Die Union hat den SPD-Parteitag in Bonn gespannt verfolgt. Der künftige Regierungspartner hatte sich sichtlich schwergetan, die fast 650 Delegierten von weiteren Verhandlungen mit CDU und CSU zu überzeugen, das Ergebnis war mit 56 Prozent Zustimmung denkbar knapp.
Inzwischen sind aus Sondierungsgesprächen Koalitionsverhandlungen geworden. Mit dabei ist Julia Klöckner, eine der Stellvertreterinnen der Parteivorsitzenden Angela Merkel. Zwischen zwei Terminen in Berlin und in Mainz, wo sie CDU-Fraktionsvorsitzende im Landtag ist, hatte die 45-Jährige Zeit für ein Gespräch.
FOCUS Online: Frau Klöckner, wann hat Deutschland endlich eine neue Regierung?
Klöckner: Spätestens bis Ostern. Vonseiten der Union auch früher.
FOCUS Online: Davor wird die SPD noch ihre Basis befragen. Wie verhandelt es sich unter diesem Vorbehalt?
Klöckner: Mit diesem Vorgehen setzt die SPD eher sich als uns unter Druck.
FOCUS Online: In der SPD haben sich lediglich 56 Prozent der Delegierten zu Verhandlungen durchringen können. Kann man mit so einer gespaltenen Partei regieren?
Klöckner: Wenn es der SPD-Führung gelingt, mit einer Stimme zu sprechen und ihren Mitgliedern einen klaren Kurs zu vermitteln, kann das was werden. Klar ist aber auch: Den Zustand der Zerrissenheit können wir für die Sozialdemokraten nicht lösen, denn das hat ganz sicher mit dem Hin und Her der vergangenen Wochen und Monate zu tun. Ich denke, die SPD zieht ihre Lehren daraus.
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"Die SPD hat sich in eine schwierige Lage gebracht"
FOCUS Online: Dabei geht es munter weiter: Die Jusos fordern jetzt dazu auf, in die SPD einzutreten, um eine GroKo zu verhindern.
Klöckner: Die SPD hat sich in eine schwierige Lage gebracht. Neue Mitglieder wollen ja nicht ihrer Partei schaden, aber genau dazu rufen die Jusos auf. Ernsthaftes parteipolitisches Engagement sollte sich nicht darin erschöpfen, kurz für ein Nein einzutreten. Was zählt dann noch der Wähler?
FOCUS Online: Die SPD unterscheidet zwischen Sondierung und Koalitionsverhandlung. Was kann noch in einen Koalitionsvertrag geschrieben werden, was nicht im Sondierungspapier steht?
Klöckner: Ich versuche es mit einem Bild: Das Haus ist gebaut, die Wände sind gezogen, jetzt kommt die Inneneinrichtung. Wir werden uns an den Bauplan halten.
FOCUS Online: Lässt sich während der Koalitionsverhandlungen über den Wechsel vom Privatkassen- zu einem Bürgerversicherungssystem verhandeln?
Klöckner: Wir möchten gesetzlich Versicherten dort helfen, wo es Probleme gibt, etwa bei den Wartezeiten auf einen Arzttermin oder bei der Ausgestaltung des Leistungskatalogs. Der Vereinigung zu einer Einheitskasse wird die CDU nicht zustimmen.
Im Video: Bei einem Thema brechen Union und SPD schon jetzt ihre Wahlversprechen
"Wir wollen nicht mehr Zuwanderung"
FOCUS Online: Wird es möglich sein, mit der CDU die sachgrundlose Befristung von Arbeitsverträgen abzuschaffen?
Klöckner: Das können die SPD-regierten Länder heute schon tun. Rheinland-Pfalz zum Beispiel schickt Lehrer über Jahre hinweg in befristete Ketten-Arbeitsverträge. Die öffentliche Hand ist da kein Vorbild.
FOCUS Online: Die Jusos behaupten, im Sondierungspapier stehe eine Obergrenze, und fürchten nun um Menschenrechte und christliche Nächstenliebe. Wie beruhigen Sie die Jugendorganisation Ihres künftigen Partners?
Klöckner: Das ist gar nicht unsere Aufgabe.
FOCUS Online: Gibt es eine Obergrenze, oder lesen das nur beunruhigte Jusos aus dem Papier?
Klöckner: Im Sondierungspapier steht eine Richtgröße von 180000 bis 220000 Flüchtlingen pro Jahr, das ist richtig. Das sind Erfahrungswerte. Diese Richtgröße ist wichtig, weil wir die Integrationskraft unserer Städte und Gemeinden im Blick haben müssen. Wir können die Kommunen nicht überfordern. Das müssen auch die Jusos akzeptieren: Wir wollen nicht mehr Zuwanderung und schon gar nicht ungesteuerte Zuwanderung.
Priorität von Sicherheit und Rechtsstaatlichkeit
FOCUS Online: Wir haben viel über die SPD gesprochen. Was haben eigentlich Konservative von der großen Koalition?
Klöckner: Wir kümmern uns künftig noch stärker um Familien: Gegen erheblichen Widerstand der SPD haben wir zum Beispiel eine Erhöhung des Kindergelds durchgesetzt. Wir werden mehr Polizisten und Justizbeamte einstellen und betonen damit die Priorität von Sicherheit und Rechtsstaatlichkeit. Von denjenigen, die künftig zu uns kommen, werden wir schneller Identität und Aufenthaltsstatus feststellen. Wer nicht bleiben darf, muss tatsächlich wieder gehen. Obendrein wollen wir konservativ haushalten: Wir werden keine weiteren Schulden machen und die Steuern nicht erhöhen, wir investieren in Zukunftsthemen.
FOCUS Online: Wenn Sie den Wirbel um den eloquenten Juso-Chef Kevin Kühnert erleben, vermissen Sie eine ähnliche junge Dynamik in der CDU?
Klöckner: Glückwunsch an Kevin, eloquent ist er. Er scheint ja Spaß daran zu haben, seine Partei zu erschüttern. Wir Christdemokraten brauchen solche Experimente nicht.
FOCUS Online: Von Kevin zu Christian: FDP-Chef Lindner lässt momentan keine Kamera aus, ohne Angela Merkel Profil abzusprechen. Warum?
Klöckner: Die FDP hat für sich entschieden, vom Tisch aufzustehen und sich selbst auszuwechseln. Sie kommentiert das Spiel nun vom Spielfeldrand. Dass da kein Lob kommt, war zu erwarten.
Angela Merkel "sitzt fest im Sattel"
FOCUS Online: Das vierte Kabinett Merkel soll dem Vernehmen nach zur Hälfte aus Frauen bestehen. Welches Ministerium würde Sie reizen?
Klöckner: Netter Versuch.
FOCUS Online: Anders gefragt: Welches Ressort schließen Sie denn aus?
Klöckner: (Lacht) Wieder netter Versuch.
FOCUS Online: SPD-Chef Martin Schulz war auf dem Parteitag kaum mehrheitsfähig. Frau Klöckner, wie steht es eigentlich um den Rückhalt der Parteichefin der CDU?
Klöckner: Angela Merkel hat die Sondierungsgespräche diszipliniert, fokussiert und vermittelnd geführt. Sie sitzt fest im Sattel.
FOCUS Online: Dabei behaupten Parteifreunde von Ihnen, Angela Merkel sei das größte Problem bei dem Versuch, abtrünnige CDU-Wähler von der AfD zurückzugewinnen.
Klöckner: Ach was.
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