Direkt nach der Bundestagswahl hat FOCUS Online Reporter in alle 16 Bundesländer geschickt, um den Riss in der Wählerschaft zu dokumentieren, der durch Deutschland geht. Fünf Monate später haben wir für eine neue Serie nachgefragt, was die Wähler vom Hickhack um die lange Regierungsbildung halten. Teil 5: Adolf Böhm aus Weida in Thüringen.
FOCUS Online: Herr Böhm, was haben Sie gewählt?
Adolf Böhm: Ich bin ein eingefleischter Ossi – und habe die Linke gewählt.
FOCUS Online: Haben Sie Ihre Wahl bereut?
Böhm: Auf gar keinen Fall. Es gab keine Alternative. Denn die SPD ist für eine linke Partei aus meiner Sicht viel zu weit rechts.
Zur Person
Adolf Böhm, 82, lebt als pensionierter Elektrotechniker mit seiner Lebensgefährtin Ruth Meinhardt in Weida (Thüringen).
FOCUS Online: Haben Sie das Gefühl, dass Ihre Stimme etwas bewirkt hat?
Böhm: Sicher hat sie etwas bewirkt. Leider haben zu wenige andere für die Linke gestimmt. Der Einfluss der Partei auf die Bundespolitik wird sich daher in Grenzen halten.
FOCUS Online: Haben Sie das Gefühl, dass die Volksparteien das Ergebnis der Wahl ernst nehmen, sie daraus gelernt haben und angemessen darauf reagieren?
Böhm: Das glaube ich keinesfalls. Denn vermutlich bekommen wir nun wieder die gleiche Regierung, die wir schon vorher hatten. Es gibt zwar einen neuen Koalitionsvertrag mit neuen Versprechen, aber die Politik wird sicher jene bleiben, die wir schon hatten. Daran werden auch eine neue CDU-Generalsekretärin namens Kramp-Karrenbauer und ein junger, neuer Gesundheitsminister namens Spahn nichts ändern.
"Das Volk reagiert immer erst, wenn es zu spät ist. Das hatten wird mal."
FOCUS Online: Hat sich an der politischen Debatte, etwa im Bundestag, etwas geändert aus Ihrer Sicht?
Böhm: Der Ton ist schärfer geworden, seit die AfD im Bundestag sitzt. Ich finde es kritisch, dass sie es in den Bundestag geschafft hat, aber so ist es nun einmal. Die Empörung im Land ist groß und sie zeigt: Das Volk reagiert immer erst, wenn es zu spät ist. Das hatten wir schon mal.
Im Video: Umfrage kurz vor Ende der GroKo-Abstimmung zeigt, wie eng das Ergebnis wird
FOCUS Online: Was denken Sie über die langwierige Regierungsbildung?
Böhm: Furchtbar, dass das so lange gedauert hat. Das ist nicht gut für Deutschland. Und auch nicht für die internationale Politik, weil eine amtierende Regierung behutsamer agieren muss als eine gewählte.
FOCUS Online fragt Wähler: Hat die Politik eure Botschaft verstanden?
Direkt nach der Bundestagswahl, kurz vor dem Scheitern der Jamaika-Sondierung und nun auch kurz vor der entscheidenden Abstimmung der SPD-Mitglieder zur GroKo hat FOCUS Online Gesprächspartner in verschiedenen Bundesländern kontaktiert. Wir wollten von ihnen wissen, ob die Politik die Botschaft an der Urne verstanden hat? Und ob es nun eine GroKo, eine Minderheitsregierung oder doch Neuwahlen geben soll? Ganz gleich ob Wähler, Nichtwähler oder Politiker: Wir haben allen die gleichen Fragen gestellt.
FOCUS Online: Am Wochenende wird feststehen, ob es wieder zu einer GroKo kommt. Sind Sie eher für eine neue GroKo, eine Minderheitsregierung der Union oder für eine Neuwahl?
Böhm: Ich hätte sehr gern eine Minderheitsregierung gehabt. Das hätte zu wechselnden Mehrheiten geführt. Und es wäre schön gewesen, wenn das auch mit den Linken funktioniert hätte. Aber das will die Union ja nicht. Dann soll sie eben zusehen, wie sie klarkommt.
FOCUS Online: Fühlen Sie sich als Wähler betrogen, da nicht alle, sondern nur die SPD-Mitglieder entscheiden?
Böhm: Wenn die SPD die GroKo ablehnt und dies zu Neuwahlen führt, hätte ich ein Problem damit. Neuwahlen sind das Letzte, war wir brauchen. Sie nützten nur der AfD. Wenn hingegen eine Minderheitsregierung die Alternative wäre, dann wäre das gut. Kommt die neue GroKo, und davon gehe ich aus, dann wird sie glaube ich nicht lange halten. Ein vorzeitiges Ende der GroKo wäre auch das Ende für Bundeskanzlerin Angela Merkel.
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