Unter vielen Protesten von der SPD-Basis hatten die Sozialdemokraten mit der Union im Koalitionsvertrag die Einstufung von Marokko, Algerien und Tunesien als sichere Herkunftsstaaten vereinbart. Doch die Berliner SPD will sich jetzt querstellen – einer der wichtigsten Bausteiner der Flüchtlingspolitik der Großen Koalition droht damit zu scheitern.
Der Landesvorstand der Berliner SPD beschloss am Montagabend, dass die Berliner Regierung bei der Abstimmung im Bundesrat zu den sicheren Herkunftsstaaten mit Nein stimmen soll. Das teilte die Berliner Juso-Chefin Annika Klose auf Twitter mit.
Die rot-rot-grüne Berliner Regierung, die im Bundesrat über vier der insgesamt 69 Stimmen verfügt, hätte sich bei der Abstimmung vermutlich sowieso enthalten. Denn die Koalitionspartner von der Linken und den Grünen hatten bereits im Juli angekündigt, nicht zustimmen zu wollen.
Für die anderen Bundesländer könnte das Nein der SPD allerdings verheerende Signalwirkung haben. Weitere SPD-regierte Länder könnten die Weigerung aus Berlin zum Vorbild nehmen, sich ebenfalls nicht an den Koalitionsvertrag zu halten. Und die grünen Landesparteien mit Regierungsbeteiligung können es ihren Wählern möglicherweise nur schwer vermitteln, warum sie für die Ausweitung der sicheren Herkunftsstaaten stimmen, manche SPD-Länder aber dagegen.
Schwieriges Vorhaben
Die Einstufung der drei sogenannten Maghreb-Staaten Marokko, Algerien und Tunesien hatte der Bundestag im Juli beschlossen, die Länder müssen jedoch im Bundesrat dem Gesetzesentwurf zustimmen. Dort war das Gesetz bereits 2017 abgelehnt worden. Die Länder, die entweder von der Großen Koalition, von der CSU oder von CDU und FDP regiert sind, haben im Bundesrat keine Mehrheit.
Also brauchen Union und SPD noch die Hilfe von Ländern, in denen die Grünen mitregieren: Im schwarz-grün regierten Hessen ist die Frage heftig umstritten, im grün-schwarzen Baden-Württemberg zeichnet sich wie schon 2017 eine Zustimmung ab. Das schwarz-grün-gelbe Schleswig-Holstein hat schon seine Enthaltung angekündigt, einige Länder wie das rot-grün regierte Hamburg wollen sich im Vorfeld nicht äußern.
Schnellere Anträge, unsichere Lage
Der Gesetzesentwurf zu den sicheren Herkunftsländern beinhaltet die Aussage, dass Menschen aus den jeweiligen Staaten keine Verfolgung droht. Asylanträge aus diesen Ländern haben daher kaum eine Chance auf Bewilligung. Dadurch sollen die Anträge schneller abgearbeitet werden können. Menschen aus diesen Staaten haben auch eine kürzere Widerspruchsfrist und dürfen während der Dauer des Antrages nicht arbeiten.
Die Große Koalition hatte das Vorhaben im Koalitionsvertrag mit einer „Verfahrensbeschleunigung“ begründet. Gegner der Initiative halten dagegen, dass die Lage in den Maghreb-Staaten gerade für Minderheiten, Homosexuelle und Regierungskritiker alles andere als sicher ist. Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International kritisieren etwa seit Jahren den repressiven Sicherheitsapparat in Ländern wie Tunesien. Folter und die Todesstrafe seien dort immer noch weitverbreitet.
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