DOMRADIO.DE: Sie rufen dazu auf, dass Kinder zu Fuß oder mit dem Rad eigenständig zur Schule fahren. Warum?
Holger Hofmann (Bundesgeschäftsführer vom Deutschen Kinderhilfswerk): Es ist für Kinder eine wichtige Erfahrung, den Schulweg selber zu erleben. Hinter der Windschutzscheibe bekommt man keine wirkliche Orientierung, aber das muss man ja irgendwann mal lernen. Gleichzeitig ist der Schulweg gut für Kinder, weil sie sich dann bewegen.
Sie können sich mit Freunden unterhalten, das macht auch mehr Spaß. Sie entdecken auch mal eine Blume am Wegesrand, auch das ist wichtig. Eltern tun ihren Kindern keinen Gefallen, wenn sie sie mit dem "Eltern-Taxi" zur Schule fahren.
DOMRADIO.DE: Aber in einer großen Stadt wie Köln haben Eltern vielleicht Angst, ihre Kinder allein mit der Bahn oder mit dem Fahrrad fahren zu lassen, oder?
Hofmann: Ja natürlich, das ist eine berechtigte Angst. Aber es ist ja nicht so, dass man schon am ersten Schultag sagt: Du findest den Weg zur Schule schon allein. Es gibt auch eine Übergangsphase. Viele Eltern fahren trotzdem lieber mit dem Auto. Nur, dann gibt es keine Entwicklungen.
Dann gibt es eben nicht diesen Sprung, dass die Kinder eigenständig zur Schule gehen können. Von daher wäre es besser, gemeinsam mit den Kindern den Schulweg zu beschreiten. Die Kinder sind die besten Gradmesser. Die sagen von sich aus: Ich schaff' das jetzt auch allein.
DOMRADIO.DE: Ab welchem Alter ist es denn gut, allein zur Schule zu gehen? Begleitet man zum Beispiel die ersten zwei Jahre, oder was wäre am besten?
Hofmann: Das kommt immer ganz darauf an. Es gibt natürlich Wege mit großer Verkehrsdichte. Da hilft es, sich als Erwachsener auf die Höhe eines Kindes zu begeben, um zum Beispiel parkende Autos als klare Behinderung zu erkennen, weil Kinder dann herannahende Autos sehr spät sehen. Solche Situationen muss man als Erwachsener nachvollziehen.
Entsprechend sollten Kinder später allein in die Schule gehen. Aber es gibt ja auch die Möglichkeit, zusammen mit den Kindern den Schulweg zu gehen.
DOMRADIO.DE: Was sagen Sie Eltern, die das Kind mit dem Auto zur Schule bringen, weil sie vielleicht nicht die Zeit haben, mit dem Kind gemeinsam in die Schule zu gehen?
Hofmann: Es ist klar, dass heute alles getaktet ist. Man muss sich selber fragen: Welche Dinge sind eigentlich von Wert?
Kinder sind ja oft sehr schweigsam, wenn sie zu Hause nach der Schule gefragt werden, wie es denn war. Viele Eltern setzen sehr viel Energie ein, um Informationen aus ihren Kindern herauszuquetschen. Dabei ist es viel leichter, sich zu unterhalten, wenn man mit den Kindern gemeinsam nach Hause läuft. Kinder – wir Erwachsene kennen das auch – reden beim Laufen leichter.
DOMRADIO.DE: Wie versucht das Kinderhilfswerk Eltern zu ermutigen, ihre Kinder wirklich allein los zu schicken?
Hofmann: Wir holen die Schulen mit an Bord. Dazu haben wir eine Aktionswoche vom 17. bis zum 28. September geplant. Das stößt schon seit Jahren auf eine riesige Resonanz. Wir haben mittlerweile über 4.000 Schulen, die mitmachen und frühzeitig eigene Projektideen einreichen.
Da gibt es Schulen, in denen die Kinder zum Beispiel Punkte für ihre "erlaufenen Kilometer" bekommen. Andere richten Schülerlotsen ein, die mit den Kindern gemeinsam die letzten Meter laufen. Wieder andere machen sich Gedanken zum Thema Verkehr. Und schließlich unterstützt das selber laufen der Orientierung, die wir ja alle für unsere Kinder wollen. Es ist ja heutzutage nicht mehr selbstverständlich, dass Kinder sich noch in ihrem eigenen Stadtteil auskennen.
DOMRADIO.DE: Weg vom SUV-Taxi und hin zum Selber-zur-Schule-laufen?
Hofmann: Auf jeden Fall! Damit tut man seinem Kind wirklich etwas Gutes. Und sich selbst auch.
*Der Beitrag "Warum es Kindern hilft, selber in die Schule zu gehen" stammt von DOMRADIO.DE. Es gibt keine redaktionelle Prüfung durch FOCUS Online. Kontakt zum Verantwortlichen hier.
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