Sie erlebte den US-Präsidenten hautnah: Omarosa Manigault Newman arbeitete in führender Position für die Kommunikationsabteilung des Weißen Hauses, das erste Mal begegnete sie Donald Trump vor 15 Jahren. Sie berichtet aus erster Hand vom Alltag mit Trump. Sie zeigt, wie Trump nach den blutigen Ausschreitungen von Charlottesville den Kontakt zur Realität verloren hat und verrät den größten Charakterfehler des Präsidenten.
Omarosa Manigault Newman wirft in ihrem Buch "Entgleisung. Eine ehemalige Mitarbeiterin von Donald Trump packt aus" einen Blick hinter die Kulissen des Weißen Hauses und zeigt den Menschen Donald Trump. Der abgedruckte Buchauszug beschreibt die Reaktion des US-Präsidenten auf die Ausschreitungen bei den rechtsextremen Demonstrationen in Charlottesville im August 2017. Das Buch erscheint am 2. November 2018 im Piper Verlag, hat 384 Seiten und kostet 20 Euro. Das E-Book ist bereits ab 2. Oktober 2018 verfügbar.
Am Montag, dem 14. August, erklärte der Präsident, dass er die Gewalt verurteile, weiter hieß es: „Rassismus ist böse. Und Personen, die in seinem Namen Gewalt anwenden, sind Gangster und Kriminelle, dazu gehören auch die Mitglieder des KKK, Neonazis, Suprematisten und andere hasserfüllte Menschen. Sie handeln allem zuwider, was uns Amerikanern lieb und teuer ist.“
Er erwähnte Heather Heyer und zwei Angehörige der Polizei von Virginia, die bei einem Hubschrauberabsturz im Zusammenhang mit den Ereignissen ums Leben gekommen waren. Für viele war die Erklärung zu dünn, kam zu spät und klang nicht aufrichtig.
Nach Charlottesville-Ausschreitungen: Trump von Presseandrang überrascht
Am Dienstag, dem 15. August, fand im Trump Tower eine Pressekonferenz des Präsidenten statt, in der er eine Deregulierung verkünden wollte, die Bestandteil seines Infrastrukturgesetzes war. Ich war inzwischen nach Washington zurückgekehrt und sah mir die Pressekonferenz auf einem Fernseher im Weisen Haus an. Wie mir einer der Anwesenden später berichtete, zeigte sich Trump ehrlich überrascht, wie viele Presseleute zu einer Diskussion über Bauvorschriften gekommen waren. Er hatte keine Ahnung, wie explosiv die Lage in Charlottesville in den vier Tagen zuvor geworden war.
Man hatte ihn auf die Pressekonferenz nicht ordentlich vorbereitet, und als er im Trump Tower aus dem Aufzug stieg, stand er den Hunderten von Pressevertretern aus der ganzen Welt gegenüber. Die Sorge der Öffentlichkeit war real und berechtigt. Menschen auf der ganzen Welt hatten mit großem Entsetzen zugesehen, wie Neonazis vor einer Kirche Unschuldige zusammenschlugen, wie Mitglieder des Ku-Klux-Klans an einem Fackelzug teilnahmen, wie Milizionäre mit unverhüllten Maschinenwaffen auf Virginias Straßen marschierten.
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Diese Bilder weckten im kollektiven Bewusstsein die schlimmsten Erinnerungen an rassistische Gräueltaten, ließen die schändliche Vergangenheit unserer Nation in der Gegenwart wieder lebendig werden. Eine gute Freundin rief mich an und sagte: „Ich habe Angst um meine Kinder und meine Community.“ Ich dachte, sie hatte Angst vor den Suprematisten, aber sie meinte: „Nein, ich habe Angst vor deinem Chef, Trump.“
Ich wollte sagen, sie brauche keine Angst zu haben, ich sei ja da, die Leitplanken seien gesetzt. Aber mitten in einer amerikanischen Stadt hatte zwei Tage lang ein offener Rassenkrieg getobt. Bis Charlottesville hatte ich mich der Tatsache nicht gestellt, wie schlimm alles geworden war, weil ich mich dann mit den Dingen hatte auseinandersetzen müssen, die ich schon die ganze Zeit an Trump wahrgenommen, aber ignoriert hatte.
Trump hatte den Kontakt zur Realität verloren
Während der Pressekonferenz jedoch fiel es mir wie Schuppen von den Augen: Ich erkannte, dass Trump keine Ahnung hatte, warum die Menschen so verstört waren. Er begriff es einfach nicht. Er hatte den Kontakt zur Realität verloren. Er kam mit dem Aufzug in die Lobby des Trump Tower heruntergefahren.
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Die Türen gingen auf: Vor ihm eine Armada von Presseleuten. Hinter ihm die geschlossene Aufzugtür. Er konnte nicht entkommen. So blieb ihm keine andere Wahl, als die vorbereitete Ansprache über die Bauvorschriften zu halten. Er stand in der Kritik, ohne einen Ausweg zu haben, und er war verärgert, weil die ganze Angelegenheit immer noch nicht ausgestanden war.
Nach seiner Ansprache, einer einzigen Prahlerei über die hervorragenden Eigenschaften seiner Gebäude, nahm er Fragen der Journalisten an. Einer fragte, warum er so lange gebraucht habe, bis er die Neonazis und die Suprematisten verurteilt habe. Er antwortete, es sei wichtig, die Dinge „schon ruhig anzugehen“ und er habe abwarten wollen, bis er genügend Informationen gehabt habe. Das war Unsinn. Ich wusste, dass er alle Informationen von Tom Bossert bekommen hatte. Er war 24 Stunden abgetaucht. Er hatte das getan, was er und die "Trumpworld" immer taten, wenn sie es mit komplizierten Problemen oder Krisen zu tun bekamen.
Seine Gestik verriet ihn: Er wedelte aggressiv mit den Händen und fuchtelte mit den Fingern. Er bewegte sich, als ob er angegriffen wurde. Eine junge Frau war tot, aber er dachte nur an sein eigenes Unbehagen. Er versuchte es nochmals: „Wie wäre es mit ein paar Fragen zur Infrastruktur?“ Er hatte keine Vorstellung davon, welche Bedeutung Charlottesville besaß, und wollte zur Tagesordnung übergehen.
Trump ohne eine Spur von Empathie
Dieser Mann besaß keine Spur von Empathie. Jeder normale Mensch hätte gewusst, dass er über die Ereignisse seit der ersten Demonstration in Charlottesville hätte reden müssen. Er hätte die Nationalgarde entsandt, um die Ordnung wiederherzustellen, und er hätte der Lokalregierung bei der Bekämpfung der Gewalt geholfen anstatt zuzusehen, wie sich die Lage mehr und mehr aufheizte.
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Er hätte all den Amerikanern, die nonstop Fernsehbilder sahen, die sie an die dunkelsten Stunden der amerikanischen Geschichte erinnerten, die Angst genommen. Er hätte zu einem Tag der Trauer, einem Tag des Gebets und einem nationalen Symposium über Rassenprobleme aufgerufen. Er hätte über die Einheit gesprochen, die wir verzweifelt benötigten. – Doch er adressierte nichts von alledem. Trump wünschte sich eine Frage zur Infrastruktur.
Als er in Bedrängnis geriet, erwähnte er Heather Heyer und sagte: „Ihre Mutter hat mir auf Twitter für meine Erklärung gedankt.“ Das Leben dieser Frau war zerstört, und er prahlte mit einem Tweet? Es ging immer nur um ihn. Er besaß nicht einmal ansatzweise die Fähigkeit zu verstehen, wie es Heathers Mutter ging.
Ausdruck von Trumps extremem Narzissmus
Sein größter Charakterfehler ist sein absoluter Mangel an Mitgefühl, der wiederum ein Ausdruck seines extremen Narzissmus ist. Trump konstruiert seine eigene Wirklichkeit, um sich selbst in schrecklichen Situationen gut zu fühlen, und dann wiederholt er die Konstruktion immer wieder, bis die derart verzerrte Realität die einzige ist, die er noch kennt.
Bei seinen Lügen und Prahlereien geht es stets und ständig nur darum, dass er selbst gut aussieht, siehe „Ihre Mutter hat mir gedankt“. Der Unterschied zwischen Trump und anderen führenden Politikern, die nicht selten auch recht ichbezogen sind, besteht darin, dass er nur dann funktioniert, wenn sich alles um ihn dreht. Er muss bei allem und jedem im Mittelpunkt stehen. Wenn er nicht im Mittelpunkt steht, erzwingt er, dass er im Mittelpunkt steht. Es ging also nicht darum, dass eine junge Frau gestorben war, sondern darum, dass ihrer Mutter sein Tweet gefallen hatte.
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