen Rundfunks in Sachsen bisher ein Einzelfall. Dass Asylbewerber in die Obdachlosigkeit rutschen können, bleibt aber eine Gefahr. Der Grund: Wer anerkannt ist, fällt nicht mehr unter die Asylgesetze, wird fortan vom Jobcenter betreut und muss sich selbst eine Wohnung suchen.
Eine Hürde dabei: Die Unterkunft darf die Wohnkosten für Hartz-IV-Empfänger nicht übersteigen. Dem Mann aus Freital, der offenbar schon vor seiner Anerkennung von der Caritas betreut wurde, sei das nicht gelungen. Die Stadt Freital weist die Vorwürfe, ihm nicht geholfen zu haben, entschieden zurück. „Entgegen der Darstellung der Caritas hat die Stadt Freital sich sehr wohl um den Fall des angeblich obdachlosen anerkannten Asylbewerbers gekümmert“, sagte der Erste Bürgermeister Peter Pfitzenreiter der „Sächsischen Zeitung“.
Er verweist auf die nun bereitgestellte Wohnung für den Mann – und erklärt, dass soziale Hilfsorganisationen wie die Caritas anerkannte Flüchtlinge bei der Wohnungssuche betreuen. Eine Maßnahme, um Obdachlosigkeit zu verhindern.
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„Es gibt einfach zu wenig sozialen Wohnungsbau“
Die Anerkennung und damit der Wechsel der zuständigen Behörde für viele Asylempfänger Probleme mit sich, sagt Silke Maresch von der Caritas im sächsischen Pirna dem MDR.
„Wenn die Familien eine Anerkennung erhalten, sind sie gezwungen, zeitnah aus der (Anm. d. Red. von der Stadt betreuten) Gewährswohnung auszuziehen. Oft ist es so, dass sie vor Ort bleiben wollen. Es hängen ja Kindergarten, Schule usw. mit dran, teilweise Arbeitsstellen. Es gibt Ehrenamtskreise, es sind Freundschaften entstanden“, so die Caritas-Mitarbeiterin.
Kerstin Böttger von der Diakonie Sachsen berichtet ähnliches. Demnach hätten Flüchtlingsfamilien mit mehreren Angehörigen in Gemeinschaftsunterkünften Zuflucht gefunden. Aber nach der Anerkennung auf dem freien Markt eine Wohnung „mit vier oder fünf Zimmern zu finden, das ist kaum möglich“, so Böttger. Sie mahnt an: „Es gibt einfach zu wenig sozialen Wohnungsbau und bei privaten Vermietern ist dann oft Schluss."
Weil zuletzt weniger Asylsuchende nach Sachsen gekommen sind (circa 300 Menschen seit Februar 2017 im Vergleich zu 8300 Asylbewerber im November 2015), plädieren Flüchtlingssozialarbeiter dafür, bei Bedarf Gewährswohnungen in normale Mietwohnungen für anerkannte Asylbewerber umzufunktionieren.
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