Die Regierung von US-Präsident Donald Trump ist eigentlich extrem wirtschaftsfreundlich. Plötzlich aber keilt Trump auf Twitter gegen den Online-Versandriesen Amazon. Doch in Wahrheit haben die Attacken des Präsidenten ein ganz anderes Ziel.
„Sie zahlen wenig oder gar keine Steuern an Bundesstaaten und Kommunen und sie benutzen unser Postsystem als ihren Botenjungen“, schrieb Trump am Donnerstag auf Twitter. Amazons Praktiken ließen den Vereinigten Staaten enorme wirtschaftliche Schäden entstehen, klagte der Präsident. Viele Tausend Einzelhändler würden aus dem Geschäft gedrängt.
Amazon-Chef ist Trump ein Dorn im Auge
Experten diskutierten engagiert die Frage, ob Trump mit seiner Einschätzung zu Amazon richtig liegt. Die meisten Analysten kamen zu dem Schluss, dass der Job-Boom in der Online-Branche den Verlust von Arbeitsplätzen im Einzelhandel in den vergangenen Jahren kompensiert hat. Die US-Post USPS dürfte von Amazon eher profitieren, weil der Online-Handel den Paketversand boomen lässt. Allerdings: Amazon nutzt bis zur „letzten Meile“ eine eigene Versand-Infrastruktur und lässt nur die Übergabe an den Kunden von USPS besorgen.
Für sein Ausnutzen von Steuer-Schlupflöchern ist der Konzern mindestens so bekannt wie für sein großes Sortiment. Dennoch zahlte Amazon im Jahr 2016 insgesamt 412 Millionen Dollar an Bundessteuern. Laut den Berechnungen von Experten schuldet der Konzern dem Bund für 2017 aber keine Steuern – unter anderem wegen der vom US-Kongress verabschiedeten und dem Präsidenten abgesegneten Steuerreform.
Trumps Attacken dürften allerdings nicht auf das Unternehmen Amazon abzielen, sondern vielmehr auf seinen Chef: Jeff Bezos. Der mit einem Vermögen von geschätzten 120 Milliarden Dollar derzeit reichste Mann der Welt ist seit 2013 auch der Eigentümer der regierungskritischen Zeitung "Washington Post" – und Trump daher ein Dorn im Auge.
Explosive Enthüllungen
Die Washington Post hat seit dem US-Präsidentschaftswahlkampf immer wieder Enthüllungen über Trump, seine Arbeit im Weißen Haus und seine finanziellen Verstrickungen veröffentlicht. Im Oktober 2016, einen Monat vor der Wahl, veröffentlichte die „Post“ als erstes das berühmte „Access Hollywood Tape“. In der Aufnahme aus dem Jahr 2005 prahlt Trump hinter den Kulissen einer TV-Show mit sexuellen Übergriffen auf Frauen. Das Publikwerden dieser Äußerungen hätte Trump beinahe die Präsidentschaft gekostet, einflussreiche Republikaner forderten ihn dazu auf, die Kandidatur niederzulegen.
Nachdem Trump sein Präsidentenamt antrat, hatte die "Washington Post" unter anderem enthüllt, dass Trump bei einem Treffen mit russischen Diplomaten im Weißen Haus ungefragt Geheimdienst-Informationen ausgeplaudert hatte. Die Zeitung legte außerdem offen, wie Trump öffentlich zugesagte Millionenspenden an gemeinnützige Organisationen in Wahrheit nie getätigt hatte.
„Oh dann bekommen sie Probleme“
Berichte, die Trump wütend machten. Seit er Mitte 2015 seine Präsidentschaftskandidatur bekanntgegeben hatte, schoss Trump immer wieder gegen Amazon und die "Washington Post". „Falls ich Präsident werden sollte, oh dann bekommen sie Probleme“, drohte er bereits auf einer Wahlkampfrede im Februar 2016. „Sie werden solche Probleme bekommen.“
In mehreren Tweets hatte der Präsident die Washington Post außerdem als „AmazonWashingtonPost“ bezeichnet und ihr unterstellt, Lobbyarbeit für den Versandriesen zu betreiben. „Wird die Fake-News 'Washington Post' als Lobby-Waffe gegen den Kongress benutzt, um Politiker davon abzuhalten, einen Blick auf das Steuer-Monopol von Amazon zu werfen?“, schrieb Trump im Juli 2017.
„Er ist besessen von Amazon“
Allerdings hatte die „Post“ auch nach der Übernahme durch Bezos wiederholt kritisch über Amazon berichtet. Im August 2017 legte die Zeitung etwa in einer Analyse offen, wie viele Millionen Dollar pro Jahr Amazon für seine Lobby-Arbeit in Washington ausgibt. Und mehrere Meinungsbeiträge in der „Post“ setzten sich mit der Frage auseinander, ob das Quasi-Monopol von Amazon schädlich für den Kunden sei. Bezos halte sich außerdem aus der redaktionellen Arbeit komplett heraus, betont die Chefredaktion.
Trumps Sprecherin Sarah Sanders hatte am Mittwoch erklärt, hinsichtlich Amazon seien keine politischen Maßnahmen geplant. Es wäre allerdings nicht das erste Mal, dass das Weiße Haus einen abrupten Kurswechsel vollzieht – vor allem nicht, wenn sich der Präsident persönlich angegriffen fühlt. „Er ist besessen von Amazon“, zitiert die Insider-Seite Axios eine dem Präsidenten nahestehende Quelle. „Besessen.“
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