Meghan McCain kämpft bei der Trauerfeier für ihren Vater mit den Tränen, immer wieder muss sie ihre Ansprache am Samstag unterbrechen.
Diesen Satz aber sagt sie mit fester Stimme: "Das Amerika John McCains hat es nicht nötig, wieder groß gemacht zu werden, weil Amerika immer groß war." Unter den mehr als 3000 geladenen Gästen in der Nationalen Kathedrale in Washington brandet spontaner Beifall auf. Zur selben Zeit macht sich US-Präsident Donald Trump - auf dessen Wahlkampf-Slogan "Make America Great Again" Meghan McCain anspielt - vom Weißen Haus aus auf den Weg zum Golfplatz.
Kurz nach 10 Uhr morgens bahren Soldaten den mit einer US-Flagge drapierten Sarg mit John McCains Leiche in der Kathedrale auf. Zum Trauergottesdienst für den geachteten Kriegsveteranen hat sich die politische Elite versammelt, und der US-Präsident ist nicht dabei. Fairerweise muss gesagt werden, dass McCain vor seinem Tod hat wissen lassen, dass er die Anwesenheit Trumps nicht wünsche. Dass der langjährige republikanische Senator McCain - der Lagerdenken verabscheute - nicht vom republikanischen Präsidenten verabschiedet werden möchte, sagt allerdings viel über den Zustand der Politik in den USA aus.
Subtile Kritik an Trump
Die Trauerfeier ist eine Art Gegenveranstaltung zu Trumps Amerika. Die Ansprachen und der Umgang miteinander sind freundlich, respektvoll, harmonisch und überparteilich. Der republikanische Ex-Präsident George W. Bush spricht, gefolgt von seinem demokratischen Amtsnachfolger Barack Obama. Zu den Ehren-Sargträgern gehören Ex-Vizepräsident Joe Biden und der Schauspieler Warren Beatty, die politisch nicht auf der Linie McCains lagen und trotzdem seine langjährigen Freunde waren.
Obwohl Trumps Name kein einziges Mal während der zweieinhalbstündigen Veranstaltung fällt, ist es sicher kein Zufall, dass viele Aussagen als subtile Kritik an seiner Politik verstanden werden können. Etwa dann, wenn Obama sagt, McCain habe verstanden, "dass manche Prinzipien über Politik hinausgehen, dass manche Werte über Parteien hinausgehen. Deswegen hat er eine freie und unabhängige Presse als lebenswichtig für eine gute Debatte verteidigt." Trump nennt Medien, die kritisch über ihn berichten, dagegen "Feinde des Volkes".
"Er war ehrenhaft"
Obamas Kritik an einer Politik, die von Beleidigungen, erfundenen Kontroversen und übertriebener Empörung geprägt ist, lässt sich ohne viel Phantasie auf Trump übertragen. Das gleiche gilt für Obamas Aussage, McCain habe gewusst, "dass unsere Demokratie nicht funktionieren wird, wenn wir uns daran gewöhnen, die Wahrheit zu beugen". Bush lobt Charakterzüge McCains, die bei Trump nicht spontan in den Sinn kommen: "Er war ehrenhaft, stets anerkennend, dass seine Kontrahenten immer noch Patrioten und Menschen waren." Trump scheut nicht davor zurück, Gegner auf Twitter als "Hund" zu bezeichnen.
Auch McCain war nicht frei von Fehlern. Er gehörte zu den Falken im US-Senat und war ein vehementer Unterstützer des Irak-Kriegs von George W. Bush. McCain - dessen Gradlinigkeit und Ehrlichkeit in den Tagen nach seinem Tod immer wieder hervorgehoben wurde - gehörte aber auch zu jenen, die sich nicht scheuten, eigene Fehlurteile einzugestehen. Der Irak-Krieg könne nur als ein sehr ernster Fehler gewertet werden, schrieb er in seinen Memoiren - "und ich habe meinen Teil der Schuld dafür zu akzeptieren".
Das Zerwürfnis zwischen Trump und McCain war tief
Über Krieg wusste McCain Bescheid, 1967 wurde der Marineflieger von den Vietcong abgeschossen, gefangen genommen und gefoltert. Dennoch setzte er sich später für eine Normalisierung der US-Beziehungen zu Vietnam ein.
Trump diente nie in Vietnam, wozu nach seinen Angaben die Diagnose eines Fersensporns beitrug, der später von selber geheilt sein soll. Dennoch spottete Trump im Juli 2015, McCain sei kein Kriegsheld, weil er in Gefangenschaft geriet. "Ich mag Leute, die nicht gefangen genommen worden sind", sagte Trump damals.
Das Zerwürfnis zwischen Trump und McCain war tief. Mit seiner schonungslosen Kritik am Präsidenten wurde McCain zu einer Art republikanischem Anti-Trump - auch deshalb erschüttert sein Tod das liberale Amerika und die westliche Welt so sehr. Während Trump Verbündete vor den Kopf stößt und die USA zusehends isoliert, kämpfte McCain für das transatlantische Verhältnis. Bei der Münchner Sicherheitskonferenz kurz nach Trumps Amtsantritt sagte er im Februar 2017: "Ja, es sind gefährliche Zeiten, aber Sie dürfen Amerika nicht abschreiben - und wir sollten einander nicht abschreiben."
"Mit John McCain ist ein letzter Mohikaner von uns gegangen"
Der CDU-Außenexperte Norbert Röttgen - der an der Trauerfeier für den Senator teilnahm - sagt: "Mit John McCain ist ein letzter Mohikaner von uns gegangen." Der zunehmende Einfluss Trumps macht sich nicht nur im transatlantischen Verhältnis bemerkbar, sondern auch in der republikanischen Partei: Bei den Zwischenwahlen für den Kongress und einen Teil der Gouverneursämter im November treten mehrere republikanische Trump-Kritiker nicht mehr an. Dafür werden die Reihen häufig mit Kandidaten gefüllt, die sich Trump anbiedern - und die im Gegenzug dessen Unterstützung via Twitter erhalten.
Ein besonders krasses Beispiel ist Ron Desantis, der im November für das Amt des Gouverneurs im Bundesstaat Florida kandidiert - und dem Trump"volle Unterstützung" zugesagt hat. In einem Wahlkampfvideo bezeichnet sich Desantis als "Pitbull-Verteidiger Trumps", er wird dabei gezeigt, wie er seiner Tochter "das Lesen beibringt" - mit einem "Make America Great Again"-Schild. Dann steht er am Bett seines im März geborenen Sohnes, jemand hat dem Baby einen "Make America Great Again"-Strampler angezogen.
Mit dem Politikverständnis McCains, soviel ist gewiss, hat das nichts mehr zu tun. Im Juli vergangenen Jahres appellierte McCain in einer eindringlichen Rede an seine Kollegen im US-Senat: "Ob wir von derselben Partei sind oder nicht, wir sind nicht die Untergebenen des Präsidenten. Wir sind ihm gleichgestellt!" Damals war bei ihm gerade der Gehirntumor diagnostiziert worden, der ihn am Samstag vergangener Woche im Alter von 81 Jahren das Leben gekostet hat.
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