Neue GroKo: Der Koalitionsvertrag steht: Worauf Union und SPD sich geeinigt haben
Nach langwierigen Verhandlungen haben sich Union und SPD auf einen Koalitionsvertrag geeinigt. Eine Übersicht, worauf die Parteien sich verständigt haben.
Viele Einigungen sind schon bekannt: Einiges stand schon im Sondierungspapier, anderes kam während der GroKo-Verhandlungen hinzu. Der bisherige Stand, worauf sich SPD und CDU geeinigt haben:
- Sachgrundlose Befristung eingeschränkt: In den Verhandlungen war das einer der größten Zankäpfel.Die SPD wollte Unternehmen verbieten, Arbeitsverträge ohne triftigen Grund zu befristen. Die Union war dagegen. Der Koalitionsvertrag enthält nun einen Kompromiss: Je nach Unternehmensgröße dürfen die Mitarbeiter nur eine bestimmte Zahl von Menschen sachgrundlos befristet beschäftigen. Unternehmen mit mehr als 75 Mitarbeitern dürfen maximal 2,5 Prozent ihres Personals sachgrundlos befristete Arbeitsverträge geben. Die sachgrundlose Befristung ist nur noch für jeweils 18 Monate (vorher: 2 Jahre) möglich. Die Befristung darf nur einmal verlängert werden (vorher: bis zu drei Mal).
- Keine Gleichbehandlung von Kassen- und Privatpatienten: Die SPD wollte die Arzthonorare bei Leistungen für privat und gesetzlich Versicherte angleichen. Damit sollte verhindert werden, dass Kassenpatienten länger warten müssen oder andere Nachteile haben, weil Ärzte für ihre Behandlung weniger Geld bekommen. Die Union war dagegen. Im Koalitionsvertrag ist von einer expliziten Angleichung keine Rede mehr. Dort heißt es, man wolle die Honorarordnung bei der Gesetzlichen und der Privaten Krankenversicherung reformieren und ein „modernes Vergütungssystem schaffen, das den Versorgungsbedarf der Bevölkerung und den Stand des medizinischen Fortschritts abbildet“. Dazu will die Koalition auf Vorschlag des Gesundheitsministeriums eine wissenschaftliche Kommission einrichten, die Vorschläge machen soll. Ob diese umgesetzt werden, hält sich die Koalition offen.
- Apotheken: Die Koalition will sich dafür "einsetzen", dass der Versandhandel mit verschreibungspflichtigen Medikamenten verboten wird.
- Rente: Bis 2025 soll das Rentenniveau (das Verhältnis der Rente zum Lohn) nicht unter 48 Prozent fallen und der Beitragssatz nicht über 20 Prozent steigen. Über die Zeit danach soll eine Rentenkommission nachdenken. Müttern, die vor 1992 drei oder mehr Kinder geboren haben, soll auch das dritte Jahr Erziehungszeit angerechnet werden. Wer Jahrzehnte gearbeitet, Kinder erzogen und Angehörige gepflegt hat, soll nach 35 Beitragsjahren eine Grundrente zehn Prozent über der Grundsicherung erhalten. Selbstständige sollen zur Altersvorsorge verpflichtet werden. Wer wegen Krankheit frühzeitig in die Erwerbsminderungsrente rutscht, soll so behandelt werden, als wenn er bis zum aktuellen Renteneintrittsalter gearbeitet hätte.
- Soli, Finanzen und Steuern: Der Solidaritätszuschlag soll schrittweise wegfallen - in dieser Wahlperiode mit einem „deutlichen ersten Schritt“, der rund 90 Prozent der Zahler voll entlastet. Steuererhöhungen für die Bürger soll es nicht geben. Für den Haushalt gilt weiter das Ziel einer „schwarzen Null“, also keiner neuen Schulden. Die Länder sollen bis 2021 insgesamt acht Milliarden Euro für Flüchtlingskosten erhalten.
- Krankenversicherung: Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung sollen ab 2019 wieder zu gleichen Teilen von Arbeitgebern und -nehmern bezahlt werden. Dasselbe soll auch für den Zusatzbeitrag gelten, den viele Kassen erheben.
- Familiennachzug und Migration: Der Familiennachzug für Flüchtlinge mit eingeschränktem Schutz bleibt bis zum 31. Juli ausgesetzt. Es gibt aber eine Regelung für Härtefälle. Ab dem 1. August dürfen die Betroffenen wieder Angehörige nachholen, allerdings maximal 1000 Menschen pro Monat. Zur Zuwanderung heißt es, die jährliche Gesamtzahl werde die Spanne von 180.000 bis 220.000 nicht übersteigen. Asylverfahren sollen künftig in zentralen Aufnahme-, Entscheidungs- und Abschiebungseinrichtungen stattfinden. Außerdem will die GroKo ein Zuwanderungsgesetz erarbeiten, das klarstellen soll, unter welchen Bedingungen Fachkräfte einwandern können. Algerien, Marokko und Tunesien sollen zu sicheren Herkunftsländern erklärt werden - dasselbe gilt auch für "weitere Länder mit einer regelmäßigen Anerkennungsquote unter fünf Prozent". Das heißt, dass Asylbewerber aus diesen Ländern schon jetzt selten als Flüchtlinge anerkannt werden.
- Innere Sicherheit: Bei den Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern sollen je 7500 zusätzliche Stellen geschaffen werden, zudem 6000 neue Stellen in der Justiz. Für den Umgang mit terroristischen Gefährdern sollen bundesweit einheitliche Standards kommen.
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Rückkehrrecht von Teilzeit in Vollzeit soll nun kommen
- Arbeitsmarkt: Das zunächst gescheiterte Rückkehrrecht von Teilzeit in Vollzeit soll nun kommen – für Firmen ab 45 Mitarbeiter. Bei 45 bis 200 Mitarbeitern soll dieser Anspruch nur einem pro 15 Mitarbeitern gewährt werden müssen. Der Beitrag zur Arbeitslosenversicherung soll um 0,3 Prozentpunkte sinken. Für Langzeitarbeitslose soll ein neues Förderinstrument „Teilhabe am Arbeitsmarkt für alle“ kommen. Ein Fachkräfteeinwanderungsgesetz soll den Zuzug ordnen und steuern.
- Familien: Das Kindergeld soll um 25 Euro pro Kind und Monat steigen: Der Kinderfreibetrag steigt entsprechend. Auch der Kinderzuschlag für Einkommensschwache soll erhöht werden. Kinderrechte sollen eigens im Grundgesetz verankert werden. Eingeführt werden sollen auch Gutscheine für Haushaltshilfen, damit zum Beispiel jemand die Wohnung sauber macht, wenn Betroffene dies selbst nicht gut leisten könnten. Die CSU hat außerdem das sogenannte "Baukindergeld" durchgesetzt. Mit dem Geld soll es Familien leichter fallen, sich die erste Immobilie zu kaufen. Der Zuschuss beträgt 1200 Euro je Kind und pro Jahr und wird maximal zehn Jahre lang gezahlt.
- Pflege: 8000 neue Pflegefachkräfte sofort und eine konzertierte Aktion unter anderem mit einer Ausbildungsoffensive und Anreizen für mehr Vollzeit sollen die Personalsituation entspannen. Zudem sind vereinfachte Möglichkeiten für vorübergehende Aus- und Erholungszeiten für Angehörige geplant. Eine bessere, gleichmäßigere Bezahlung soll es durch flächendeckende Tarifverträge und eine Angleichung des Pflegemindestlohns in Ost und West geben.
- Wohnen: Mieter sollen besser davor geschützt werden, wegen Luxussanierungen ihre Wohnung zu verlieren. Das „gezielte Herausmodernisieren“ soll künftig ordnungswidrig sein und Mieter zu Schadenersatz berechtigen, heißt es in einem Arbeitspapier.
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- Bildung: Die Parteien wollen das Grundgesetz ändern, damit der Bund Geld in Schulen stecken kann. Bisher sind Finanzhilfen des Bundes nur für finanzschwache Kommunen zulässig. Zwei Milliarden Euro sind für den Ausbau von Ganztagsschulen und -betreuung geplant. Für die Ganztagsbetreuung von Grundschülern wird ein Rechtsanspruch verankert. Außerdem sind eine Milliarde Euro für eine Bafög-Reform, 600 Millionen Euro für eine bessere Ausstattung der Universitäten und fünf Milliarden Euro für den „Digitalpakt“ für Schulen geplant.
- Verteidigung: Rüstungsexporte sollen mit strengeren Richtlinien weiter eingeschränkt werden. Die Bundeswehrtruppen in Afghanistan und Mali sollen aufgestockt, die militärische Beteiligung am Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat soll dagegen eingeschränkt werden. Die Koalition sieht sich außerdem dem 2-Prozent-Ziel der Nato verpflichtet. Es besagt, dass Nato-Mitglieder bis 2024 mindestens zwei Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts in Rüstung und Verteidigung investieren müssen. Dazu heißt es, man wolle "dem Zielkorridor der Vereinbarungen in der NATO" folgen. Gleichzeitig will die Koalition die Ausgaben für Krisenprävention, humanitäre Hilfe, Entwicklungszusammenarbeit und ähnliches erhöhen. Langfristig strebt die GroKo außerdem an, dass die verbliebenen taktischen Nuklearwaffen aus Deutschland abgezogen werden. Dazu heißt es, "erfolgreiche Abrüstungsgespräche" schafften die Voraussetzung für die Abzug. An Länder, die sich am Jemen-Krieg beteiligen, soll es keine Rüstungsexporte mehr geben.
- Europa: Deutschland soll in der Debatte für eine Stärkung der EU aktiv werden. Gemeinsam mit Frankreich soll die Eurozone reformiert werden. Ziel ist zudem eine „solidarische Verantwortungsteilung in der EU“ in der Flüchtlingspolitik. Union und SPD befürworten einen künftigen „Investivhaushalt“ für die Eurozone und sind zu höheren Beiträgen Deutschlands zum EU-Haushalt bereit.
- Diesel-Abgase: Nachrüstungen direkt an älteren Diesel-Motoren für eine bessere Abgas-Reinigung könnten kommen – wenn sie „technisch machbar und wirtschaftlich vertretbar“ sind. Die Kommunen sollen für Luftreinhaltung und Verkehrsprojekte mehr Geld bekommen. Zudem wollen die Parteien in den Aufbau einer flächendeckenden Lade- und Tankinfrastruktur für Elektroautos investieren.
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Glyphosat-Einsatz soll national beschränkt werden
- Glyphosat: Nach der umstrittenen weiteren EU-Zulassung soll der Einsatz des Unkrautgifts national beschränkt und „so schnell wie möglich grundsätzlich" beendet werden. Den Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen sollen bundesweit einheitliche Regeln verbieten.
- Tierschutz: Für Fleisch aus besserer Tierhaltung soll die schon seit längerem geplante staatliche Kennzeichnung mit einem Tierwohllabel kommen. Das Massen-Töten männlicher Küken soll beendet werden. Patente auf Pflanzen und Tiere lehnt die Koalition ab.
- Digitalisierung: Bis 2025 soll es flächendeckend schnelles Internet mit Gigabit-Netzen geben. Im Internet sollen weiter alle Inhalte mit gleichem Tempo transportiert werden – die Netzneutralität bleibt.
- Verbraucherschutz: Für Fälle mit vielen Betroffenen wie beim Diesel-Skandal soll eine Musterfeststellungsklage spätestens ab November 2018 möglich werden. Damit werden Sammelklagen erleichtert: Betroffene müssen nicht jeder für sich vor Gericht ziehen, sondern können sich in Angelegenheiten von grundsätzlicher Bedeutung mit vielen Betroffenen einer solchen Musterfeststellungsklage anschließen. Das entsprechende Gesetz soll spätestens im November beschlossen werden.
- Klimaschutz: Im Prinzip stehen Union und SPD zu den Klimazielen 2020, 2030 und 2050. Das Minderungsziel für 2030 von 55 Prozent weniger Treibhausgasen im Vergleich zu 1990. Zum kurzfristigeren Ziel für 2020 (40 Prozent Emissionsminderung) heißt es allerdings nur vage, die „Handlungslücke“ zur Erreichung dieses Ziels solle so schnell wie möglich geschlossen werden.
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mta/akw/dpa/AFP
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