Wieder einmal bestätigt sich, dass die Bundespolitik eine andere Liga ist als alles andere, komplizierter und gefährlicher als jede Landespolitik, abgründiger auch als die Europapolitik.
Martin Schulz scheitert in Berlin auf der ganzen Linie. Er hat die Mechanismen nicht verstanden – nicht die des Hauptstadtbetriebs, was man ihm noch nachsehen könnte. Schulz hat aber auch seine Partei nicht verstanden - und das ist sein größtes Defizit.
Der SPD-Chef führte nicht, sondern unverunsicherte
Nicht nur die ständigen Neupositionierungen haben die Sozialdemokraten irritiert: sein langes Festhalten am Oppositionsgedanken und dann der Wechsel hin zur großen Koalition. Sein Nein zu einem Ministeramt bis hin zum trotzigen „Ich habe entschieden, ich werde Außenminister“. Die SPD sah einen Mann an ihrer Spitze, der nicht führte, sondern verunsicherte. Und der zuletzt selbst im höchsten Maße verunsichert war.
Es dürfte Schulz innerparteilich die letzten Sympathien gekostet haben, dass er in dieser Woche den Parteivorsitz eher nebenbei räumte. Für die Sozialdemokraten ist das ein hoch emotionales Amt. Franz Müntefering hat einmal gesagt, es sei „das schönste Amt neben Papst“.
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Vielen in der Partei treten bei der Erinnerung an Bebel oder Brandt die Tränen in die Augen. Viele der bisherigen Vorsitzenden haben mit Rührung in der Stimme gesprochen, wenn sie den Vorsitz räumen mussten. Bei Schulz klang der Abschied dagegen sehr nüchtern, sehr nach Kalkül nach dem Motto: Da geht es nicht weiter, also schlage ich einen anderen Kurs ein.
Selten hat ein Politiker weniger Gespür für sein Umfeld aufgebracht
Dass ihm seine Partei – mitsamt der erweiterten Führung - dabei nicht folgen wollte, wurde zunehmend klar. Weniger, weil der bisherige Amtsinhaber Sigmar Gabriel Liebling der Partei wäre. Vielmehr, weil sich zeigte, dass Schulz‘ Griff nach dem Außenamt das Potential hatte, die Mitgliederbefragung zum Koalitionsvertrag negativ zu beeinflussen.
Selten hat ein Politiker weniger Gespür für sein Umfeld aufgebracht, es gibt kaum ein Beispiel von so viel versäumter oder fehlgeleiteter Kommunikation. Die Republik ist gerade Zeuge eines großen Versagens, das offenbar in Selbstüberschätzung gründete.
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