EINE KOLUMNE VON DR. RICHARD KIESSLER –
Zwar rühmt sich der US-Präsident noch immer, „eine sehr gute und warme Beziehung“ zu Kim zu unterhalten. Doch seinem reichlich voreiligen Fazit Mitte Juni in Singapur, von Nordkorea gehe „keine nukleare Bedrohung mehr“ aus, widersprechen die Satellitenaufnahmen und Infrarotbilder amerikanischer Geheimdienste. Im Forschungszentrum Sanumdong, unweit der Hauptstadt Pjöngjang, baut Nordkorea weiter an Langstreckenraketen, die mit flüssigem Brennstoff betrieben werden und womöglich amerikanisches Territorium erreichen können. Auch die Produktion nuklearer Brennstoffe für Atombomben betreibt das Kim-Regime weiterhin.
Jetzt rächt sich, dass sich Trump der reichlich naiven Illusion hingegeben hat, er werde den molligen Diktator per Handshake zu dem Deal überreden können, sein atomares Arsenal zu verschrotten. In Wahrheit hatte Kim Trump keinerlei konkrete Zusagen gemacht und auch nach dem Gipfeltreffen niemals öffentlich versprochen, die Arbeiten in seinen nuklearen Werkstätten einzustellen. Als „Geste des guten Willens“ hatte der Amateur-Diplomat Trump allerdings zur nicht gelinden Überraschung seiner Militärs und der ebenfalls überrumpelten südkoreanischen Verbündeten die „Kriegsspiele“ (Trump) an den Grenzen zu Nordkorea ausgesetzt. Jetzt droht US-Verteidigungsminister James Mattis, die jährlichen Militärmanöver wieder aufzunehmen, nachdem der Entspannungsprozess an einem toten Punkt gelandet ist.
Nach nur vier Verhandlungsrunden wirft US-Außenminister Mike Pompeo Nordkorea „mangelnde Fortschritte bei der Entnuklearisierung der koreanischen Halbinsel“ vor. Pjöngjangs Unterhändler, Ex-Geheimdienstchef Kim Yong-chol, beschuldigt die USA in einer scharf formulierten Note, sich nicht ausreichend für einen Friedensvertrag einzusetzen, der den 1953 geschlossenen Waffenstillstand zwischen Nord- und Südkorea ablösen soll. Das gegenseitige Misstrauen sitzt tief, zumal Nordkorea angesichts des Vertragsbruchs mit dem Iran registriert hat, wieviel Trump ein atomarer Deal wert ist.
Der schlaue Kim Jong-un hat überdies seine Aufwertung durch Trump genutzt, um das lange gespannte Verhältnis zu China zu entkrampfen. Noch in diesem Monat wird Xi Jinping in Pjöngjang erwartet, dem ersten Besuch eines chinesischen Staatschefs seit 2005. Wegen des sich zuspitzenden Handelsstreites mit Trump ist China immer weniger bereit, sich an die Sanktionen gegen Nordkorea zu halten. Das Reich der Mitte liefert u.a. Treibstoff, Dünger und Geld, um das Regime zu stabilisieren. Der erhoffte wirtschaftliche Aufschwung verstärkt die willkommene Überlebensgarantie für Kim und die Seinen. Scheinbar unbeeindruckt von den neuen amerikanischen Drohungen, wollen die beiden Koreas am Mittwoch dieser Woche ihre Gespräche über eine Normalisierung der Beziehungen fortführen. Im Gegensatz zu Trump setzt Südkoreas Präsident Moon Jae-in auf eine geduldige Diplomatie.
Zum Autor: Dr. Richard Kiessler ist ein deutschlandweit renommierter Experte in Fragen der Außen- und Sicherheitspolitik. Für den Spiegel war er als diplomatischer Korrespondent tätig, sowie als Chefredakteur der NRZ und der WAZ Mediengruppe. Seit 2011 ist er freier Publizist und schreibt regelmäßig Kolumnen für den INFORMER.
*Der Beitrag "Trumps Deal mit Nordkorea ist gescheitert – Kim Jong-un stabilisiert sein Regime" stammt von Informer. Es gibt keine redaktionelle Prüfung durch FOCUS Online. Kontakt zum Verantwortlichen hier.
No comments:
Post a Comment