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Monday, July 30, 2018

- Warum die Italiener so "verrückt" nach Pater Pio sind

Warum die Italiener so "verrückt" nach Pater Pio sind
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Schon zu Lebzeiten konnte er an zwei Orten gleichzeitig sein, heute ist er in Süditalien wirklich allgegenwärtig: der Heilige Pater Pio. Wir gehen mit dem Vatikan-Experten Ulrich Nersinger auf Spurensuche.

DOMRADIO.DE: Vor fast 100 Jahren, am 20. September 1918, traten bei Pater Pio zum ersten Mal die Wundmale an Händen und Füßen auf. Mit den Stigmata lebte der Pater bis zu seinem Tod im Jahr 1968. Er wurde zum Volksheiligen, besonders in Süditalien begegnet man auf Schritt und Tritt seinen Statuen und Bildern. Was fasziniert die Italiener so an Pio?

Nersinger: Es ist eigentlich etwas tragisch, wenn gerade Stigmata einen Heiligen ausmachen. Das ist eigentlich etwas, was die Kirche gar nicht so möchte. Für die Kirche sind Heilige und Selige eher mit dem Erleben und dem Leben der Tugenden verbunden oder einem Martyrium. Und solche Phänomene wie Stigmata betrachtet man eigentlich mit großem Misstrauen.

DOMRADIO.DE: Pater Pio wurde 1887 in Kampanien geboren. Er lebte und wirkte und starb 1968 in Apulien. Bis heute wird er besonders südlich von Rom besonders verehrt – hauptsächlich, weil er selber aus dem Süden kommt. Oder gibt es doch noch andere Gründe?

Nersinger: Natürlich weil er ein Volksheiliger ist. Das einfache Volk hat in ihm jemanden gesehen, der aus ihren Reihen kam und der dann – was der italienischen und der ganzen südländischen Mentalität entspricht – natürlich von gewissen Phänomenen begleitet war: die Stigmata, die Wunder, die Heilungen und natürlich auch die Bilokation, also dass er an zwei Orten gleichzeitig sein konnte. Das ist etwas, was die Menschen auch heutzutage sehr fasziniert. Aber ich glaube, es gab auch etwas, worauf sich dann später der Selig- und Heiligsprechungsprozess stützte: er war ein großartiger Seelenführer und Beichtvater.

DOMRADIO.DE: Und deshalb wurde er im Sommer 2002 auch heiliggesprochen. Das war ja eine Heiligsprechung, die durchaus polarisierte. Was für ein Zeichen wollte Papst Johannes Paul II. damals setzen?

Nersinger: Er wollte auch zeigen, dass man bei den Heiligen genau hinschauen muss, dass man sich nicht nur die Phänomene, sondern auch das vorbildliche Leben genau anschauen muss. Denn wir wissen ja, die Päpste haben sehr unterschiedliche Meinungen. Pius XI. wollte Pio vom Priesteramt suspendieren, Pius XII. war für ihn, Johannes XXIII. hatte eine sehr, sehr negative Einstellung. Dann hatte Paul VI. wieder eine positive Haltung. Man hat sich von da an mehr auf das konzentriert, was Pio vor allem im Beichtstuhl geleistet hat. Insbesondere Johannes Paul II., dem wir ja sehr viele Selige und Heilige zu verdanken haben, hat gesagt, wir schauen mal auf die Tugenden. Für ihn war er ein vorbildlicher Mensch. Ich glaube, er hat ihn sogar persönlich kennengelernt.

DOMRADIO.DE: Die Päpste waren also uneins in der Beurteilung. Die Italiener sind das auch so ein bisschen. Er ist im Süden sehr anerkannt. Was sagen die Norditaliener?

Nersinger: Dort gibt es schon auch eine Verehrung, aber natürlich mit etwas mehr Distanz. Je mehr wir uns in den Süden begeben, umso stärker sind solche Sachen von Emotionen begleitet. Obwohl es das dort oben im Norden durchaus auch gibt. Aber Pater Pio ist volkstümlich. Er hat hier dem Heiligen Antonius tatsächlich den Rang abgelaufen, was eigentlich niemand jemals für möglich gehalten hatte. Er ist sehr verwurzelt im Volk. Erst gestern ging eine gewaltige Prozession durch die Stadt. Wenn wir dann sehen, wie seine Kutte auf einem kleinen Lastwagen mitgeführt wird, bekommt man eine Vorstellung davon, wie stark so ein Volksglaube sein kann.

DOMRADIO.DE: Und der wird hier noch befeuert, in diesem Herbst steht der 100. Jahrestag der Stigmatisierung an. Denn am 20. September 1918 taten sich ja angeblich die Wundmale Pater Pios ein erstes Mal auf und haben sich dann nie wieder geschlossen. Steht Italien ein neuer Pater-Pio-Hype ins Haus, falls das überhaupt noch möglich ist?

Nersinger: Ich hoffe nicht. Bei allem Respekt und Bewunderung für diesen Heiligen. Ich glaube, dass es gerade in unseren Zeiten wichtig ist, dass man sich mehr auf das tugendhafte Leben oder auf das Martyrium einer Person beschränkt – und nicht auf Phänomene. Ich sehe diesem Jahrestag mit einem unguten Bauchgefühl entgegen.

Das Interview führte Heike Sicconi.

Dieser Artikel wurde verfasst von DOMRADIO.DE

*Der Beitrag "Warum die Italiener so "verrückt" nach Pater Pio sind" stammt von DOMRADIO.DE. Es gibt keine redaktionelle Prüfung durch FOCUS Online. Kontakt zum Verantwortlichen hier.

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