Der chilenische Anti-Missbrauchs-Aktivist Juan Carlos Cruz hat sich von dem ehemaligen Vatikandiplomaten Carlo Maria Vigano distanziert, der Papst Franziskus beschuldigt, einen sexuell übergriffigen Kardinal geschützt zu haben. Leute wie Vigano nutzten die Missbrauchsdebatte für ihre eigene "rückschrittliche Agenda", um dem Papst zu schaden und ohne dass die Opfer eine Rolle spielten, schrieb Cruz (Mittwoch) auf Twitter. Cruz ist selbst Opfer eines katholischen Geistlichen und half gemeinsam mit zwei weiteren Männern, den Sexualskandal in der chilenischen Kirche aufzudecken.
Nach Angaben von Cruz war Vigano auch Thema eines persönlichen Gesprächs, das er mit Franziskus geführt habe. Wie Cruz der "New York Times" berichtete, äußerte sich der Papst kritisch über seinen einstigen Botschafter, weil dieser während der USA-Reise von Franziskus im September 2015 ein spontanes Treffen mit der umstrittenen Standesbeamtin Kim Davis arrangiert hatte.
Der Papst ließ Vigano gehen
Davis hatte für ihre Ablehnung homosexueller Ehen ein Disziplinarverfahren in den USA auf sich genommen. Das Treffen, das Medien damals als Rückhalt des Papstes für Davis deuteten, sorgte sowohl in der vatikanischen Delegation als auch bei den US-Gastgebern für Irritation. Der Vatikan erklärte damals, die Begegnung mit Davis könne "nicht als Unterstützung ihrer Position" verstanden werden.
Laut Cruz sagte Franziskus mit Blick auf diese Episode, er sei "entsetzt" gewesen und habe seinen US-Botschafter Vigano deswegen entlassen.
Der Vatikan handelte
Der 77-jährige Vigano, von 2011 bis 2016 päpstlicher Botschafter in Washington, hatte am Wochenende ein Memorandum zum früheren Washingtoner Kardinal Theodore McCarrick (88) veröffentlicht. Darin behauptet der Diplomat, er habe Franziskus bereits im Sommer 2013 persönlich gesagt, McCarrick habe "Generationen von Seminaristen und Priestern verdorben" und sei von Papst Benedikt XVI. (2005-2013) zu einem zurückgezogenen Leben in Buße verurteilt worden.
Ob Benedikt XVI. tatsächlich Sanktionen gegen den damals längst pensionierten Kardinal wegen dessen homosexueller Vergangenheit aussprach, ist nicht sicher. Nachdem im Juni das Erzbistum New York erstmals Vorwürfe sexueller Vergehen auch an Minderjährigen als "glaubwürdig und substanziell" einstufte, verbot der Vatikan McCarrick die Ausübung priesterlicher Aufgaben in der Öffentlichkeit. Ende Juli entließ ihn Franziskus aus dem Kardinalsstand.
Zulehner: Bischöfe müssen sich endlich hinter den Papst stellen
Auch der Wiener Theologe Paul Zulehner hat die Bischöfe in Deutschland, Österreich und der Schweiz sowie in ganz Europa aufgerufen, den "immer dreister" werdenden Attacken auf Papst Franziskus entschieden entgegenzutreten. Nach der auch von anderen Papstgegnern unterstützten Rücktrittsforderung in einem "Memorandum" des früheren Nuntius in den USA, Erzbischof Carlo Maria Vigano, habe sich erst ein einziger Bischof weltweit, Giovanni D'Ercole von der italienischen Diözese Ascoli Piceno, "in dieser prekären Lage vor den Papst gestellt". Zulehner zeigte sich darüber in einem Blogeintrag "bestürzt" und forderte die europäischen Bischofskonferenzen auf, ihr bisheriges "skandalöses Schweigen" aufzugeben.
Der Pastoraltheologe und Buchautor wies darauf hin, die Gegner des weltoffenen Papstes seien weltweit vernetzt. Nach den jüngsten Vorwürfen Viganos in Bezug auf Missbrauchsvertuschung und homosexuelle Netzwerke im Vatikan dominierten sie die Berichterstattung in den Medien und forderten «in anmaßender Weise» den Rücktritt von Franziskus. Bischof D'Ercole schrieb dazu in einem Hirtenbrief, die Papstgegner hätten in einer konzertierten medialen Operation die Aufmerksamkeit für die Irland-Reise des Papstes ausgenützt. Er dagegen stehe zum Papst als Nachfolger des Apostels Petrus und unterstütze seinen Kampf gegen Missbrauch, betonte der Bischof von Ascoli Piceno.
Ein Gebetstag für den Papst?
Der Rat der Europäischen Bischofskonferenzen und auch einzelne Bischofskonferenzen wären laut Zulehner gut beraten, ihre Loyalität ebenso klar und deutlich zu bekunden. Ein Gebetstag für den Papst – wie von D'Ercole für seine Diözese am 2. September vorgesehen – "wäre in dieser heiklen Stunde der Kirche auch bei uns in Österreich mehr als angemessen".
Die von ihm initiierte Solidaritäts-Aktion "Pro Pope Francis" trage dem Rechnung, dass der Papst in solch einer Zeit Rückenwind brauche. Laut Zulehner unterzeichneten bisher weltweit 75.000 Menschen den ermutigenden Offenen Brief an Franziskus; 150 Theologen aus aller Welt hätten zugunsten des von ihm eingeschlagenen Weges der Kirche Stellung bezogen.
Kirchenrechtler: Verpflichtung zur Verschwiegenheit
Der Münchner Kirchenrechtler Stephan Haering sieht derweil in der öffentlichen Rücktrittsforderung an Papst Franziskus durch Erzbischof Carlo Maria Vigano einen "unerhörten Vorgang". "Zweifellos wird damit die gebotene Loyalität gegenüber der Person des Papstes verletzt", sagte Haering der in Würzburg erscheinenden Zeitung "Die Tagespost". Der frühere Vatikanbotschafter in den USA berufe sich dabei auf sein Gewissen und auf seine Loyalität zur Kirche insgesamt.
Vigano hatte den Papst wegen angeblicher Versäumnisse im Umgang mit einem ranghohen homosexuellen Geistlichen zum Amtsverzicht aufgefordert. In dem vor einer Woche veröffentlichten Memorandum schreibt der frühere Vatikandiplomat, er habe Franziskus bereits im Juni 2013 persönlich gesagt, der damals schon pensionierte Washingtoner Erzbischof Theodore McCarrick (88) habe "Generationen von Seminaristen und Priestern verdorben". Auch erklärt Vigano, Papst Benedikt XVI. (2005-2013) habe McCarrick deswegen 2009 oder 2010 mit Sanktionen belegt. Bestätigt ist das nicht.
Hat Vigano sich strafbar gemacht?
Haering erinnerte daran, dass in jedem Unternehmen oder jeder Behörde die Mitarbeiter verpflichtet seien, über dienstliche Angelegenheit gegenüber Außenstehenden Stillschweigen zu bewahren. Ähnlich verhalte es sich auch in der katholischen Kirche. Für Mitarbeiter bischöflicher Ordinariate etwa sehe das kirchliche Gesetzbuch die Pflicht zur Wahrung des Amtsgeheimnisses vor.
Der Fall von Erzbischof Vigano sei indes noch einmal besonders gelagert, sagte der Kirchenrechtler. "Hier besteht sogar noch eine spezielle Verpflichtung zur Verschwiegenheit." Denn die in seinem Papier zur Sprache gebrachten Vorgängen fielen als Angelegenheiten des vatikanischen Staatssekretariates unter das sogenannte Päpstliche Geheimnis. Insoweit mache sich der Nuntius "formal gesehen sogar strafbar".
Vigano sieht sich im Recht
Vigano berufe sich seinerseits gewissermaßen auf ein höheres Recht aus seinem Bischofsamt, führte Haering weiter aus.
Als katholischer Bischof und Mitglied des Bischofskollegiums sehe er sich dem Gewissen verpflichtet, durch die Bekanntmachung seiner Kenntnisse endlich eine wirkliche Klärung der Verhältnisse herbeizuführen und so das Wohl der Kirche zu fördern.
Papst bat Irlands Jesuiten um Hilfe gegen Missbrauch
Bei einem Treffen mit irischen Jesuiten in Dublin hat Papst Franziskus unterdessen seinen Orden um besondere Hilfe im Kampf gegen sexuellen Missbrauch und dessen Vertuschung gebeten. Wie das Portal "Jesuits in Ireland" berichtet, forderte Franziskus bei der Begegnung am Samstagnachmittag seine Ordensbrüder ebenso auf, sich in dem Prozess von Heilung, Wiedergutmachung und Wiederaufbau zu engagieren.
Der Papst habe damit auf eine Frage des irischen Provinzoberen Leonard Moloney geantwortet, wie Irlands Jesuiten derzeit das vierte Gelübde des Ordens, besondere Treue zum Papst, erfüllen könnten. Da Franziskus selbst dem Jesuitenorden angehört, hat er bei Auslandsreisen solche privaten Treffen mit Ordensbrüdern inzwischen zur Gewohnheit gemacht.
*Der Beitrag "Schützenhilfe für den Papst in Missbrauchs-Vorwürfen" stammt von DOMRADIO.DE. Es gibt keine redaktionelle Prüfung durch FOCUS Online. Kontakt zum Verantwortlichen hier.
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