Jetzt ist es die Pflicht der großen Koalition, zügig und ohne öffentlichen partei-politischen Zwist einen weit in die Zukunft weisenden Koalitionsvertrag zu schmieden.
Neben eher problematischen Inhalten haben sich Union und SPD auch auf positive Themen verständigt.
Mehr Europa – das ist die richtige Antwort auf den globalisierten Wettbewerb und unsere internationalen Herausforderungen. Mit Emmanuel Macron haben wir einen französischen Staatspräsidenten, der eine neue Vision von Europa hat und Europa mit Mut aktiv gestalten möchte. Von einer neuen Bundesregierung erwarte ich, dass sie den Reformprozess mit eigenen Konzepten und Ideen partnerschaftlich begleitet, damit Frankreich und Deutschland wieder zum Motor der europäischen Entwicklung werden.
Über den Gastautor
Ingo Kramer, 65, ist Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeber-Verbände.
Mehr Bildung – dieses zentrale Ziel unterstützen wir voll und ganz. Bildung ist eine der wichtigsten Ressourcen in unserem Land. Ihr müssen wir den notwendigen Stellenwert geben, da Bildung einen Schlüssel für unsere Zukunftssicherung darstellt.
Mehr Fachkräfteeinwanderung – die Erkenntnis stimmt. Wenn wir trotz schrumpfender Bevölkerung auch 2030 und 2040 noch rund 45 Millionen Erwerbstätige haben wollen, dann benötigen wir neben einer besseren individuellen Förderung für Langzeitarbeitslose, einer flächendeckenden Ganztagskinderbetreuung, die beiden Elternteilen eine Berufstätigkeit ermöglicht, auch gezielte Zuwanderung in Ausbildung und Arbeit.
Finger weg von Experimenten mit Einheitskasse
Die deutsche Wirtschaft verlässt sich zudem auf das, was zwischen Union und SPD im Sondierungspapier als „Rahmen“ bereits verabredet wurde:
Finger weg von Experimenten mit einer Einheitskasse, die jeglichen Wettbewerb ausschließt. Wir dürfen unser im weltweiten Vergleich höchst leistungsstarkes Gesundheitssystem nicht gefährden.
Im Video: Betroffene enttäuscht: Bei einem Thema brechen Union und SPD schon Wahlversprechen
Finger weg von der Abschaffung befristeter Arbeitsverträge. Flexibilität sichert unsere internationale Wettbewerbsfähigkeit. Diese Erkenntnis müsste dem Staat vertraut sein, der bei Neueinstellungen in der Verwaltung fast 60 Prozent befristet einstellt – und damit einsam an der Spitze steht. Und Finger weg von der 40-Prozent-Marke bei den Sozialbeiträgen. Bei diesen drei Themen gibt es für die Arbeitgeber keinerlei Kompromisse!
"Brauchen keine Umverteilung, sondern Zukunftssicherung"
Die große Koalition mutet der deutschen Wirtschaft bereits vieles zu, ein Blick auf die Rentenpläne genügt. Der Sozialstaat soll weiter kräftig aus- statt umgebaut werden. Dagegen sollten wir doch alles daran setzen, unsere wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zu erhalten. Wir brauchen keine Politik der Umverteilung, wir brauchen eine Politik der Zukunftssicherung.
Auch dass die Wirtschaft und mit ihr die Beschäftigung erfolgreich weiterwächst, ist kein Naturgesetz. Die GroKo setzt leider wenig auf Entlastung, dafür umso mehr auf einseitige Belastung: Die Rückkehr zur vermeintlichen Parität (Belastung fünf Milliarden Euro pro Jahr) in der Krankenversicherung ist so ein Negativbeispiel. Und das, obwohl die Arbeitgeber durch die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall heute schon mehr als die Hälfte der Krankheitskosten tragen. Ein weiteres teures Draufsatteln darf es nicht geben.
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Die „große“ Frage für die Koalitionsverhandlungen ist und bleibt: Wie machen wir Deutschland fit für die Zukunft – mit Blick auf Demografie, mit Blick auf unsere volkswirtschaftliche Leistungsfähigkeit und damit auf die Sicherung unserer Sozialsysteme, mit Blick auf Europa und die Digitalisierung.
Digitalisierung bedeutet nicht einen nur mäßig ambitionierten Netzausbau bis 2025, sondern eine Weichenstellung für eine flexiblere Arbeitszeitordnung 4.0. Wir brauchen eine Umstellung der täglichen auf eine wöchentliche Höchstarbeitszeit nach EU-Vorbild.
Bei der sich abzeichnenden GroKo ist für ein „großes“ Zukunftsprogramm jedenfalls noch viel Luft nach oben.
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