Gegner des umstrittenen Moscheebaus in Erfurt, einige vermummt und in arabisch anmutenden Gewändern, sind am Sonntagmorgen durch den Ortsteil Marbach gezogen. Sie trugen ein großes schwarzes Kreuz und Transparente mit Aufschriften wie: „Ihr Marbacher habt diese Moschee verdient“ und „Ich bin gesandt worden, das Kreuz zu brechen, das Schwein zu vernichten“.
Die Polizei sprach von weniger als 20 Teilnehmern. Der Aufzug sei genehmigt gewesen. Die Grünen-Landtagsabgeordnete und Erfurter Stadträtin Astrid Rothe-Beinlich berichtete, die Gruppe habe auch eine Kundgebung direkt vor ihrem Haus abgehalten.
In einem Video, das der Nachrichtenagentur dpa vorliegt, sind laute Einspieler von Muezzin-Rufen zu hören. Eine verhüllte Rednerin habe angekündigt, dies sei erst der Anfang. Man werde wiederkommen. „Das war wirklich nicht schön“, sagte Rothe-Beinlich. Sie verstehe das als Drohung.
Holzspieße mit Schweinekadavern
Die Diskussion um den geplanten Moscheebau in Marbach dauert schon mehrere Jahre an. Anfang des Jahres war bekannt geworden, dass die Gemeinde den Bau genehmigt hat. Der Baubeginn ist bisher für 2019 vorgesehen. Im vergangenen Jahr hatten Gegner des Projekts in der Nähe des Baugeländes große Holzkreuze und Holzspieße mit Schweinekadavern aufgestellt.
Bauherr der geplanten Moschee ist die Ahmadiyya-Gemeinde, die in Thüringen etwa 100 Mitglieder zählt. Die Ende des 19. Jahrhunderts in Indien gegründete Bewegung hat nach eigenen Angaben weltweit zehn Millionen Anhänger, die in den einzelnen islamischen Ländern jeweils eine Minderheit sind.
"Neue Qualität der Bedrohung"
Die Landeseinsatzzentrale bestätigte, dass es bei dem Aufzug am Sonntag eine Kundgebung gab. Ob diese vor dem Privathaus Rothe-Beinlichs stattfand, konnte der Sprecher nicht sagen. In einer späteren Mitteilung hieß es, dass bezüglich einer im Raum stehenden Bedrohung ermittelt werde. Der Aufzug sei von rund 20 Polizisten begleitet worden, so der Sprecher der Einsatzzentrale.
„Wir verurteilen die Kundgebung unmittelbar vor dem Privathaus der Landtagsabgeordneten Astrid Rothe-Beinlich auf das Schärfste“, schrieben die beiden Landessprecher der Thüringer Grünen, Stephanie Erben und Denis Peisker, in einer Mitteilung. Die Aktion sei ein Eingriff in die Privatsphäre und eine neue Qualität der Bedrohung.
„Wir erwarten von den Ordnungsbehörden, die Privatsphäre eines jeden Menschen zu schützen“, hieße es in der Mitteilung. Besonders perfide sei, dass die Teilnehmer der Aktion der Initiative „Erfurt zeigt Gesicht“ maskiert durch Erfurt-Marbach ziehen durften.
Landtagspräsident verurteilt die Bedrohung
Landtagspräsident Christian Carius (CDU) erklärte, Demonstrations- und Meinungsfreiheit seien höchste Güter unseres Rechtsstaats. Das Bedrohen einer Abgeordneten und ihrer Familie vor deren Wohnhaus stehe außerhalb unserer Rechtsordnung. „Die Privatsphäre und die Familie von Abgeordneten dürfen niemals zu Freiwild in der politischen Debatte werden.“ Der Aufzug dürfe sich nicht wiederholen.
Auch Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) reagierte auf die Aktion. „Die Familie der B90/Grüne-Abgeordneten Astrid Rothe-Beinlich soll wohl in Erfurt/Marbach eingeschüchtert werden“, schrieb Ramelow beim Kurznachrichtendienst Twitter am Sonntag.
Rothe-Beinlich moderierte öffentliches Gespräch
Rothe-Beinlich tweetete selbst mehrfach über den Vorfall. Unter anderem schrieb sie: „Gestern noch in #Chemnitz heute in Erfurt-Marbach Kundgebung samt persönlicher Ansprache (Drohung inklusive) vor meiner Haustür. Die Vermummung (Masken, Nikab...) war angemeldet.“ Der dpa sagte sie, sie könne nicht verstehen, wie die Behörden den Aufzug so genehmigen konnten.
Rothe-Beinlich ist schon länger in der politischen Diskussion um den Moscheebau aktiv. Sie moderierte beispielsweise ein öffentliches Gespräch mit mehreren Hundert Besuchern zu dem Thema. „Für mich gilt das Grundgesetz und darin gibt es die Religionsfreiheit“, sagt sie.
Demonstranten: „Gefahr fürs Vaterland“
Bei Facebook sind Videos von Aufzugteilnehmern eingestellt. Sie tragen darin teils Gummimasken und führen Ketten mit sich. „Allahu akbar“-Rufe sind von ihnen zu hören. Auch die Kundgebung ist zu sehen. Die Rednerin spricht davon, dass die Gruppe hier sei, um sich bei einer Grünen-Politikerin „herzlich“ für die Unterstützung des Moscheeprojekts zu bedanken.
Ein Mann mit Megafon erklärt in einem Video des Aufzugs durchgängig, dass die Marbacher bald täglich arabische Musik und Muezzin-Rufe zu hören bekämen - das Zierminarett der geplanten Moschee wird gemäß den Bauauflagen aber nicht begehbar sein und keine Lautsprecher haben, über die die Gläubigen andernorts zum Gebet gerufen werden.
Der Mann im Video spricht von einer „Gefahr fürs Vaterland“ durch den geplanten Moscheebau der „Ahmadiyya-Sekte“. Nazis seien sie nicht, sagt er, sondern ganz normale Bürger - darunter aber nur eine Frau aus Marbach.
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