Viel zu wenige Einsatzkräfte bei den Ausschreitungen in Chemnitz am Sonntag und Montag, haarsträubende Fehler bei in der Alarmierung von Verstärkung: diesen Eindruck hatte die sächsische Polizei am Sonntag und Montag hinterlassen, als es nach dem Mord an einem 35-Jährigen zu schweren Ausschreitungen in der sächsischen Stadt kam.
Die Polizei des Freistaates war schon bei vorherigen Einsätzen gegen Rechtsextreme immer wieder die Kritik geraten, nicht mit ausreichender Wachsamkeit gegen Ausschreitungen vorzugehen. Obgleich Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer die Arbeit der Polizei nach den schweren Informationspannen vor knapp einer Woche gelobt hatte, forderte die Sachsen vor den Großdemonstrationen am Samstag massive Unterstützung von Bundes- und anderen Landespolizeien an.
1800 Polizisten kontrollierten 9500 Demonstranten
Zwar war es im Verlauf der insgesamt drei Großdemonstrationen zu mehreren Auseinandersetzungen gekommen. Einer ersten Bilanz zufolge sollen dabei elf Menschen verletzt und in ein Krankenhaus gebracht worden sein. Angesichts des erheblichen Konfliktpotenzials zwischen rechten und linken Demonstranten gelang es den Sicherheitskräften diesmal insgesamt jedoch, die Lage auf den Straßen von Chemnitz unter Kontrolle zu halten.
Insgesamt sollen nach Polizeiangaben mehr als 1800 Einsatzkräfte vor Ort gewesen sein, um 9500 Demonstranten einen reibungslosen Veranstaltungsablauf und Sicherheit in der Stadt zu gewährleisten. Dazu zählten 13 Hundertschaften samt Reiterstaffeln, mehrere Wasserwerfer und gepanzerte Fahrzeuge. Insgesamt gab es drei Großveranstaltungen, die im Umkreis von einem Kilometer starteten: Eine zentrale von der AfD als „Trauermarsch“ deklariert, eine weitere von Pegida und „Pro Chemnitz“ sowie die Gegenveranstaltung „Herz statt Hetze“, zu der Grüne und die Linke aufgerufen hatte.
Körperverletzung, Sachbeschädigung, Widerstand gegen die Staatsgewalt
Zu Störungen kam es im Bereich des „Roten Turms“, als nach Polizeiangaben rund 300 Personen von offenbar versuchten, zur AfD-Demo zu gelangen, die mit Pegida und „Pro Chemnitz“ noch vor Beginn des Protestmarsches zu einer Demo verschmolz. Es kam zu Rangeleien mit der Polizei. Bis 22.30 Uhr sollen insgesamt 25 Straftaten gemeldet worden sein – darunter Sachbeschädigungen, Körperverletzungen, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und das Verwenden verfassungsrechtliche Kennzeichen.
Im Video: „Straßen frei!“: Als die AfD ihre Demo abbrechen muss, kommt es zu tumultartigen Szenen
Zudem wurde ein Kamerateam des MDR beim Filmen in einer Privatwohnung angegriffen worden sein, ein Mitarbeiter des Teams wurde dabei verletzt. Im Chemnitzer Ortsteil Markersdorf wurde nach Polizeiangaben ein 20-jähriger Afghane von vier vermummten Personen angegriffen und leicht verletzt. Unklar ist, ob es sich bei den Angreifern um Demonstrationsteilnehmer handelt.
Lage bei der AfD-Demonstration drohte nach Abbruch zu eskalieren
Zu eskalieren drohte die Lage, als sich eine größere Menge von offenbar gewaltbereiten Teilnehmern der Demo von AfD, Pegida und "Pro Chemnitz" nicht damit abfinden wollte, dass die Veranstaltung wegen Zeitüberschreitung von der Polizei abgebrochen wurde, während der übergroße Teil inzwischen die Straße verlassen hatte. Der Demonstrationszug war wegen des Zusammenschlusses mit der drei Gruppen mit erheblicher Verspätung gestartet.
Als die Sicherheitskräfte zwei Wasserwerfer und gepanzerte Fahrzeuge als Verstärkung zu den Wagen schickten, die den Demonstranten den Weg versperrte, stellten sich Demonstranten in den Weg. Einige begannen unter zahlreichen „Widerstand“-Rufen der Menge, mit ihren Fäusten auf die Wände der schweren Wasserwerfer zu trommeln.
Im weiteren Verlauf und nach einigen kleineren Rangeleien gelang es den Einheiten jedoch, die Demonstranten durch mehrfaches Auffordern über ein Lautsprecherfahrzeug davon zu überzeugen, den Kreuzungsbereich allmählich zu räumen. Die AfD wollte mit ihrem „Trauermarsch“ an den Mord an einem 35-jährigen Chemnitzer erinnern, der am vergangenen Sonntagmorgen bei einem Stadtfest nach einer Auseinandersetzung mit Messerstichen schwer verletzt worden war und wenig später im Krankenhaus starb. Ein syrischer und ein irakischer Flüchtling wurden wenig später als Tatverdächtige verhaftet.
Verstärkung kam nicht, da die sächsische Polizei falsche Nummer wählte
Einem Medienbericht zufolge war der sächsischen Landespolizei beim Einsatz am Montag eine folgenschwere Panne unterlaufen. Laut „Welt am Sonntag“ (WamS) hätte die Polizei bereits bei den Demonstrationen Unterstützung durch die Bundespolizei bekommen können. Jedoch habe man sich an die falsche Stelle gewandt: Statt dem für solche Anfragen zuständigen zentralen Bundespolizeipräsidium in Potsdam sei bei der Bundespolizei in Pirna angefragt worden, die jedoch keine Beamten entsenden konnte. Der Vorgang sei der Zeitung vom sächsischen Innenminister Roland Wöller bestätigt worden.
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