An diesem Donnerstag stellt der umstrittene ehemalige Berliner Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) sein neues Buch "Feindliche Übernahme: Wie der Islam den Fortschritt behindert und die Gesellschaft bedroht" vor. Schon vor Veröffentlichung hagelte es Kritik an dem Werk.
Der Islamwissenschaftler Mathias Rohe beispielsweise hält schon die Kernthese des neuen Islam-Buches von einer drohenden "feindlichen Übernahme" durch strenggläubige Muslime in Deutschland für nicht haltbar. Sarrazin gehe in seinem Buch fälschlicherweise davon aus, dass muslimische Zuwanderer "sich gar nicht auf die deutsche Gesellschaft einlassen", sagte Rohe.
Eine breit angelegte Untersuchung habe jedoch beispielsweise ergeben, dass die Ablehnung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften unter Türken in der Türkei höher sei als unter türkischstämmigen Migranten in Deutschland. Sarrazins Prognosen zum künftigen Anteil der Muslime an der Bevölkerung ignorierten, dass die Geburtenrate muslimischer Zuwanderer durch Zugang zum Bildungssystem in den Folgegenerationen sinke.
Das Buch sei auf "Angstmache" angelegt. Die Einschätzungen zum Islam zeugten von einem für Sarrazin üblichen "Dilettantismus". Sarrazin wirft Rohe in seinem Buch vor, er verschleiere und verharmlose "Missstände im deutschen Islam".
Juso-Chef fordert neues Parteiausschlussverfahren
Auch aus der eigenen Partei kommen kritische Stimmen an Sarrazins neuem Werk. Der Juso-Vorsitzende Kevin Kühnert fordert ein neues Parteiausschlussverfahren der SPD. "Die Jusos sind klar für einen neuen Versuch, Sarrazin rauszuwerfen", sagte der Chef der SPD-Nachwuchsorganisation der "Rhein-Neckar-Zeitung" (Donnerstag). "Herr Sarrazin hat mit den Grundwerten der SPD schon lange nichts mehr zu tun."
Der Wille in der gesamten SPD sei "groß, nach der Veröffentlichung des Buches einen neuen Anlauf für ein Parteiausschlussverfahren zu nehmen", hob Kühnert hervor. "Es geht nicht nur darum, das Thema Sarrazin endlich loszuwerden, sondern auch um eine scharfe Abgrenzung von seinen Thesen." Ein neuer Anlauf müsse aber "angesichts der hohen Hürden für einen Parteiausschluss gut vorbereitet sein", mahnte der Juso-Chef.
Ex-Verleger wollte Buch nicht publizieren
Sein ehemaliger Verleger Thomas Rathnow hatte sich sogar geweigert, das Buch zu veröffentlichen. In der "Zeit" begründete er die Entscheidung: Der Autor argumentiere "schwach" und entwerfe ein Bild des Islams, das "einer Geißel der Menschheit gleichkommt". Auch werde "jemandem mit einer korangeprägten Mentalität (...) kaum eine individuelle Entfaltung zugestanden". Rathnow sagte, er habe zudem in der politisch aufgeladenen Stimmung die Gefahr gesehen, dass "antimuslimische Ressentiments verstärkt werden".
Grüne werfen Sarrazin Hetze vor
Die Berliner Grünen warfen Sarrazin vor, die Gesellschaft zu spalten und Gewaltausbrüche anzuheizen. "Wer pauschal gegen einzelne Religionen hetzt, legt damit den Grundstein für rechtsextreme Gewalt und ist damit Teil des Problems." Der Landesvorsitzende Werner Graf erklärte: "Für Thilo Sarrazin ist der Islam an allem schuld. Das ist nicht nur diskriminierend, sondern völlig ignorant." Sarrazin liefere "einen Brandbeschleuniger für Hass und Gewalt".
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